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Der Mann der vollen Säle

FDP-Politiker Wolfgang Kubicki war zu Gast in Lüneburg

Lüneburg, 03.02.2014 - Dem Zuspruch nach zu urteilen wurde Wolfgang Kubicki den Erwartungen der gefühlten rund 100 Gäste gestern Vormittag im völlig überfüllten Lüneburger Rockin' Restaurant Zwick am Schrangenplatz voll gerecht. Vermutlich wohl selbst derjenigen, die der Partei mit dem liberalen Anspruch in der Regel sonst nur wenig abgewinnen können, denn mit Landrat Manfred Nahrstedt, Oberbürgermeister Ulrich Mädge, MdB Eckhard Pols und Gellersens Samtgemeindebürgermeister Josef Röttgers war, um nur einige zu nennen, ein nicht ganz unbedeutender Teil der regionalen Politikszene anwesend, die nicht der FDP angehören. Alle waren der Einladung von Lüneburgs FDP-Spitzen Dr. Tobias Debuch und Frank Soldan gefolgt, um zu hören, wie wieder Fahrt ins gestrandete FDP-Schiff gebracht werden soll.

Wolfgang Kubicki macht keine langen Sätze. Und er schafft es, eine gute Stunde lang über Politik zu sprechen, ohne dass sich das Gefühl breit macht, er wolle einem etwas verkaufen. Wenn Kubicki über Politik spricht, dann in der Regel so, wie sie nicht sein sollte. "In Schleswig-Holstein hat man jetzt ein Schlagloch-Register veröffentlicht, weil man meint, es sei besser, wenn man die Straßen nicht mehr repariert, da die Leute dann weniger Auto fahren." Die Botschaft, dass ein Land intakte Infrastruktur braucht, war im Saal angekommen. Auch die, dass er es überhaupt nicht gut leiden könne, wenn ihm Politiker vorschreiben, welche Verkehrsmittel er zu nutzen habe.

Beispiel Bildung. "Ich habe keine Lust, über Schulformen zu streiten", sagt Kubicki. Menschen seien Unikate, der Versuch, aus allen das Gleiche zu machen, müsse scheitern. Deshalb brauche man Schulformen, die den unterschiedlichen Fähigkeiten der Schüler entsprächen, und nicht eine für alle. So einfach ist das. Und immer wieder Beispiele: Als er zur Schule kam, hätten seine Eltern ihm eine Blockflöte geschenkt. "Nachdem ich irgendwann zwei für alle Beteiligten schmerzhafte Töne herausbekam, wurde beschlossen, ich sei musikalisch." Zwar sei ihm von Anfang an das Gegenteil klar gewesen, es habe aber eine Weile gedauert, bis das auch bei seinen Eltern angekommen ist. Was er damit sagen will? Kubicki versucht es mit einer Frage: "Was nützt es, wenn alle Abitur haben? Das bringt uns nicht weiter." Die Gesellschaft brauche nun mal auch Menschen, die Steckdosen reparieren können. Oder auf Kubicki-Art: "Aus gutem Grund lässt meine Frau mich da nicht ran."

Was das Land neben Zeugnissen und Noten aber auch brauche, seien klare und einfache Regeln und deutlich weniger Bürokratie. Wichtig vor allem: Die Regeln sollten für alle gelten und für alle gleich sein, auch für die Banken. "Wenn Banken so groß geworden sind, dass sie nicht mehr insolvent werden können, müssen wir sie kleiner machen." Wieder eine klare Aussage, so klar, dass manch einer der Anwesenden kurz stutzte und sich fragte, wer denn die Bankenrettung in den letzten vier Jahren zu verantworten hatte.

Zu groß ist für Kubicki längst auch das Maß der persönlichen Einschränkung geworden. Der Schutz der Privatheit, das ureigenste Thema der Liberalen, das sie sich inzwischen aber auch schon mit den Piraten teilen müssen, geht dem Schleswig-Holsteiner nicht weit genug, und die häufig vorgebrachten Sicherheits-Argumente lässt er nicht gelten: "Großbritannien hat die höchste Dichte an Videokameras im öffentlichen Raum, aber eine sechsmal höhere Kriminalitätsrate." Eine neue Qualität sei jetzt mit den riesigen Datenmengen entstanden, die tagtäglich von jedem von uns gemacht würden. Mittels Algorithmen könnte das Verhalten von Menschen kontrolliert werden, "was dazu führen kann, dass sie kein Auto, keinen Job oder keine Wohnung mehr bekommen." 

Dennoch ist Kubicki für die elektronische Aufrüstung. "Man muss den Amerikanern gelegentlich sagen, wo die Grenzen sind", sagt er und zieht sie auch gleich: "Wer in mein Schlafzimmer einbricht, ist nicht mein Freund." Punkt. Mit ein paar gescheiten Jungs - da sei er sicher - brauche man nicht mehr als 14 Tage, um in einer gezielten Aktion die Spionageserver der Amerikaner stillzulegen. Dazu aufrufen dürfe er allerdings nicht. "Wir haben doch mit Airbus und dem Euro gezeigt, dass wir den Amerikanern haushoch überlegen sind." Deshalb sei es auch wichtig, das europäische Satellitensystem Galileo an den Start zu bringen. "Wir brauchen unsere eigenen Serversysteme."

Bei militärischen Einsätzen empfiehlt er der deutschen Politik hingegen deutliche Zurückhaltung. "Auf Augenhöhe zu sein mit den Großen der Welt ist für mich kein Kriterium, um Menschenleben zu riskieren", sagt Kubicki mit Blick auf die Begründungen für eine stärkere Beteiligung Deutschlands in Krisengebieten. "Ich bin dafür, dass diejenigen, die über Kriegseinsätze entscheiden, zuvor ihre eigenen Kinder dort hinschicken." Und zum Argument, dass Menschenrechte geschützt werden müssten: Wer das ernst nehme, müsse konsequenter Weise auch in Russland oder China einmarschieren.

Neu nachdenken müsse Deutschland auch beim Thema Energie. "In Schleswig-Holstein zahlen wir 95 Prozent unserer Vergütungen für Windkraftanlagen, obwohl sie gar keinen Strom liefern." Beträge, die sich in diesem Jahr aller Voraussicht nach auf 150 Millionen Euro steigern werden. "Wenn es uns nicht bald gelingt, diese Anlagen ans Netz zu bringen, werden uns die Dinger um die Ohren fliegen."

Zuversichtlich zeigte Kubicki sich beim Thema Finanzen. Das Land habe so viele Steuereinnahmen wie nie zuvor. Auch die Kommunen müssten mit dem, was sie haben, bestens auskommen. "Wann, wenn nicht jetzt?" Manchmal aber sei es auch gut, wenn das Geld knapp wird, "dann entwickeln die Menschen wieder Kreativität."