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"Die große Anzahl stellt uns vor Herausforderungen"

Zahl der Flüchtlinge in Lüneburg soll um fast das Doppelte steigen

Lüneburg, 19.08.2013 - Die angekündigte Aufnahme weiterer Flüchtlinge und Asylbewerber durch die Hansestadt Lüneburg sorgt  derzeit für Unruhe. Neben den bereits bestehenden Unterkünften am Meisterweg hofft die Stadt, zusätzliche Kapazitäten sowohl in einem leerstehenden Gebäude der Bundespolizei in der Schlieffenkaserne als auch im ehemaligen Anna-Vogeley-Heim am Bockelsberg zu finden. Nicht allen Bürgern gefällt das. Die Stadtverwaltung sieht inzwischen Erklärungsbedarf und schickt Lüneburgs Ersten Stadtrat und Sozialdezernenten Peter Koch vor.

"Die Hansestadt Lüneburg ist gesetzlich verpflichtet, Flüchtlinge und Asylbewerber unterzubringen. Und wer halbwegs aufmerksam die Nachrichten verfolgt, sieht auch die moralische Verpflichtung. Allerdings stellt uns, nachdem es einige Jahre ruhig war, die Plötzlichkeit und die große Anzahl jetzt doch vor Herausforderungen", erklärte Koch in der Sitzung des Sozial- und Gesundheitsausschusses am 13. August.

 Stadt geht von weiteren 100 Flüchtlingen aus

Allerdings, so Koch, ändere sich die Sachlage täglich. "Wir gehen im Moment davon aus, dass wir noch knapp 100 Menschen unterzubringen haben, die in der Zeit bis Ende Oktober bei uns eintreffen können." Die Stadt hofft, die zusätzlichen Flüchtlinge in einem nicht mehr für die Castor-Polizei benötigten Block in der Schlieffen-Kaserne unterbringen zu können. "Denn dort könnten wir durch die Angebote in der Umgebung eine halbwegs normale Alltagssituation bieten", so Koch. Der Block müsse allerdings vor Bezug noch hergerichtet werden, die Infrastruktur reiche zwar für Erwachsene aus, "die einmal im Jahr zwei bis drei Wochen dort wohnen, nicht aber für den dauerhaften Aufenthalt zum Beispiel für Familien mit Kindern".

Doch der Block in der Schlieffen-Kaserne allein wird vermutlich nicht ausreichen, die angekündigten Flüchtlinge aufzunehmen. Deshalb seien kreative Ideen nötig, so der Erste Stadtrat. Wie diese Idee aussieht, wurde inzwischen auch bekannt. Die Stadt überlegt, Teile des ehemaligen Anna-Vogeley-Heims für die übergangsweise Unterbringung von 30 bis 40 Personen zu nutzen.

 "Ich wünsche mir etwas mehr Gelassenheit"

Allerdings sind nicht alle Bockelsberger von den kreativen Überlegungen der Stadtverwaltung überzeugt. Mit Blick auf die geäußerten Befürchtungen von Anwohnern des ehemaligen Seniorenzentrums sagte Koch: "Ich wünsche mir etwas mehr Gelassenheit, Menschlichkeit und Willkommenskultur in der Diskussion." Das Internationale Haus am Meisterweg sei in dieser Hinsicht durchaus als "Positivbeispiel" zu sehen, dank der Integrationsbemühungen im Zusammenspiel mit Ehrenamtlichen und Nachbarn, aber auch dank bezahlter Sozialarbeit seien die Anlage und die Menschen darin "hervorragend integriert". Das wünsche er sich auch an anderen Orten in der Hansestadt.

Bereits jetzt sind 116 Asylbewerber in der Hansestadt, davon sind im "Internationalen Haus" am Meisterweg zurzeit etwa 90 Personen untergebracht. Die größten Gruppen kommen aus Afghanistan, Palästina, Serbien und China. Bei den 100 Personen, die jetzt noch zusätzlich aufgenommen werden sollen, werde es sich wohl hauptsächlich um Kriegsflüchtlinge aus Syrien und Ägypten handeln, erklärte Stadtsprecherin Suzanne Moenck gegenüber LGheute.

Die Kosten für die Unterbringung und des laufenden Lebensunterhalts der Flüchtlinge übernimmt zunächst die Stadt. Da sie dabei die Aufgabe des Landkreises übernimmt, werden diesem die Kosten anschließend in Rechnung gestellt. Im Haushalt 2013 der Hansestadt sind Kosten in Höhe von 1,1 Millionen Euro eingeplant. Die Erstattung vom Landkreis beträgt laut Haushaltsplan 967.000 Euro. Den Rest muss die Hansestadt selber tragen. Allerdings würden bereits Verhandlungen mit dem Landkreis laufen mit dem Ziel, dass die Kosten vollständig übernommen werden, so Stadtsprecherin Suzanne Moenck.

Die Situation in Niedersachsen

In Niedersachsen erhielten am Jahresende 2012 insgesamt 16.607 Personen Regelleistungen zur Deckung des täglichen Bedarfs nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Nach Angaben des Landesbetriebs für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen (LSKN) waren es im Jahr zuvor 16.191 Personen. Auch wenn der Anstieg mit 416 Personen (2,6 Prozent) gering ausfiel, war es der zweite Anstieg in Folge. 57 Prozent der Empfänger waren männlich, 43 Prozent weiblich.

Zu den Regelleistungen gehören Grundleistungen nach § 3 AsylbLG wie die Bereitstellung einer Unterkunft, von Heizung, Kleidung sowie Mitteln zur Gesundheits- und Körperpflege, die vorrangig in Form von Sachleistungen bereit gestellt werden, aber auch ein monatlicher Geldbetrag, der zur Deckung der persönlichen Bedürfnisse dienen soll. Unter den gesetzlichen Voraussetzungen kann den Leistungsberechtigten anstelle der Grundleistungen Leistungen entsprechend dem SGB XII gewährt werden. Zur Deckung des täglichen Bedarfs kommt hier in erster Linie die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt in Frage. Ende 2012 erhielten 12.140 Personen Grundleistungen in Form von Sachleistungen, Wertgutscheinen und Geldleistungen und 4.467 Personen Hilfe zum Lebensunterhalt.

Die größte Gruppe der Asylbewerberleistungsempfänger (7.078 Personen; 42,6 Prozent) kam aus Europa. Darunter stammten mehr als drei Viertel (5.363 Personen, 75,8 Prozent, + 19,3 Prozent) aus dem ehemaligen Jugoslawien, gefolgt von 966 Personen (13,6 Prozent, - 7,4 Prozent) aus der Türkei. 6.584 Personen (40 Prozent) stammten aus Asien, wobei der Irak mit 1.222 Asylbewerbern den größten Anteil stellte (+ 13,3 Prozent), gefolgt von Afghanistan (999 Personen; + 22,3 Prozent) und dem Iran (857 Personen; + 35,4 Prozent). Die Zahl der Asylbewerber aus Afrika erhöhte sich um 30 Prozent von 1.286 auf 1.672 Personen. Insbesondere Personen aus Ghana (+ 78 Prozent) und Somalia (+ 77 Prozent) suchten verstärkt Asyl in Niedersachsen. Bei 1.011 Leistungsempfängern (6,1 Prozent) war die Staatsangehörigkeit unbekannt, 168 Personen waren staatenlos.

Im Durchschnitt waren die Asylbewerber und -bewerberinnen fast 27 Jahre alt. Der Anteil der Kinder und Jugendlichen bis 18 Jahre betrug 35 Prozent. Lediglich 441 Leistungsempfänger (2,7 Prozent) waren 65 Jahre und älter.

Die Bruttoausgaben für Asylbewerberleistungen beliefen sich im Jahr 2012 auf 108,7 Millionen Euro. Nach Abzug der Einnahmen von 2,4 Millionen Euro verblieben Nettoausgaben in Höhe von 106,3 Millionen Euro, 14,3 Millionen Euro (+ 15,5 Prozent) mehr als im Jahr  2011.