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"Die Bedrohung durch Terrorismus wird deutlich überschätzt"

Krypto-Party Lüneburg: Piraten helfen beim Schutz vor millionenfacher Ausspähung von E-Mails

Lüneburg, 21.07.2013 - Gut gefüllt war der "Freiraum" am vergangenen Donnerstag bei der "Krypto-Party" der Piraten, offenbar hatte das Thema den Nerv vieler Lüneburger getroffen. Doch ganz so spaßig wie das Motto des Abends klang, war es dann doch nicht. Die Interessierten waren gekommen, um sich über Möglichkeiten zum Schutz vor Ausspähung ihres E-Mail-Verkehrs zu informieren. Eingeladen zur Verschlüsselungs-Party hatte die Lüneburger Piraten-Partei. "Digitale Selbstverteidigung gegen Schurken und Staaten" stand auf dem Programm, das nicht nur Informationen, sondern auch praktische Hilfestellungen lieferte.

Krypto-Partys nennen sich die Veranstaltungen, die aktuell bundesweit stattfinden, um Internetnutzern die Möglichkeit zu geben, sich gegen Überwachungsaktivitäten Dritter zur Wehr zu setzen. Der Zulauf zu diesen Informations-Veranstaltungen ist groß, nicht nur in Lüneburg. Denn viele Bürger sind aufgeschreckt durch die jüngst bekannt gewordenen Überwachungsmethoden des US-amerikanischen Geheimdienstes NSA, der millionenfach auch deutsche E-Mail-Daten abfängt und speichert.

Gastgeber Olaf Forberger, Lüneburger Direktkandidat der Heide-Piraten für die kommende Bundestagswahl im September, spannte den Bogen von Problemen und Risiken von Datensammlungen in der jüngeren Vergangenheit bis heute. Keinen Hehl machte er daraus, dass er Abhörmethoden wie die jetzt bekannt gewordenen nicht nur grundsätzlich ablehne, sie würden seines Erachtens auch völlig über das stets deklarierte Ziel von Politik und Geheimdiensten, Terroranschläge zu verhindern, hinausschießen.

"Die Wahrscheinlichkeit, durch einen Verkehrsunfall zu sterben, ist 1.048 Mal höher, als bei einem Terroranschlag ums Leben zu kommen, und an Krebs zu sterben, sogar 12.571 Mal höher", führte Forberger aus und bezog sich dabei auf Daten, die in den Vereinigten Staaten erhoben wurden. "Bei uns in Deutschland ist die Wahrscheinlichkeit sogar nochmals deutlich niedriger, Opfer eines Terroranschlags zu werden", so Forberger. Die angebliche Bedrohung durch den internationalen Terrorismus sei daher ein willkommener Anlass für die Geheimdienste, freie Gesellschaften mit den heute vorhandenen technischen Möglichkeiten nahezu komplett auszuspähen und zu überwachen. 

Wie man sich dennoch dagegen schützen kann, wurde dann im weiteren Verlauf des Abends gezeigt. Krypto-Technologie, oder zu Deutsch "Verschlüsselungsverfahren", helfe, um zumindest den persönlichen E-Mail-Verkehr vor Ausspähung zu schützen. Softwarespezialist und Krypto-Fachmann Florian Sievert erläuterte, wie der überwachungsfreie Mail-Austausch mit Hilfe asymmetrischer Verschlüsselung funktioniert. Dabei wird die betreffende Mail vom Absender verschlossen und kann anschließend nur noch vom konkreten Empfänger mit Hilfe seines persönlichen Schlüssels wieder geöffnet werden. "Selbst der Absender der E-Mail wäre nicht in der Lage, die von ihm verschlossene Mail wieder zu öffnen", verdeutlichte Sievert das Verfahren.

Vielen der rund 30 Teilnehmer des Abends reichte das Gehörte und Erfahrene, um selbst aktiv zu werden. Sie hatten ihr persönliches Notebook mitgebracht, um dieses gleich an Ort und Stelle mit PGP auszurüsten. PGP steht für "Pretty Good Privacy" und ist nach Angaben der Piraten gegenwärtig die bekannteste Verschlüsselungstechnik für den E-Mail-Verkehr. 

"Da von der aktuellen Politik wenig für den Datenschutz der Bürger zu erwarten ist, geben wir den Menschen die Möglichkeit zur digitalen Gegenwehr", begründete Forberger die Piraten-Aktion. "Wenn der Staat es nicht einmal schafft, uns vor dem eigenen Geheimdienst und dem befreundeter Nationen zu beschützen, muss der Bürger sich selbst wehren. Wir kämpfen für einen Staat, vor dem der Bürger sich nicht schützen muss."

Torbjörn Bartels, ebenfalls Pirat und Mitglied im Stadtrat der Hansestadt Lüneburg, war überrascht über den großen Zuspruch der Lüneburger zu der Aktion: "Dass so viele kommen würden, hatten wir nicht erwartet, schließlich haben wir Sommerferien." Eine Wiederholung der Krypto-Party wollte er daher auch nicht ausschließen.