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Kommt der Zukunftsvertrag nun doch nicht?

Hannover verschiebt Vertragsunterzeichnung - Starke Vorbehalte von Lüneburger Politikern

Hansestadt, 28.06.2012 - Darf die Hansestadt Lüneburg womöglich doch nicht auf die angekündigten 70 Millionen Euro hoffen, die Niedersachsen bei Abschluss des Zukunftsvertrags versprochen hat? Nachdem noch in der letzten Woche grünes Licht seitens des Verwaltungsausschusses für den Vertrag gegeben wurde, hat Hannover nun noch einmal Gesprächsbedarf angemeldet.

"Die zuständige Kommission sieht den Vertragsentwurf grundsätzlich positiv und wird an den Eckpfeilern nichts ändern. In einigen Bereichen gibt es seitens der Kommission jedoch noch Fragen, die nun in weiteren Gesprächen beantwortet werden", heißt es in einer heute veröffentlichten Mitteilung aus dem Lüneburger Rathaus.

Am vergangenen Mittwoch hatte der Verwaltungsausschuss (VA) der Hansestadt dem Vertragsentwurf für den sogenannten Zukunftsvertrag zugestimmt, der die Stadt von einer Schuldenlast in Höhe von 70 Millionen Euro bei den Liquiditätskrediten befreien soll. Die Schulden will das Land Niedersachsen übernehmen, im Gegenzug muss sich Lüneburg einem strikten Haushaltskonsolidierungs-Programm unterwerfen, um Jahr für Jahr einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen zu können.

Eigentlich wollte bereits gestern die "Kommission Entschuldungshilfe" für das Land Niedersachsen dem Vertragsentwurf zugestimmt haben, so sah es jedenfalls der Fahrplan vor. Warum der jetzt ins Stocken geraten ist, wurde seitens der Stadt nicht weiter im Detail erklärt.

|| Stadt mit Konditionen einverstanden ||

"Wir haben lange mit dem Land verhandelt, den jetzigen Entwurf sehe ich als akzeptablen Kompromiss", sagt Stadtkämmerin Gabriele Lukoschek, die den Vertrag mit dem Land Niedersachsen ausgehandelt hat. Lüneburg habe die einmalige Chance, nicht nur 70 Millionen Euro Liquiditätskredite auf einen Schlag los zu werden, sondern spare dann auch noch die Zinsen ein, zu sparen, und das bedeute aktuell für die Stadt rund 1,26 Mio. Euro mehr im städtischen Portemonnaie, so Lukoschek.

Allerdings hatte die Stadt auf deutlich mehr Hilfe aus Hannover gehofft. Sie war davon ausgegangen, dass das Land wie auch bei anderen Kommunen 75 Prozent der Ende 2009 aufgelaufenen Liquiditätskredite und damit rund 97 Millionen Euro übernimmt. Doch darauf wollte sich Hannover nicht einlassen.

Gleichwohl zeigt sich Lüneburg mit den bislang verhandelten Konditionen zufrieden: "Wir müssen kein Tafelsilber verkaufen, wie es zunächst gefordert wurde, wir müssen kein zusätzliches Sparprogramm auflegen, sondern unsere bestehenden Haushaltskonsolidierungs-Programme sind als ausreichend erachtet worden", so die Stadtkämmerin.

Auch die so genannten freiwilligen Leistungen, zu denen Ausgaben für Theater, Museen sowie viele kulturelle und soziale Angebote in der Stadt zählen, müssen nicht, wie im Vorfeld befürchtet worden war, gekürzt werden. Denn das Land Niedersachsen hatte, so die Stadt, anerkannt, dass Lüneburg als Oberzentrum besondere Aufgaben wahrnehmen muss, die auch zu höheren Ausgaben führen. "Die Marke liegt üblicherweise bei 3 Prozent, wir dürfen sie aber bei den gegenwärtigen 3,52 Prozent belassen", erklärte Lukoschek.

|| Hannover fordert erneute Steuererhöhung ||

Dennoch gibt es eine Forderung des Landes, die der Stadt zu schaffen macht: die zwingende Erhöhung von Gewerbesteuer und Grundsteuer B um jeweils 30 Prozentpunkte ab 2014. "Insbesondere die Einnahmen aus den Realsteuern sind durch vergleichsweise überdurchschnittliche Hebesätze auszuschöpfen", heißt es im Vertragsdeutsch von Seiten des Landes.

Für Lüneburg bedeutet dies, dass nach der Erhöhung der Gewerbesteuer in diesem Jahr um 20 bzw. 30 Prozentpunkte ab dem Jahr 2014 420 Prozentpunkte fällig werden, bei der Grundsteuer B 440 Prozentpunkte. Lukoschek dazu: "Das ist ein herber Schritt, aber durch die Erhöhung schon zu diesem Jahr können wir die erneuten Erhöhungen mit Vorlaufzeit umsetzen, und sie fallen im Vergleich zu anderen Städten moderat aus."

|| Gemischte Stimmung bei Lüneburgs Politikern ||

Das aber sieht vor allem die FDP ganz anders. "Die Folgen dieser Erhöhung werden sein, daß die Mietnebenkosten steigen und die Gewerbesteuer die Betriebe stark belasten wird", befürchtet Stadträtin Birte Schellmann. Lüneburg konkurriere nämlich nicht mit Gewerbegebieten in anderen Teilen Niedersachsens, sondern einzig und allein mit seiner unmittelbaren Umgebung. "Dort haben wir es aber nicht nur mit Gemeinden zu tun, die direkt an die Stadt angrenzen, sondern auch noch mit solchen, die mit ihren Gewerbegebieten verkehrstechnisch gesehen günstiger an Hamburg und an der Autobahn liegen", erläutert Schellmann und weist darauf hin, dass beispielsweise Winsen, Bardowick und Adendorf Gewerbesteuersätze um die 350 Prozentpunkte haben, während Lüneburg von derzeit 390 Prozentpunkte auf dann 420 steigen soll.

Bereits jetzt schon sei Firmenabwanderung feststellbar, der Trend drohe sich dann zu beschleunigen, sagt Schellmann mit Blick auf die Unternehmen Friede und Dedon. "Wir können uns doch nicht mit einer solchen Entscheidung die Zukunft verbauen", warnt die FDP-Politikerin. Außerdem lasse dieser Vertrag völlig unberücksichtigt, daß Lüneburg in einer von Europa als Zielgebiet II anerkannten Region liege, der mit wirtschaftlicher Förderung unter die Arme gegriffen werden muss.

Wenig Verständnis hat Schellmann auch dafür, dass Niedersachsen der Hansestadt vorschreibt, die Hebesätze zu erhöhen. Da allein die Kommunen zuständig seien für die Auswahl der Mittel, um eine Konsolidierung zu erreichen, greife hier das Land in die Kompetenzen der Stadt ein. "Ich frage mich deshalb, ob dies wirklich unabdingbare Forderung des Landes ist, oder ob das Land gar zu schnell auf die Bereitschaft der Stadt eingegangen ist, ihre Einnahmen durch Erhöhung der Steuern zu verbessern, um Sparmaßnahmen zu umgehen", so Schellmann.

Dieser Kritik schließt sich auch Michèl Pauly, Fraktionschef der Linken im Lüneburger Stadtrat, an. Er befürchtet, dass die Erhöhung der Hebesätze bei vielen Unternehmen an die Substanz gehen wird. "Damit habe ich ein Problem", sagt Pauly, der in dem Zukunftsvertrag auch einen Eingriff in Haushaltsrecht der Kommunen sieht und daher gegen den Vertrag stimmen will.

Für Torbjörn Bartels von der Piraten-Partei gibt es zwar keine Alternative zu dem Vertrag, doch auch für ihn wiegt die vom Land vorgegebene Steuererhöhung schwer, da damit das kommunale Selbstbestimmungsrecht verletzt werde und Lüneburg Schaden nehmen könnte, weil immer mehr Unternehmen aus der Hansestadt abwandern. "Warum wird vor einer Steuererhöhung nicht erstmal überlegt, ob vielleicht auch Ausgaben gekürzt werden können", fragt Bartels, der sich tendenziell gegen den Vertrag ausspricht.

Niels Webersinn, Vorsitzender der CDU Lüneburg, sieht den Zukunftsvertrag hingegen als Chance für die Hansestadt, endlich von dem hohen Schuldenberg wieder herunter zu kommen. Eine Beschneidung kommunaler Rechte mag er in dem Vertrag nicht erkennen. "Wer da Bedenken hat, der kann das ja durch das Verwaltungsgericht prüfen lassen", so Webersinn.

"Die Kröte müssen wir schlucken", meint zähneknirschend Jens Kiesel von RRP. Für ihn sei der Nutzen größer als der Schaden, der durch den Vertrag angerichtet werde.

Heiko Dörbaum, SPD-Fraktionsvorsitzender im Lüneburger Stadtrat, steht dem Abschluss des Zukunftsvertrags positiv gegenüber. "Wir sprechen uns grundsätzlich für einen Abschluss aus", so Dörbaum. Zu Einzelheiten der nichtöffentlichen Diskussion wollte er zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch noch nicht Stellung nehmen.

Auch Andreas Meihsies, Fraktionschef der Grünen im Stadtrat von Lüneburg, hat mit dem Zukunftsvertrag kein Problem.