Politik-Beben in Lüneburg

CDU, Grüne und FDP bilden Minderheits-Gruppe – SPD als stärkste Fraktion bleibt außen vor

Im Lüneburger Rathaus werden die Karten jetzt neu gemischt. Foto: LGheuteLüneburg, 23.10.2016 - In Lüneburg bahnt sich offenbar ein Politikwechsel an. Wie die "Landeszeitung" (LZ) in ihrer jüngsten Ausgabe berichtet, werden CDU, Grüne und FDP im künftigen Rat der Stadt überraschend eine Gruppe bilden. Bereits am Freitag ist eine entsprechende Gruppenvereinbarung von den Vorsitzenden der drei Fraktionen unterschrieben worden. Die SPD wird damit erstmals seit 25 Jahren aller Voraussicht nach nicht mehr einer Mehrheitsgruppe angehören, obwohl sie bei der jüngsten  Kommunalwahl die meisten Stimmen errungen hat. Aber auch Schwarz-Grün-Gelb wird mit nur 20 Stimmen im Rat keine Mehrheit zustande bringen. Dennoch habe man sich zu diesem Schritt entschlossen, um den Rat gegen die Dominanz des Oberbürgermeisters zu stärken, wie es in dem Bericht heißt.

Laut LZ hätten sowohl die Fraktionsspitzen von CDU als auch der Grünen im Vorfeld Gespräche mit der SPD-Fraktion geführt. Dabei aber habe man sich entweder nicht auf gemeinsame Ziele einigen können – laut CDU-Fraktionschef Niels Webersinn scheiterten die Sondierungsgespräche vor allem an den Themen Senkung der Kita-Gebühren sowie Sicherheit und Ordnung – oder wurde das Gespräch bereits im Ansatz abgebrochen. Laut Grünen-Fraktionschef Ulrich Blanck sei die SPD nicht bereit gewesen, die Gespräche ohne den Oberbürgermeister zu führen, das sei laut niedersächsischem Kommunalverfassungsgesetzt Sache der Parteien.

"Wir sind es leid, dass der Rat unter der Führung der SPD die Ideen und Entscheidungen des Verwaltungschefs ausführt", zitiert die LZ Blanck. Ähnlich argumentiert auch Webersinn, als CDU wolle man nicht länger "Steigbügelhalter der SPD" sein, deshalb habe man sich nach anderen Partnern umgeschaut. Auch die FDP als Dritte im Bunde beklagt den Politikstil des Oberbürgermeisters, der sich zum Teil in "entwürdigenden Attacken" auf der Ratsbühne abgespielt habe. Des Weiteren wolle man sich nicht weiter auch bei inhaltlichen Themen überfahren lassen, wie es beispielsweise beim Vorgehen der SPD beim Wohnungsbauprogramm der Fall gewesen sei. Als Orientierung für den neuen Umgang im Rathaus lehnte die FDP-Fraktionsvorsitzende Birte Schellmann sich an den früheren SPD-Bundeskanzler Willy Brandt an: "Wir wollen mehr Demokratie wagen".

Auch als Minderheits-Gruppe ist Schwarz-Grün-Gelb offenbar überzeugt, gestaltende Politik für Lüneburg machen zu können. Man plane eine sachorientierte, offene Zusammenarbeit mit allen Fraktionen im Rat. Ihr kommt dabei vermutlich zugute, dass die anderen drei Fraktionen im Rat – SPD, Linke und AfD – zusammen keine Mehrheitsgruppe bilden werden, das jedenfalls hatten SPD und Linke bereits zuvor mit Blick auf die AfD erklärt.

SPD: "Stehen nicht als Mehrheitsbeschaffer zur Verfügung"

Die SPD zeigte sich in einer ersten Stellungnahme enttäuscht und gereizt. Laut LZ sprach SPD-Fraktionschef Klaus-Dieter Salewski von einer "Gruppe der Verlierer", die nicht den Wählerwillen repräsentiere. Er stellte zudem dar, dass seine Fraktion nicht bereit sei, Mehrheitsbeschaffer der neuen Gruppe zu werden, schloss dabei aber "spezielle Sachthemen" aus. Und er hob hervor, dass SPD-Fraktion und Oberbürgermeister Mädge als Einheit zu verstehen seien, indem er betonte, dass Kritik am Oberbürgermeister immer auch Kritik an der SPD sei.

Linke: "OB hat SPD ins Abseits gedrängt"

Bei der Links-Partei stößt die sogenannte "Jamaika"-Konstellation auf Zustimmung. Michèl Pauly, Fraktionschef der Linken, erklärt: "Ich finde es sehr gut, dass es im Lüneburger Rat statt einer festen Mehrheitsgruppe künftig wechselnde Mehrheiten geben soll. Das bietet die einmalige Chance, dass Anträge nicht mehr wegen eines falschen Autors durch die verwaltungstreue Mehrheitsgruppe abgelehnt werden, sondern inhaltlich entschieden werden können." Man sei gern bereit, an Mehrheiten in den jeweiligen Themen konstruktiv mitzuarbeiten, ohne mit einer der größeren Blöcke "eine bindende Zusammenarbeit" einzugehen.

Auch Pauly sieht vor allem in Mädge den Grund, weshalb es jetzt zur Bildung dieser Minderheitsgruppe gekommen ist: "Er hat durch sein Handeln in den letzten Jahren die SPD-Fraktion ins Abseits manövriert. Entgegen dem Neutralitätsgebot wollte er wohl sogar bei den Gruppengesprächen mitwirken. Und die SPD hat ihn stets gewähren lassen. Die jetzige Situation bietet die Chance, dass sich die SPD inhaltlich wie auch habituell von ihm emanzipiert."

AfD: "Können uns jetzt stärker einbringen"

Aus Sicht der AfD eröffneten sich mit dieser Konstellation jetzt auch für ihre Fraktion völlig neue Möglichkeiten. Fraktionschef Prof. Dr. Gunter Runkel: "Laut Aussage aus dem Oppositions-Bündnis aus CDU, Grünen und FDP sollen über Parteigrenzen hinweg Lösungen gefunden werden. Den Willy-Brandt-Slogan 'Mehr Demokratie wagen' hat die AfD schon lange übernommen. Ich freue mich, dass nun parteiunabhängig in der Sache entschieden werden soll. Dadurch kann sich auch die AfD stärker in die Kommunalpolitik einbringen."

Webersinn kündigte gegenüber LGheute an, das Programm der Jamaika-Gruppe in Kürze offiziell vorzustellen. Er machte aber bereits deutlich, dass darin "anders als bei der SPD bislang üblich nicht alles bis ins Kleinste geregelt ist". Vielmehr komme es darauf an, wie man die Sachthemen angehen wolle, "und das geht nur gemeinschaftlich, ohne es dem Gruppenpartner zu diktieren". Als Beispiele für die vor der Gruppe liegenden Aufgaben nannte der CDU-Fraktionschef die Aufstellung eines neuen Flächennutzungsplans und einen Verkehrsentwicklungsplan für Lüneburg.

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