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Jobcenter muss Fehler eingestehen

Links-Partei weist Verfehlungen des Lüneburger Jobcenters auf

Hansestadt, 03.10.2012 - Systematisches Schikanieren von Hilfebedürftigen und Nicht-Einhaltung von Gesetzen - diese schweren Vorwürfe hat die Links-Partei dem Lüneburger Jobcenter vorgehalten. Konkret geht es um Einholung von Informationen, die vom Gesetzgeber nicht gedeckt seien. Landrat Manfred Nahrstedt wurde von den Linken um eine Stellungnahme gebeten. In einer Antwort des Landrats werden Fehler seitens des Jobcenters eingeräumt.

Karlheinz Fahrenwaldt, Vorsitzender des Kreisverbands Lüneburg der Links-Partei, hatte nach Befragungen von Antragstellern festgestellt, dass im Jobcenter gesetzeswidrig Informationen über Vermögensverhältnisse von Antragstellern eingeholt werden und dieses Vorgehen mit bestehenden Dienstanweisungen begründet wird.

Landrat Nahrstedt hatte daraufhin das Jobcenter um entsprechende Auskunft gebeten. In seinem Antwortschreiben bezieht er sich auf die Auskünfte des Jobcenters. Darin heißt es: "Es bleibt dabei, dass es keine generelle Vorgabe (Dienstanweisung) gibt bzw. gegeben hat, wonach die Anlage VM (zur Feststellung der Vermögensverhältnisse des Antragstellers; Anm. d. Red.) bei jedem Weiterbewilligungsbescheid angefordert wird." Auf Deutsch: Das Jobcenter hätte entsprechende Informationen bei der beantragten Weiterbewilligung nicht einholen dürfen.

Das Jobcenter räumt dieses Vorgehen durch ein einzelnes "Team" ein. "Alle anderen Teams handeln einzelfallbezogen", heißt es in der Antwort. Und weiter: "Die Geschäftsführung des Jobcenters hat erst durch die Dienstbesprechung davon erfahren und sofort reagiert".

Doch damit nicht genug. Das Jobcenter hat offenbar auch den Arbeitgeber des Sohnes des Antragstellers ohne dessen Zustimmung angeschrieben, obwohl der Sohn nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehört. Hierzu das Jobcenter: "Eine Datenerhebung bei anderen Personen und Stellen ist als Ausnahme nur zulässig, wenn ein schutzwürdiges Interesse vorliegt. Ein schutzwürdiges Interesse lässt sich aber nur schwer begründen." Fälle wie in dem geschilderten Fall, so das Jobcenter, werde es in Zukunft nicht mehr geben.

Ein dritter Kritikpunkt betrifft die Aufstellung eines Fotokopierers im öffentlichen Raum, obwohl dieser auch für dienstliche Unterlagen der Jobcenter-Mitarbeiter benutzt wird. Kritisiert wird konkret, dass dadurch Dritte Einsicht in die Unterlagen nehmen können. Erklärung des Jobcenters: "Der Kopierer steht im Kundenportal, damit alle Kundinnen und Kunden ihn kostenlos nutzen können." Da es keine anderen Aufstellmöglichkeiten gebe, sei das Jobcenter auf die gegenseitige Rücksichtnahme angewiesen.

Für Karlheinz Fahrenwaldt ist das Verhalten des Jobcenters nicht akzeptabel: "Während für Verbrecher bis zur Verurteilung die Unschuldsvermutung gilt, stellt das Jobcenter Lüneburg alle Hilfebedürftigen unter den Generalverdacht des Sozialbetruges. Kein anderes Jobcenter in der Umgebung verfährt so wie das Lüneburger."

Fahrenwaldt bezweifelt auch, dass die Behauptung des Jobcenters, wonach nur eine Arbeitsgruppe von dreien dieses Verfahren angewendet habe, zutreffend sei. "Wir werden zu gegebener Zeit überprüfen, ob die vom Landrat angekündigte Änderung des Verfahrens auch durchgeführt wird“, so der Kreisverbandsvorsitzende.

Kritik äußert auch Frank Stoll, Fraktionsvorsitzender der Kreistagsfraktion der Linken. Er beklagt, dass eine entsprechende Anfrage seiner Fraktion nicht wahrheitsgemäß beantwortet wurde. Stoll: "Wir erwarten von der Verwaltung, dass unsere Anfragen ernst genommen werden. Es kann nicht angehen, dass die Kreisverwaltung ungeprüft falsche Behauptungen des Jobcenters übernimmt."

Für Karlheinz Fahrenwaldt weist das Fehlverhalten des Jobcenters über den konkreten Fall hinaus: "Die Qualität eines Rechtsstaates misst sich daran, wie er mit den schwächsten Gliedern der Gesellschaft umgeht. Institutionen, die rechtsfreie Räume schaffen und darin agieren, beschädigen die Demokratie."