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Über den richtigen Umgang mit Heuschrecken

Rat diskutiert Lösungen zur Beseitigung der Wohnmängel am Weißen Turm und in Kaltenmoor

Lüneburg, 22.03.2013 - Sie nennt sich Wohnanlage CityPark, besser bekannt ist sie als marode mehrstöckige Vielparteienmietanlage Weißer Turm. Undichte Fenster, Schimmel an den Wänden, defekte Fahrstühle und ausgefallene Lichtanlagen sind einige der Punkte, die von den Mietern seit langem beklagt werden, doch bislang leider vergebens. Die Wohnverhältnisse am Weißen Turm und in Lüneburgs Problemviertel Kaltenmoor waren am Donnerstag Thema im Rat der Hansestadt. Diskutiert wurde, wie die Stadt mit Wohnungseigentümern umgehen soll, die ihren gesetzlichen Verpflichtungen nicht nachkommen.

|| SPD: Gewinnmaximierung auf Kosten der Mieter ||

"Normalerweise sind Hausbesitzer an der Werterhaltung ihrer Immobilie interessiert. Hier aber geht es allein um Gewinnmaximierung auf Kosten der Mieter." Mit diesen Worten fasste Hiltrud Lotze die Situation zusammen, die sich ihr nach ausführlichen Gesprächen mit Mietern der Wohnanlagen Am Weißen Turm und in Kaltenmoor dargestellt hatte.

"Es ist ein respektloser Umgang mit den Mietern, der so nicht hinnehmbar ist", sagte Lotze. Und damit war der Rat auch genau bei der Frage angekommen, um die es am Freitag dann eine knappe Stunde lang ging: Was kann die Stadt tun, damit die Missstände in den betreffenden Immobilien abgestellt werden?

|| Grüne: Allgemeinheit ist nicht für die Rendite von Heuschrecken zuständig ||

Für Ulrich Blank von den Grünen war es klar: "Es geht nicht an, dass wir als Stadt in die Bresche springen." Die Allgemeinheit, so Blank, sei nicht für die Rendite von Heuschrecken zuständig. Gemeint waren damit die Immobilienfonds als Eigentümer der Wohnanlagen, eine mit Sitz in den Niederlanden, zwei andere in Israel. Jetzt, so Blank, gelte es, von der Stadt ein klares Signal auszusenden: Wir schauen kritisch auf das, was bei Euch passiert!

Um den festen Willen der Stadt auch erkennbar werden zu lassen, hatten SPD und Grüne einen Antrag eingebracht, der in sechs Punkten auflistet, wie man den pflichtvergessenen Fondsmanagern beikommen wolle. So sollen diese verpflichtet werden, einen positiven Dialog zu ihren Mietern herzustellen, einen Hausmeisterdienst sicherzustellen, einen Mieterbeirat einzurichten, Wohnungsmodernisierungen nach bundesdeutschem Standard durchzuführen, ein energetisches Sanierungskonzept zu erarbeiten und Wohnungssanierungen mithilfe von Förderprogrammen durchzuführen.

|| CDU: Es gibt kein Gesetz für positiven Dialog ||

Doch damit stießen sie auf deutlichen Widerspruch bei der CDU. "Es gibt kein Gesetz für einen positiven Dialog, die Immobilienfonds lachen Sie aus", sagte Renate Baumgarten von der CDU-Fraktion. Auch die weiteren Punkte seien allesamt nicht einklagbar und würden daher ohne Wirkung verpuffen. "Was Sie hier machen, sind reine Lippenbekenntnisse, aber nichts davon hilft den Mietern wirklich", so Baumgarten.

Um tatsächlich etwas erreichen zu können, müsse die Stadt zunächst die Voraussetzungen dafür schaffen, sagte Baumgarten. Dies ginge allerdings nur im Wege einer Modernisierungsvoruntersuchung, die im Ergebnis aufzeige, welche Probleme und Mängel tatsächlich in den betreffenden Immobilien vorliegen, die von den Eigentümern dann zu beheben seien.

|| OB: Wir brauchen politischen Druck und keinen Werkzeugkoffer ||

Einen entsprechenden Änderungsantrag zog die CDU gestern kurzfristig aus der Tasche, ganz zum Ärgernis von Oberbürgermeister Ulrich Mädge. "Es geht nicht an, eine Vorlage der Verwaltung abzuschreiben und daraus einen Antrag zu machen", sagte Mädge. Ihn störte, dass die CDU sich in ihrem Antrag auf rechtliche Passagen aus der von der Stadtverwaltung vorgelegten Stellungnahme stützte. "Wir brauchen keinen rechtlichen Werkzeugkoffer, was hier hilft, ist öffentlicher Druck, und den müssen wir ausüben", so Mädge.

|| Piraten: Änderungsantrag zu kurzfristig ||

Verärgert war auch Torbjörn Bartels von der Piraten-Fraktion. Ihn störte aber, dass der Änderungsantrag viel zu kurzfristig vorgelegt wurde und Begründungen nur mündlich erfolgten. "So haben wir kaum Gelegenheit, uns darauf inhaltlich vorzubereiten", kritisierte Bartels.

|| FDP: CDU-Weg sollte zweiter Schritt sein ||

"Der von der CDU favorisierte Weg sollte der zweite Schritt sein. Zunächst aber ist es wichtig, den öffentlichen Druck zu erhöhen und die Mieter nicht allein zu lassen", befand Birte Schellmann von der FDP. Klar sei auch für sie, dass der Investor für menschenwürdige Wohnverhältnisse zu sorgen habe.

Niels Webersinn von der CDU versuchte es mit einem pragmatischen Vorschlag. Man könne doch die Mieterkonten blockieren und die dort auflaufenden Mieten für anstehende Modernisierungsarbeiten verwenden.

|| Linke: Florett und Hackebeil erforderlich ||

Positives konnte Michèl Pauly von der Links-Fraktion dem Änderungsantrag der CDU abgewinnen. "Da ist Butter bei die Fische", bemerkte Pauly. Eine Modernisierungsvoruntersuchung bewirke mehr, als nur "bitte, bitte" zu sagen, wie es Rot-Grün plane. Allerdings sei beides wichtig, er plädierte daher für "Florett und Hackebeil". 

|| OB: Stadt droht auf Kosten sitzen zu bleiben ||

Für den Oberbürgermeister waren diese Vorstellungen indes "völliger Schwachsinn." Mädge rechnete vor, dass eine Voruntersuchung, wie sie die CDU anstrebe, mit 5.000 bis 10.000 Euro pro Wohnung zu Buche schlage, bei 2.000 betroffenen Wohnungen lande man bei einem zweistelligen Millionenbetrag. Auf einem großen Teil dieser Kosten könnte die Stadt am Ende sitzen bleiben, nämlich dann, wenn sich die Heuschrecken zwischenzeitlich von dem Projekt wieder getrennt hätten. "Arbeiten Sie politisch, aber nicht mit der gesetzlichen Werkzeugkiste, das bringt uns nicht weiter", mahnte Mädge.

Am Ende beschloss der Rat einstimmig, beide Anträge als Paket in den Bauausschuss der Stadt zu verweisen.