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Will die Stadt auf 3,5 Millionen Euro verzichten?

Viele Fragen zum Eon-Aktientausch - Werden Unterlagen bewusst vorenthalten?

Lüneburg, 26.04.2013 - Rund 3,5 Millionen Euro könnten der Hansestadt Lüneburg durch die Lappen gehen, wenn sie sich auf einen Aktientausch einlässt, den jetzt der Energieversorger Eon Avacon vorgeschlagen hat. Das jedenfalls befürchtet Michèl Pauly, Vorsitzender der Links-Fraktion im Stadtrat von Lüneburg. Er vermutet, dass die Stadt im Zusammenhang mit der geplanten Umstrukturierung bei Eon Avacon ohne Not einer Bewertung ihres Aktienpakets zustimmt, obwohl ein eigener Gutachter einen deutlich höheren Wert ermittelt hatte. Da die Stadt dem Rat bei dem geplanten Aktientausch zudem wichtige Unterlagen vorenthalten haben soll, erwägt Ratsmitglied Pauly, Rechtsmittel einzulegen und die anstehenden Entscheidungen anzufechten.

"Es werden Aktien getauscht, die einen Wert im Bereich von einer halben Milliarde Euro haben. Allein die Anteile, die unsere Stadt am Eon Avacon Vertrieb hält, haben einen Wert von mehr als 15 Millionen Euro. Für so ein immenses Geschäft müssen alle Unterlagen sorgfältig geprüft werden", erwartet Pauly. 

Hintergrund des geplanten Aktientauschs ist eine Vorgabe der Bundesnetzagentur. Sie fordert seit längerem eine klarere Trennung zwischen den Bereichen Erzeugung, Netz und Vertrieb. Eon hat darauf jetzt reagiert und den rund 400 Kommunen, die an dem Energiekonzern beteiligt sind, angeboten, ihre Vertriebsanteile im Zuge der geplanten Umstrukturierung gegen Anteile im Netzbereich zu tauschen.

|| "Stadt hat wichtige Unterlagen vorenthalten" ||

Der Tausch von Vertrieb zu Netz trifft zwar grundsätzlich auf Zustimmung bei den Lüneburger Linken, allerdings argwöhnen sie, dass die Anteile der Kommunen dabei nicht angemessen bewertet werden. "Um ordentlich zu prüfen, ob der Mehrheitsaktionär Eon uns nicht über den Tisch zieht, brauchen wir erst einmal alle Unterlagen. Die Stadtverwaltung hat unserer Fraktion wichtige Unterlagen trotz mehrmaliger Nachfrage vorenthalten", kritisiert Pauly.

Die Antwort aus dem Rathaus kommt prompt: "Am 10. April habe ich Herrn Pauly und allen Fraktionen in der öffentlichen Sitzung des Wirtschaftsausschusses angeboten, sie könnten alle Unterlagen, sowohl bei der Stadt als auch bei der Avacon in Helmstedt, einsehen", hält Oberbürgermeister Ulrich Mädge dagegen.

Die genaue Prüfung der Unterlagen hält Pauly deshalb für wichtig, weil es bei der Bewertung des Aktienpakets, das die Stadt über die Kurmittel GmbH an Eon hält, offenbar erhebliche Unterschiede gibt. Zwar wurde das Tauschverfahren unter Mitwirkung von zwei renommierten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften erarbeitet, wie die Stadt erklärt, doch mit jeweils unterschiedlichen Auftraggebern. "Die Kommunen haben die Gesellschaft BDO prüfen lassen, die Eon die Gesellschaft KPMG", teilt Stadtpressesprecher Daniel Steinmeier mit.

|| Gutachter kommen zu unterschiedlichen Bewertungen ||

Allerdings sind beide Prüfer zu sehr unterschiedlichen Bewertungen gekommen. Aus Unterlagen, die LGheute vorliegen, geht hervor, dass die von Eon beauftragte KPMG bei der Bewertung des kommunalen Anteils auf 360 Millionen Euro kommt, BDO hingegen auf 440 Millionen Euro. Mit entsprechenden Konsequenzen für die Hansestadt: "Je nachdem, welcher Berechnungsmodus gewählt wird, ist das eingetauschte Aktienpaket mehrere Millionen mehr oder weniger wert", sagt Pauly, der ausgerechnet hat, dass die Stadt um rund 3,5 Millionen Euro reicher sein könnte, wenn sie der Empfehlung ihres eigenen Prüfers folgen würde. 

Doch genau diese Bewertung soll offenbar nicht Grundlage für den Aktientausch sein, der unter hohem Zeitdruck bis zum 30. April dieses Jahres abgeschlossen werden soll, wie es die Eon-Pläne vorsehen. Bei einem Kommunalen Aktionärstreffen in der Eon-Zentrale am 11. Januar 2013 erklärte sich Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge als Sprecher der Kommunalen Anteilseigner damit einverstanden, der Bewertung von KPMG zu folgen, obwohl dessen Gutachten immerhin einen Wertverlust in Höhe von 80 Millionen Euro gegenüber dem BDO-Gutachten zur Folge hat.

|| Kommunen setzen auf den Besserungsschein ||

Auch auf die Einholung eines dritten Gutachtens wurde verzichtet. Stattdessen erklärte sich Mädge damit einverstanden, die Wertdifferenz zwischen den beiden Gutachten mittels eines sogenannten Besserungsscheins auszugleichen, wie es das Protokoll der Sitzung vom 11. Januar ausweist. Dieser Besserungsschein sieht vor, dass die kommunalen Aktionäre dann einen Ausgleich erhalten, sobald die positiveren Annahmen - von BDO - in den nächsten Jahren tatsächlich eintreten. Mit anderen Worten: Erst zu einem späteren Zeitpunkt will Eon prüfen, wie hoch der Wert des kommunalen Anteils tatsächlich ist.

Michèl Pauly sieht darin einen weiteren Nachteil, der auf die Kommunen zukommen könnte: "Wie hoch der Wert des Aktienpakets zu einem späteren Zeitpunkt ist und ob Eon nicht versuchen wird, den Wert dann künstlich klein zu rechnen, steht auf einem anderen Blatt."

|| "Aussage von Herrn Mädge ist falsch" ||

Gestern war der linke Ratsherr nach Helmstedt gereist. Er hatte das Angebot von Oberbürgermeister Mädge angenommen, um bei Eon selbst Einsicht in die Unterlagen zu nehmen. "Das Ergebnis war enttäuschend. Einsicht erhielt ich  ausschließlich in die Komplettberichte von BDO und KPMG. Weitere Unterlagen als die, die teilweise bereits im Internet verfügbar sind, erhielt ich nicht", teilte Pauly gegenüber LGheute mit. "Vor diesem Hintergrund ist auch die Aussage von Herrn Mädge, er habe alle Unterlagen zur Verfügung gestellt, falsch."

Die Stadt weist die Vorwürfe zurück. Um die Öffentlichkeit und die Ratsmitglieder zu informieren, sei das Thema öffentlich im Wirtschaftsausschuss behandelt worden, so die Stadt. Sie hat immerhin erkannt, dass es zu diesem Thema durchaus noch Informationsbedarf gibt, schließlich waren auch andere Ratsmitglieder nicht besonders erfreut über die Informationsbereitschaft der Stadtverwaltung. "Das ist durchaus kompliziert, deshalb steht, wie schon am 10. April vereinbart, der Wirtschaftsprüfer der BDO, die die beteiligten kommunalen Anteilseigner berät, in der nächsten Sitzung des Verwaltungsausschusses für Fragen zur Verfügung", informiert Oberbürgermeister Mädge. "Ich habe weiter angeboten, dass ich in den Fraktionen informieren kann, woraufhin mich die Piraten schon eingeladen haben."

Der angekündigte Besuch des Wirtschaftsprüfers der BDO im Verwaltungsausschuss der Stadt könnte allerdings etwas spät kommen, denn bereits am 30. April erwartet Eon die Zustimmung sämtlicher 400 kommunalen Anteilseigner zu ihrem 360 Millionen-Aktien-Deal.