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Bimmelbahn-Marketing

12.07.2012 - Zuerst die gute Nachricht: Auch nach der abgesagten Nacht der Romantik dürfen die Lüneburger auf eine stimmungsvolle Romantik-Nacht im Kurpark hoffen. Eine gemeinnützige GmbH setzt nun das um, was einer mit Millionen-Zuschüssen aus dem Stadtsäckel gepäppelten Marketing-Truppe nicht gelingen will: Die Inszenierung eines romantischen Abends, frei von überbordender Gigantomanie, mit einem schlichten und daher vermutlich auch griffigen Veranstaltungskonzept für ein paar schöne Spätsommerstunden im Lüneburger Kurpark.

Die schlechte Nachricht: Auch in diesem Jahr fand am vergangenen Wochenende erneut das sogenannte Kinderfest statt. Zum dreizehnten Mal wurden die Kleinsten und Kleinen der Gesellschaft willfährige Opfer einer durchorganisierten Promotion-Aktion, die mit Zustimmung der Hansestadt von den RTL-Plus-Strategen nach allen Regeln der Kunst auf Markenbindung getrimmt wurden. Kinder-Schokolade, Lego, Nutella, X-Box, Pixar von Walt Disney - die Liste ließe sich fortsetzen - sind alljährlich präsent, um einen wichtigen Platz im Product Placement-Kampf der Marken auch in den Lüneburger Kinderköpfen zu erringen.

Dass das so ist, kann beklagt, aber kaum noch verhindert werden. Dass es aber mit dem Segen der Stadt erfolgt, die diese handfeste Promotion-Veranstaltung als Kinderfest anbietet, grenzt zumindest an Zynismus.

Die Marketing-Truppe macht sich indessen Gedanken, wie sie die nächsten 50.000 bis 70.000 Besucher an die immergleichen Lüneburger Bratwurstbuden locken kann. Mit dieser Größenordnung - darunter macht man es auch nicht mehr - rechnet man zum anstehenden Sülfmeister-Spektakel im Oktober, das aber vielleicht noch mit der neu angekündigten Grünkohl-Woche kollidiert, die konsequent auf die ebenfalls erstmals in diesem Jahr durchgeführte Spargelwoche folgt. In diesem Zusammenhang: Wo war eigentlich die Erdbeerwoche? Stimmt, geht ja nicht, weil dazu ja keine Bratwürste passen. Oder doch?

Warum Lüneburg, eine Stadt, die reich ist an kulturellen Schätzen und über einen schier unerschöpflichen Fundus an Themen für niveauvolle Veranstaltungen verfügt, sich einem Null-Acht-Fünfzehn-Marketing ausliefert, das offenbar Quantität mit Qualität verwechselt, ist schwer nachzuvollziehen. Ob das auf Dauer gut geht, kann bezweifelt werden, denn wenn Dilettantismus und Größenwahn sich die Hand reichen, kommt meist nur Bimmelbahn heraus.

Ein Kommentar von Ulf Stüwe
zum Beitrag "Lüneburg bekommt nun doch noch eine Romantik-Nacht"