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Zu wenig Wohnraum im Norden

Studie weist 70.000 fehlende Wohnungen auf – Singularisierung und Klimaschutz wichtige Faktoren

Wohnungsbau im Hanseviertel: Lüneburg gehört mit zu den wachsenden Städten in Norddeutschland. Foto: LGheuteHannover, 20.06.2015 - In Nordwestdeutschland fehlen aktuell 70.000 Wohnungen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Untersuchung des Pestel-Instituts in Hannover. Danach benötigt allein Hamburg 30.000 zusätzliche Wohnungen, in Niedersachsen sind es ebenfalls 30.000 Wohnungen, die in den Universitätsstädten, im Hamburger Umland und in den wirtschaftlich starken Kreisen in Westniedersachsen gebraucht werden. In Schleswig Holstein sind ebenfalls das Hamburger Umland sowie die Universitätsstädte Flensburg, Kiel und Lübeck von der aktuellen Wohnungsknappheit betroffen. Auch in Bremen und selbst in Bremerhaven ist die Situation für Wohnungssuchende deutlich schwieriger geworden.

Die Untersuchung zeichnet die Entwicklung von 1995 bis 2014 nach, wobei die Ergebnisse des Zensus 2011 vollständig eingearbeitet sind.

Die Studie des Instituts kommt zu dem Ergebnis, dass auch in Nordwestdeutschland das Haus im Grünen für viele junge Familien heute keine Alternative mehr ist. Als Gründe werden genannt:

  • Viele junge Menschen bekommen zunächst nur einen Arbeits-Zeitvertrag, der zudem finanziell schlechter dotiert ist als bei ihren Vorgängern vor 10 oder 15 Jahren.
  • Durch den Ölpreisschub 2007/2008 müssen die Mobilitätskosten heute wesentlich stärker berücksichtigt werden als früher. Die jüngste Reduzierung des Ölpreises ist wegen des parallel dazu gesunkenen Euro-Kurses kaum spürbar.
  • Die von jungen Erwerbstätigen geforderte nahezu grenzenlose räumliche Mobilität im Beruf spricht eindeutig gegen den Erwerb von Wohneigentum.
  • Die Werthaltigkeit von Immobilien gerade im ländlichen Raum ist nicht gegeben.

Im Ergebnis habe sich der Kompromiss der Wohnstandortsuche junger Familien in Richtung Mietwohnung in der Stadt verschoben. Zusammen mit der wieder auflebenden Zuwanderung werde es in den Städten zunehmend enger.

In der Modellrechnung bis 2035 mit jährlichen Wanderungsgewinnen in Höhe von 1.400 Personen für Bremen, 5.000 Personen für Hamburg, 20.000 Personen für Niedersachsen und 10.000 Personen für Schleswig-Holstein errechnet sich ein Einwohnerverlust für Nordwestdeutschland bis 2035 von 435.000 Personen bzw. 3,3 %. Den stärksten Einwohnerverlust hätte nach dieser Berechnung Niedersachsen mit gut 5 % zu verzeichnen, gefolgt von Schleswig-Holstein und Bremen mit Verlusten von knapp 4 %. Die Stadt Hamburg würde dagegen mit einem Einwohnerzuwachs um 6 % das selbst gesetzte Motto der wachsenden Stadt erreichen.

Hinsichtlich der Entwicklung der privaten Haushalte wurden zwei Szenarien gerechnet, die deutlich unterschiedliche Wohnungsbedarfe zur Folge haben. Bei einer fortgesetzten "Versinglelung“ auf hohem Niveau errechnet sich ein Wohnungsbedarf von insgesamt rund 680.000 Wohnungen bis 2035. Davon entfallen 21.000 auf Bremen, 146.000 auf Hamburg, 383.000 auf Niedersachsen und 130.000 auf Schleswig-Holstein. Bei einer deutlich abgeschwächten Singularisierung reduziert sich der Bedarf in Bremen um 44 Prozent, in Hamburg um 24 Prozent, in Niedersachsen um 58 Prozent und in Schleswig-Holstein um 43 Prozent. In diesem Fall müssten insgesamt nur rund 360.000 Wohnungen gebaut werden.

Generell zeigten die Ergebnisse, dass auch künftig in Nordwestdeutschland weiterer Wohnungsbau notwendig sei. Die zentralen Variablen für den Wohnungsbedarf stellen die Zuwanderung und die weitere Singularisierung dar. Beide Variablen würden wiederum von der wirtschaftlichen Entwicklung und der relativen wirtschaftlichen Stärke Nordwestdeutschlands im Vergleich zu anderen deutschen und ausländischen Räumen beeinflusst.

Weiterhin sei für die künftige Entwicklung von hoher Bedeutung, welche Maßnahmen zum Klimaschutz beziehungsweise generell in Richtung einer nachhaltigen Wirtschaftsweise ergriffen werden. "Wenn die jüngst bei G7-Treffen wieder verkündeten Klimaschutzziele erreicht werden sollen, so sind sowohl im Gebäudebestand als auch bei der Energieerzeugung und der Mobilität derart hohe Investitionen erforderlich, dass sich der aktuelle Lebensstil der Bevölkerung kaum aufrecht erhalten lässt. Dies dürfte sich dann spürbar auf die weitere Haushaltsentwicklung und den spezifischen Wohnflächenkonsum auswirken", teilte das Pestel-Institut mit.