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"Das war eine gezielte Aktion"

Familienfehde: Drei Verletzte nach Schüssen im Klinikum - Erster Tatverdächtiger festgenommen - Klinikum für Besucher geöffnet 

Lüneburg, 07.09.2014 - Als "neue, traurige Qualität" bezeichnet Lüneburgs Polizeipräsident Friedrich Niehörster die Geschehnisse um die gewalttätigen Auseinandersetzungen zweier verfeindeter ausländischer, in Lüneburg ansässiger Familien, die mit den gestern abgegebenen Schüssen am Lüneburger Klinikum ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht haben (LGheute berichtete). Polizei, Staatsanwaltschaft, Hansestadt und das Klinikum haben heute Vormittag im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz Stellung zu den seit Freitag eskalierenden Vorfällen genommen. Wie Niehörster mitteilte, konnte inzwischen ein 31-jähriger Tatverdächtiger vorläufig festgenommen werden, nach dem zweiten Tatverdächtigen, einem 33-jährigen Mann, werde gegenwärtig gefahndet.

Steffen Grimme, Kriminaldirektor der Polizeiinspektion Lüneburg, erklärte, dass gestern Nachmittag mehrere Schüsse auf Angehörige eines im Krankenhaus stationär untergebrachten Patienten abgegeben wurden, die ihren Angehörigen im Krankenhaus besucht hatten. Beim Verlassen des Krankenhauses wurde ihnen dann von Mitgliedern der anderen Familie aufgelauert und gezielt ein Anschlag auf sie verübt. "Das war eine gezielte Aktion", sagte Grimme vor den Journalisten.

Bei der Aktion sind drei Personen schwer verletzt worden. Es bestehe aber keine akute Lebensgefahr, den Personen gehe es den Umständen entsprechend gut, erklärte Professor Torsten Kucharzik, Stellvertretender Ärztlicher Direktor am Lüneburger Klinikum. Alle drei Personen sowie der bereits am Freitag nach der gewalttätigen Auseinandersetzung in einem Lüneburger Fitnessstudio schwer Verletzte befinden sich aktuell im Klinikum. Des Weiteren seien mehrere Personen im Klinikum behandelt worden, die im Rahmen der Auseinandersetzungen ebenfalls leicht verletzt worden seien. "Der Betrieb am Klinikum läuft trotz der Vorkommnisse normal weiter," betonte Professor Kucharzik.

Wie viele Schüsse abgegeben worden sind, konnte Grimme noch nicht sagen, auch nicht, ob sie aus einer oder mehreren Waffen stammen. Auch der genaue Tatbeitrag der beiden Tatverdächtigen sei noch nicht klar. Weiter stehe noch nicht fest, ob es sich um einen Mordversuch gehandelt habe. "Wir prüfen derzeit alle Tatbestände", sagte Angelika Klee, Oberstaatsanwältin bei der Staatsanwaltschaft Lüneburg. Die Staatsanwaltschaft sei von der Polizei gleich von Beginn an "mit ins Boot geholt" worden, wie die Oberstaatsanwältin betonte. Inzwischen seien alle strafprozessualen Maßnahmen getroffen worden, um auf weitere Erkenntnisse zügig reagieren zu können. Haftbefehle seien bislang noch nicht erlassen worden. 

Oberbürgermeister Ulrich Mädge sprach von einer "Brutalität, auf die man nicht mehr nur mit einem weiteren Sozialarbeiter reagieren kann". Nun seien Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte an der Reihe, die Taten zu ahnden. Zugleich appellierte Mädge an die Angehörigen beider Familien, ihre Aggressionen einzustellen. "Streitigkeiten werden rechtsstaatlich gelöst und nicht durch Selbstjustiz", sagte Mädge, der sich "wie im falschen Film" gefühlt habe, als er von den Vorkommnissen hörte.

Der Polizei ist die Familienfehde der beiden Familien sei 2010 bekannt. Seitdem habe es immer wieder Auseinandersetzungen gegeben, "allerdings nur sporadisch und mit keiner Regelmäßigkeit", wie Steffen Grimme erklärte. "Die aktuellen Vorkommnisse von Freitag und Sonnabend waren so nicht vorhersehbar." Eine Ursache für den lang anhaltenden Familienstreit sei nicht bekannt. Ein Zusammenhang mit dem Brand eines Imbiss-Ladens vor einer Woche sei nach Aussage von Grimme derzeit nicht erkennbar. 

Warum die Polizei die Eskalation am gestrigen Tage nicht verhindert habe, obwohl sie mit mehreren Einsatzkräften am Klinikum bereitstand, erklärte Grimme damit, dass die Aktion mit den abgegebenen Schüssen sich nicht auf dem Gelände des Klinikums, sondern auf der Straße ereignet habe. "Die Einsatzkräfte konnten die Situation auf der Straße nicht einsehen." Gerüchte, wonach auch von der Polizei Schüsse abgegeben worden seien, wurden von Grimme dementiert. 

Um den ungehinderten Zugang zum Klinikum für Patienten und Besucher sicherzustellen, sei weiterhin eine verstärkte Präsenz von Polizeikräften am Klinikum erforderlich. Besucher müssten damit rechnen, dass sie vor Eintritt kontrolliert werden, informierte Grimme. Er betonte, dass nicht die Klinik unter Polizeischutz stehe, sondern dass die Schutzmaßnahmen den vier Verletzten gelten.

Nach Einschätzung von Polizeipräsident Niehörster seien aktuell der Lage entsprechend ausreichend Polizeikräfte vorhanden. Je nach Bedarf könnten kurzfristig weitere Einheiten hinzugezogen werden, die je nach Dienstort in ein bis zwei Stunden in Lüneburg sein könnten. Niehörster hofft, "dass das Problem bald gebändigt werden kann", auch wenn die Ermittlungstätigkeit sicher noch länger anhalten werde.