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Absicht oder Versagen?

Stadt soll mehr als 2 Millionen Euro Nachschlag für Feuerwehrgelände zahlen - Wer trägt die Verantwortung?

Lüneburg, 02.01.2013 - Der Hansestadt Lüneburg droht Ungemach. 2,2 Millionen Euro soll sie für ein Grundstück nachzahlen, das sie 1995 vom Bund gekauft hat und - so der Bund - vertragswidrig nutzt. Die Rede ist vom ehemaligen Sportgelände der Lüner Kaserne, Teil des heutigen "LüneParks". Auf dem Grundstück hat die Stadt die neue Feuerwache Stadtmitte nebst Wohnungen für Feuerwehrangehörige errichtet, obwohl im Kaufvertrag nur eine sportliche Nutzung des Geländes für einen Zeitraum von 20 Jahren vereinbart war. Problematisch: Bereits seit 2008 stehen die Forderungen des Bundes als Rückstellungen im Haushalt, doch erst jetzt hat die Verwaltung das Thema an den Rat herangetragen. Dieser fiel aus allen Wolken.

Im Dezember 1995 hatte die Stadt mit Zustimmung des Rates das erste Grundstück für rund 1 Million Euro vom Bund erworben. Ein guter Preis, denn die Forderung des Bundes lag ursprünglich bei knapp 7 Millionen Euro. Dass es dennoch so günstig zu bekommen war, lag an einer Nachzahlungsklausel, die beim Kauf vereinbart wurde: Das Gelände darf für einen Zeitraum von 20 Jahren nur zu sportlichen Zwecken genutzt werden, ansonsten ist eine Nachzahlung in Höhe der Differenz zum aktuellen Verkehrswert fällig.

Doch schon wenige Jahre später wurde von der Stadt beschlossen, auf dem günstig erworbenen Gelände die neue Feuerwache nebst Wohnhaus zu errichten. Hierfür wurde im Juli 2002 im Rat die Bestellung von entsprechenden Erbbaurechten zugunsten der Lüneburger Wohnungsbaugesellschaft mbH beschlossen. In der Beschlussvorlage findet sich aber kein Hinweis darauf, dass auf die Stadt durch die nicht vertragskonforme Nutzung Nachforderungen des Bundes zukommen könnten, ebenso wenig beim endgültigen Beschluss zum Bau der Feuerwehr im September 2005.

|| Rat nicht über Rückstellung von 2 Millionen Euro informiert ||

Ein folgenschwerer Fehler. 2008 meldete sich der Bund bei der Stadt und machte seine Ansprüche geltend: 2,2 Millionen Euro. Zwar weist die Stadt diese Forderung als unbegründet zurück, den vollen Betrag hat sie aber dennoch bereits 2008 als Rücklage in den Haushalt eingestellt, obwohl sie lediglich 900.000 Euro als berechtigte Forderung des Bundes akzeptieren will. Wie sich dieser Betrag allerdings zusammensetzt, hat die Stadt bislang nicht weiter erklärt. Ebenso wenig, warum sie bei einer außerplanmäßigen Rückstellung von mehr als 2 Millionen Euro erst jetzt und nicht bereits 2008 den Rat informiert hat.

Den Rat selbst hat dieses Thema völlig überrascht. Erstmals wurde er in der außerordentlichen Ratssitzung am 30. November 2012 in nichtöffentlicher Sitzung überhaupt mit diesem Problem konfrontiert. In der letzten Ratssitzung am 20. Dezember 2012 sollte das Thema erneut hinter verschlossenen Türen behandelt werden, doch da stellte sich die CDU quer. Sie bewirkte, dass hierzu Öffentlichkeit hergestellt wurde.

|| Ratsmehrheit lehnt Ermittler ab ||

Einige Ratsmitglieder wollen nun selber wissen, ob sie mit dem damaligen Beschluss zum Bau der Feuerwache wissentlich einen Fehler gemacht haben, der die Stadt teuer zu stehen kommen kann, oder ob sie möglicherweise in Unkenntnis der Sachlage entschieden hat.

Grüne und Piraten haben Akteneinsicht beantragt, die CDU beantragte die Einsetzung eines Ermittlers, wie es die Stadt auch bei der Frage um den Erwerb des Asbest belasteten Gebäudes im Pulverweg praktizierte, bei dem es um einen Schaden von 200.000 Euro ging. Doch konnte sie sich zusammen mit den Piraten und den Linken nicht gegen die Mehrheit von SPD und Grünen im Rat dafür durchsetzen.

|| Wer trägt die Verantwortung?  ||

Fachlich zuständig bei der Stadt für Grundstück und Feuerwehr und damit auch zuständig für die Verfassung der Beschlussvorlagen waren zum Zeitpunkt, als die entsprechenden Beschlüsse gefasst wurden, zwei Personen: Rolf Sauer, damaliger Stadtkämmerer und in dieser Funktion auch zuständig für die Liegenschaften, und Andrea Schröder-Ehlers, damals Leiterin des Fachbereichs 3, zu dem auch die Feuerwehr gehört. Der Fachbereich 3 war zudem direkt dem Oberbürgermeister unterstellt, und das war auch damals schon Ulrich Mädge.

|| "Hätten wir 2006 anders entschieden?" ||

Dass dem Rat die Vertragsdetails nicht bekannt waren, wird auch aus einer Äußerung des Oberbürgermeisters in der vergangenen Ratssitzung am 20. Dezember deutlich: "Hätten wir, wenn wir den Vertrag 2006 gesehen hätten, anders entschieden? Der Lüneburger Sport wäre uns in den Nacken gesprungen." Wurden die Vertragsdetails mit den folgenschweren Konsequenzen also möglicherweise absichtlich nicht vorgelegt, um das Projekt nicht doch noch zu gefährden? Oder war es "nur" ein Versagen der zuständigen Ressortleiter?

Oberbürgermeister Ulrich Mädge indes ist sicher, dass der Stadt kein Schaden entstanden sei, wie er in derselben Ratssitzung erklärte. Bei den anstehenden Verhandlungen mit dem Bund zeigte er sich zudem zuversichtlich, dass dieser nicht die gesamte Forderung geltend machen werde: "Ich sehe auf dem Gelände kein Gewerbe, sondern Feuerwehr und Sport".

Doch auch das Thema "Gewerbe" ist noch nicht ganz vom Tisch. Denn auf dem Gelände wurde direkt neben der Feuerwehr eine Auto-Waschanlage errichtet, und die kann selbst der Oberbürgermeister nicht als sportliche oder gemeinnützige Anlage gewertet wissen.