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Ab in den Ausschuss!

03.04.2013 - Der historische Tag war gestern, wenn man Wikipedia Glauben schenken darf: "Während der Befreiungskriege kam es am 2. April 1813 zu einem Gefecht bei Lüneburg zwischen den Füsilieren und freiwilligen Jägern des 1. Pommerschen Infanterie-Regiments und napoleonischen Truppen. Als im Laufe dieses Gefechts dem preußischen Regiment die Munition auszugehen drohte, versorgte Johanna Stegen, die Tochter eines Lüneburger Salzsieders, die Soldaten mit Munition, die sie in ihrer Schürze herbeitrug. Durch diese Tat, die maßgeblich zum Sieg der preußischen Truppen beigetragen haben soll, wurde sie als 'Heldenmädchen von Lüneburg' bekannt."

Die Stadt Lüneburg schenkt diesem für die Hansestadt nicht unbedeutenden Ereignis 200 Jahre später keine Beachtung mehr. Im Veranstaltungskalender des Rathauses gibt es am 28. März den Eintrag "Jahreshauptversammlung der SV Eintracht Lüneburg von 1903 e.V." und am 3. April den Eintrag " Fahrradversteigerung am Pulverweg". Von dem Ereignis am 2. April und von Johanna Stegen ist nichts zu finden.

Wirklich überraschen kann dies nicht bei einer Stadtverwaltung und einem grün beklecksten Mehrheits-Rat, dessen Geschichtsverständnis offenbar zwischen 1933 und 1945 hängen geblieben ist und der sich seit längerem anschickt, die in Denkmalen gegossenen historischen Anker der Stadt lieber auf den städtischen Bauhof oder - nach demokratischer Sanktionierung durch Durchlaufen mehrerer Kulturausschüsse - künftig in die betonfrischen Hallen des neuen Lüneburger Museums zu verfrachten.

"Als Andenken wird jedes Jahr eine junge Frau als Johanna Stegen verkleidet, die das Denkmal in Lüneburg säubert. Dem, der sie anspricht, erzählt sie ihre Geschichte", berichtet Wikipedia stolz weiter. Doch auch hier irrt das webbasierte Demokratie-Gedächtnis, denn am Johanna-Stegen-Denkmal kamen gestern ausschließlich Parkplatz-genötigte Autobesitzer auf ihrem Weg von der Gralwall-Parkpalette ins Kaufhaus Lüneburg vorbei. Und selbst wenn von diesen auch nur ein paar Wenige Interesse an der Johanna-Stegen-Geschichte gezeigt hätten - es war niemand da, der sie hätte erzählen können.

"Stegen wurde in nationalistischen Gedichten u. a. von Friedrich Rückert als Heldin verherrlicht. Noch heute sind in Berlin-Steglitz und in Lüneburg Straßen nach ihr benannt." Wie bitte? Nationalistische Gedichte? Helden-Verherrlichung? Infanterie-Regiment? Stopp mal! Gehört sowas nicht in den Ausschuss für Straßennamen und sonstige Bereinigungen? 

Ein Kommentar von Ulf Stüwe