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Leuphana-Professor bekennt: "Wir haben beim Thema Umwelt versagt"

Hansestadt, 28.02.2012 - Wissenschaftler aus den USA, Großbritannien, Australien und Deutschland haben jetzt ein politisches Manifest veröffentlicht, mit dem sie eine Lawine lostreten wollen, um der fortschreitenden Umweltzerstörung Einhalt zu gebieten. In dem renommierten Fachblatt "Frontiers in Ecology & the Environment"  appellieren die Wissenschaftler darin an ihre Kollegen, ihr Selbstverständnis grundlegend zu ändern. „Wir dürfen uns nicht länger mit der bequemen Rolle als Chronisten der Umweltzerstörung zufrieden geben“, sagt der Erstautor des Textes, Professor Dr. Joern Fischer von der Leuphana Universität Lüneburg. "Wir müssen eine völlig neue Diskussion auf gesellschaftlicher Ebene initiieren, wie wir diesen Prozess aufhalten können. Bisher haben wir in dieser Hinsicht versagt."

Breit angelegte Studien der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Zerstörung der Umwelt ungebremst voran schreitet. "Wenn wir unser Verhalten nicht grundlegend ändern, rasen wir früher oder später gegen die Wand", erklärt Joern Fischer. "Vielen Menschen ist das Ausmaß der weltweiten Umweltkrise nicht bewusst. Landnutzung und Klimawandel treiben die Vernichtung von Ökosystemen immer weiter voran. Zwar gibt es in manchen Bereichen regionale Fortschritte: Zum Beispiel sind die Häuser in Deutschland sehr viel energieeffizienter als früher. Aber global gesehen sind solche Erfolge nur ein Tropfen auf den heißen Stein – wir bewegen uns von der Nachhaltigkeit weg statt auf sie zu."

Verfasst wurde die internationale Studie von einer ungewöhnlichen Allianz aus Soziologen, Ökologen, Politikwissenschaftlern und Philosophen. Es sei an der Zeit zu handeln, anstatt die ökologische Katastrophe noch präziser zu erfassen, schreiben sie. Globale Nachhaltigkeit erfordere weitreichende Änderungen unseres Verhaltens. Dazu gehöre es auch, zentrale Werte zu hinterfragen, die unsere wachstums- und konsumfixierte Gesellschaft antreiben.

"Aufgrund jahrzehntelanger Forschungsanstrengungen wissen wir heute ziemlich genau, was wir anders machen sollten", erklärt der australische Human-Ökologe und Koautor der Studie Dr. Robert Dyball. "Wir haben aber bislang verdammt schlechte Arbeit geleistet, wenn es darum ging, auf dieses Wissen entsprechende Taten folgen zu lassen." Der Artikel identifiziert eine Reihe von Schlüssel-Gebieten, auf die man sich zunächst konzentrieren solle. So müssten die politischen Institutionen reformiert, das Bevölkerungswachstum gebremst, der ausufernde Konsum eingedämmt und soziale Ungerechtigkeiten beseitigt werden.

"Derartige Reformen sind politisch riskant. Den Entscheidungsträgern fehlt es oft an Mut, sie anzugehen", sagt Dyballs Kollege Professor Joern Fischer. "Die Wahrscheinlichkeit, dass die Politik von sich aus einen wirklichen Wechsel hin zu mehr Nachhaltigkeit herbeiführt, ist daher äußerst gering." Der Druck aus der Zivilgesellschaft hin zu mehr Reformen müsse steigen, damit diese politisch möglich würden.  "Öffentlichkeit und Wissenschaft müssen dazu enger zusammen arbeiten", erklärt Fischer. "Wir Forscher haben die wichtige Aufgabe, die Bürger zu informieren, aber auch aufzurütteln und so den Grundstein für eine Bewegung hin zu mehr Nachhaltigkeit zu legen. Wenn niemand den ersten Schritt wagt, wird sich auch weiterhin nichts Grundlegendes ändern."

„Mediziner beschreiben Krankheiten nicht nur, sie bekämpfen sie“

Dazu müssten die Wissenschaftler stärker als bislang versuchen, ihr Anliegen unter das Volk zu bringen. "Wenn heute irgendwo der bislang größte Dinosaurierknochen gefunden wird, ist das weltweit Gesprächsthema. Dass gleichzeitig am Ort des Fundes Dutzende von Arten vom selben Schicksal bedroht sind wie die Dinosaurier, geht in den Medien völlig unter. Das müssen wir ändern!", betont Fischer. Die Wissenschaft dürfe sich nicht länger vornehm zurück halten, wenn es darum gehe, der Umweltzerstörung Einhalt zu gebieten. "Auch Mediziner beschreiben Krankheiten nicht nur, sie bekämpfen sie. Wir wissen, dass eine Lawine der gesellschaftlichen Veränderung nötig ist, um die Vernichtung unserer Lebensgrundlagen zu stoppen. Die Herausforderung ist nun, diese Lawine loszutreten."