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Nach Pienkos-Austritt: Die Reaktionen Lüneburger Politiker

Hansestadt, 29.04.2012 - Der Austritt der Lüneburger Juso-Vorsitzenden Kamila Pienkos aus der SPD hat in der Hansestadt ein breites Echo ausgelöst. Nach der SPD äußerten sich jetzt auch die Jusos sowie Vertreter anderer Lüneburger Parteien zu dem überraschenden Schritt der jungen politischen Hoffnungsträgerin. Erste Einladungen für eine neue politische Heimat liegen bereits vor. Die bisherige Juso-Vorsitzende hatte am vergangenen Freitag mit schweren Vorwürfen gegen die Mutterpartei ihren Austritt aus der SPD erklärt (LGheute berichtete).

"Dass Kamila Pienkos die SPD verlässt bedauern wir. Offensichtlich hat sie in unserer Partei nicht das vorgefunden, was sie sich in ihrem Wunschbild unter politischer Arbeit vorgestellt hatte", sagt die SPD-Ortsvorsitzende Hiltrud Lotze. Dass Jungsozialisten bezüglich Form und Inhalt der politischen Debatte andere Auffassung hätten als diejenigen, die älter und schon länger in der Partei sind, liege in der Natur der Sache und werde in der SPD auch akzeptiert, erklärte Frau Lotze. "Kritik ist ebenso erwünscht wie die Auseinandersetzung in der Sache".

Zur Realität von Parteiarbeit und Demokratie gehöre, nicht in jedem Fall die Anderen von der eigenen Meinung überzeugen zu können. Außerdem bedürfe es manchmal eines langen Atems, sagte Lotze. "Gleichzeitig ist ein Parteiaustritt für uns immer Anlass, darüber nachzudenken, ob wir alles richtig gemacht haben", räumte die Ortsvorsitzende selbstkritisch ein. Zur Politik gehöre eine große Portion Leidenschaft, sagt Lotze, "und die hat Kamila Pienkos. Wir wünschen ihr deshalb, dass sie eine politische Heimat findet, in der sie sich ihrem Wunschbild gemäß engagieren kann."

|| Jusos erwarten "Zusammenarbeit auf Augenhöhe"  ||

"Wir stehen an einem Ende, wir sind ein Anfang" - mit diesem Zitat Christian Morgensterns versuchten gestern die Lüneburger Jusos den Zustand zu beschreiben, den der Schritt ihrer bisherigen Vorsitzenden bei ihnen ausgelöst habe. "Sie hat viel getan, um die Jusos in Lüneburg voranzubringen", erklärte der Juso-Vorstand in einer Pressemitteilung. Man bedaure die Entscheidung Pienkos, hoffe aber, dass in Folge der von ihr geschilderten Probleme eine Zusammenarbeit mit der SPD Lüneburg künftig auf Augenhöhe stattfinde.

Auf Unverständnis stieß bei den Jusos die Äußerung Hiltrud Lotzes, Kamila Pienkos habe mit dem Eintritt in die SPD vor drei Jahren womöglich die für sie persönlich falsche Partei gewählt. "Jede Person, die sich für die Grundwerte der Sozialdemokratie einsetzt und diese lebt, ist in unserer Partei willkommen", erklärte Jannick Schultz, Beisitzer im Juso-Vorstand dazu. Die Partei lebe von ihren Mitgliedern, ihren unterschiedlichen Erfahrungen, Interessen und Persönlichkeiten.

|| Politiker-Stimmen aus Lüneburg ||

Ähnlich sehen es auch die Politiker der anderen Lüneburger Parteien. Niels Webersinn, Vorsitzender der CDU Lüneburg, sagte gegenüber LGheute: "Es ist bedauerlich, wenn junge Menschen sich aus der Politik zurückziehen, egal aus welchen Gründen. Wir müssen uns fragen, wie wir sie für die politische Arbeit begeistern können. Wir brauchen junge Menschen, ihre Ideen, ihre Vorschläge, auch ihre Kritik."

Frank Soldan, FDP-Ortsverbandsvorsitzender in Lüneburg, findet: "Schade, dass eine engagierte junge Frau so frustriert und enttäuscht ist. Die 'Politikverdrossenheit', die eigentlich eine Parteiverdrossenheit zu sein scheint, lässt sich so nicht beseitigen. Ich teile nicht immer die Ansichten von Frau Pienkos, bedaure es aber, dass sie sich nicht mehr aktiv einmischt."

"Den Umgang der SPD mit unliebsamen Meinungen anderer Parteien konnte und musste ich am eigenen Leib erfahren", sagt Michèl Pauly, Fraktionsvorsitzender der Linkspartei im Lüneburger Stadtrat. "Dass die SPD intern mit anderen Positionen ebenso umgeht, komplettiert mein Bild der hiesigen SPD. Es ist bedauerlich, dass die SPD aus solcher Kritik ebenso wie aus den vergangenen Wahlniederlagen keinerlei Konsequenzen zu ziehen scheint."

"Das, was Frau Pienkos beschreibt, deckt sich so ziemlich mit meinen Erfahrungen in der SPD, ich kann sie voll und ganz verstehen. Schade, dass die SPD scheinbar nichts dazu gelernt hat", sagt Torbjörn Bartels, Fraktionsvorsitzender der Lüneburger Piraten, der, wie er sagt, die SPD vor drei Jahren aus ähnlichen Gründen verlassen habe.

Jens Kiesel von der RRP: "Ich hätte Frau Pienkos einen längeren Atem und mehr Standhaftigkeit gewünscht. Ohne der SPD zu nahe treten zu wollen, glaube ich, dass sie die Mitarbeit von jungen Menschen dringend benötigt. Viele von Frau Pienkos genannten Vorwürfen sind auch mir aufgefallen, ohne dass ich allerdings die gleichen Konsequenzen gezogen hätte."

|| Pienkos in anderen Parteien willkommen ||

Respekt, Anerkennung und Aufmunterung, weiter zu machen - das sei nahezu ausnahmslos die Resonanz, die Kamila Pienkos selbst auf ihre Erklärung vom Freitag bis jetzt erfahren habe, sagte sie gegenüber LGheute. Der Politik werde sie auch nicht den Rücken kehren, sich aber erst nach einer Auszeit auf die Suche nach einer neuen politischen Heimat machen.

Die ersten Einladungen dazu ließen nicht lange auf sich warten. "Wir würden uns sehr freuen, eine so aktive und engagierte Politikerin wie Frau Pienkos in unseren Reihen zu haben", sagte Pirat Torbjörn Bartels. Auch Michèl Pauly würde sich über Parteizuwachs freuen: "Wenn Kamila Pienkos sich weiterhin parteipolitisch engagieren will, ist sie herzlich eingeladen, 'Die Linke' kennenzulernen. Unsere Fraktionssitzungen sind öffentlich, genauso wie unsere Mitgliederversammlungen. Eines kann ich dabei versichern - Hinterzimmerentscheidungen lässt sich unsere Basis niemals oktroieren." Und auch Jens Kiesel hofft, "dass sich einmal die Gelegenheit zu einem Gespräch mit Frau Pienkos ergeben wird".