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Wohin mit der Frommestraße?

Verwaltungsgericht bestätigt Räumungstermin - Viele Bewohner ohne neue Unterkunft

Hansestadt, 14.06.2012 - Der von der Stadt vorgegebene Räumungstermin für die Frommestraße 5 hat nun auch juristischen Segen erhalten. Wie die Stadt heute mitteilt, hat das Verwaltungsgericht jetzt das Vorgehen der Hansestadt Lüneburg bestätigt. Die Anträge mehrerer Bewohner auf vorläufigen Rechtsschutz wurden vom Verwaltungsgericht Lüneburg abgelehnt.

Die Bewohner wollten erreichen, dass ihre Klagen gegen die Stadt aufschiebende Wirkung haben und so den angeordneten Auszugstermin bis zum kommenden Sonntag, 17. Juni, hinausschieben. Ungeklärt bleibt aber weiterhin die Frage, wo die überwiegende Anzahl der Bewohner unterkommen soll.

Nach der jetzt getroffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts darf die Hansestadt als Bauaufsichtsbehörde "Wohnungen für unbewohnbar erklären", wenn die Standsicherheit des Gebäudes nicht mehr gewährleistet ist. Nach Einschätzung des Gerichts liegt diese Voraussetzung für die Frommestraße 5 "offensichtlich vor". Das Gericht bezieht sich dabei auf das seit dem 11. April 2012 vorliegende Standsicherheitsgutachten des Hamburger Büros WK Consult (LGheute berichtete).

In der Begründung des Gerichts heißt es: "Aufgrund der vorliegenden fachgutachterlichen Stellungnahmen ist die Auffassung, dass die akute Gefahr eines Totalversagens des Gebäudes Frommestraße 5 unverändert fortbestehe, zutreffend. Diese Einschätzung rechtfertigt die sofortige Räumung des Gebäudes." Die Stadt, so das Gericht weiter, sei "zum Schutz von Leben und Gesundheit ... tätig geworden.“

|| "Wir wissen nicht, wo wir wohnen sollen" ||

Damit stehen der Stadt nun zumindest keine juristischen Hindernisse mehr im Weg, die Frommestraße am 18. Juni räumen zu lassen. Doch offen ist nach wie vor, wo die Bewohner anschließend unterkommen sollen. Von den 26 in der Frommestraße 5 angemeldeten Bewohnern haben bis heute lediglich sechs Personen eine neue Unterkunft gefunden, berichtet Jana Terpelle, selber noch in der Frommestraße 5 wohnend und Erste Vorsitzende des Vereins "Inicio", der sich für eine gemeinsame Zukunft der Wohngemeinschaften aus der Frommestraße einsetzt. Sie widerspricht damit der Darstellung der Stadt, wonach es ausreichend Unterkunftsmöglichkeiten gebe, die aber seitens der Frommestraßen-Bewohner nicht in Anspruch genommen würden.

"Viele von uns wissen immer noch nicht, wo sie ab dem 18. Juni übernachten werden. Wir wären froh, wenn es die von der Stadt versprochenen Angebote tatsächlich gäbe", sagt Jana Terpelle. Die Stadt hatte den Bewohnern während des Informationsabends am 20. April im Glockenhaus den Bereich Soziale Dienste und die Lüneburger Wohnungsbaugesellschaft (Lüwobau) als erste Anlaufstellen genannt. Nach Auskunft der Stadt hätten sich aber bisher nur zwölf Interessenten für Ersatzwohnungen bei der Lüwobau und beim Sozialbereich gemeldet.

"Bereits am Abend der Veranstaltung sind wir auf die Lüwobau zugegangen, die uns aber gleich deutlich machte, dass sie allerhöchstens vier Wohnungen anbieten könne", bemerkt Jana Terpelle dazu. Obendrein habe es auch noch der Intervention von Stadtbaurätin Heike Gundermann bedurft, um bei der Lüwobau nicht auf der üblichen Warteliste zu landen, ergänzt Terpelle.

|| Statt Wohnungen VW-Bus und Bauwagen ||

Nach Mitteilung der Stadt hatten Uwe Wendlandt vom Bereich Soziale Dienste und Klaus Schachtschneider von der Lüwobau zwischenzeitlich zwar mehrere Kontakte mit Bewohnern der Frommestraße 5, zu konkreten Wohnungsvermittlungen kam es dabei aber nur in wenigen Fällen. Dennoch versuchen beide Einrichtungen seit Wochen, eine Lösung für den 18. Juni zu finden - auch zu Lasten anderer Interessenten, die ebenfalls auf eine Wohnung warten.

Möglich ist das alles nur, weil die Lüwobau die Wohnungsuchenden aus der Frommestraße 5 als Notfälle behandelt. "Wir haben seit April freigehalten, was geht", sagt Klaus Schachtschneider. Üblicherweise warten Interessenten bei der Lüwobau zwei bis drei Monate, rund 400 Interessentenbogen liegen in der Warteschleife. Das weiß auch Jana Terpelle, und sie fühlt sich nicht wohl dabei: "Wir wollen keine Sonderrechte für uns reklamieren, und es ist für uns kein schönes Gefühl, zu wissen, dass unseretwegen Familien mit Kindern nun womöglich noch länger auf eine Wohnung warten müssen."

Doch wie es weiter gehen soll, ist nach wie vor nicht klar. Jana Terpelle selber willl vorerst bei Freunden unterkommen und dort im Spielzimmer der Kinder übernachten. Zwei andere Bewohnerinnen wiederum teilen sich einen VW-Bus, ein Bewohner wird vorerst mit einem Bauwagen vorlieb nehmen. Doch selbst die Bewohner, die bereits eine Wohnung gefunden haben, können diese nicht immer gleich beziehen. "Einige von uns können erst ab Juli oder August eine Wohnung bekommen, anderen wird nur vorübergehend Wohnraum angeboten", sagt Terpelle und meint damit kleine Appartments am Schildsteinweg, die die Stadt befristet bis zum 31. August anbietet. "Natürlich können die sich auch keine Wohnungen aus den Rippen schneiden - die Situation kam für alle unverhofft", sagt die Inicio-Vorsitzende, die mittlerweile seit acht Jahren in der Frommestraße wohnt.

Die Stadt bekräftigte heute noch einmal, weiterhin mit Unterstützungsangeboten zur Seite zu stehen. Eine Nachfrage bei Campus habe jetzt ergeben, dass nun auch dort Wohn-Möglichkeiten angeboten werden, erklärte die Stadt.

|| Keine spektakuläre Räumungsaktion ||

Oberbürgermeister Ulrich Mädge appellierte unterdessen erneut an alle Bewohner der Frommestraße 5, in der genannten Frist bis einschließlich Sonntag tatsächlich auszuziehen, soweit sie es noch nicht getan haben. Zu einer spektakulären Räumungsaktion wird es nach Einschätzung von Jana Terpelle am Montag wohl nicht kommen, an militanten Aktionen sei niemand interessiert. "Wir gehen schon", sagt die junge Frau, die zugleich hofft, dass die Frommestraße an einem neuen Ort einen neuen Anfang findet - der Vereinsname "Inicio" sei nicht zufällig gewählt.

Morgen treffen sich die Bewohner der Frommestraße mit Oberbürgermeister Ulrich Mädge. Neben der Klärung aktueller Wohnraumprobleme soll es dabei auch um die Zukunft des Frommestraßen-Projekts gehen. "Das habe ich bei der Bürgerversammlung im April angeboten, und das Angebot steht nach wie vor", so der Oberbürgermeister.