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Richter unter Anklage

Landgericht Lüneburg verhandelt wegen Bestechlichkeit und versuchter Nötigung

Lüneburg, 07.11.2014 - Am heutigen Freitag hat die Staatsanwaltschaft Verden gegen einen 48-jährigen ehemaligen Mitarbeiter des Niedersächsischen Landesjustizprüfungsamts Anklage wegen Bestechlichkeit im besonders schweren Fall, Verletzung des Dienstgeheimnisses und versuchter Nötigung bei dem Landgericht Lüneburg erhoben. Er soll Prüfungsinhalte für die zweite juristische Staatsprüfung an elf Rechtsreferendare verraten oder ihnen die Weitergabe angeboten haben. Besonders pikant: Der aus dem Wendland stammende Angeschuldigte war in Niedersachsen als Richter tätig und seit dem Jahre 2011 Mitarbeiter des Landesjustizprüfungsamts in Celle.

Laut der 52‑seitigen Anklageschrift der Zentralstelle für Korruptionsstrafsachen der Staatsanwaltschaft Verden soll er über zwei Jahre bis zum März dieses Jahres allein sechs Referendaren die Inhalte von Prüfungsklausuren oder Vorträgen mit Lösungshinweisen gegen teilweise fünfstellige Bargeldbeträge angeboten haben. Einer der Prüfungskandidaten soll nach Zahlung der vereinbarten Gegenleistung Sachverhaltsdarstellungen und Lösungsskizzen erhalten haben. In fünf weiteren Fällen besteht der Verdacht, dass der Angeschuldigte die Inhalte von Aktenvorträgen, Klausuren und mündlichen Prüfungen oder entsprechende Lösungshinweise dazu Prüfungskandidaten überlassen hat. Da nicht ermittelt werden konnte, ob und in welchem Umfang Gegenleistungen erfolgt sind, besteht in diesen Fällen lediglich der Verdacht der Verletzung von Dienstgeheimnissen.

Der Angeschuldigte soll Prüfungskandidaten, die bereits einmal durch das zweite Staatsexamen durchgefallen waren, von sich aus angesprochen haben. Vier Referendaren, von denen er laut Anklage erhebliche Geldbeträge verlangt hatte, soll er gedroht haben, sie wegen übler Nachrede anzuzeigen, falls diese sein Angebot verraten würden. Da die so Bedrohten aber gegenüber den Ermittlungsbehörden ihr Wissen preisgegeben haben, besteht insofern nur der Verdacht der versuchten Nötigung.

Die Referendare, denen der Angeschuldigte tatsächlich Prüfungsinhalte verraten haben soll, waren entweder bereits einmal durch die Prüfung durchgefallen oder wollten sich in einem Wiederholungsversuch verbessern. In einem Fall dürfte allein der Wunsch nach einer besonders guten Prüfungsleistung Auslöser für die Nutzung der illegal erlangten Lösungshinweise gewesen sein.

Der Angeschuldigte befindet sich seit Juni dieses Jahres in Haft in einer deutschen Untersuchungshaftanstalt. Er war aufgrund eines Europäischen Haftbefehls im März 2014 in Mailand von der italienischen Polizei festgenommen und drei Monate später nach Deutschland ausgeliefert worden. 

Mit der Anklage, die sich nur gegen ihn richtet, werden ihm insgesamt 11 einzelne Straftaten vorgeworfen. Soweit der Verdacht der Bestechung oder der Beihilfe dazu gegen andere Personen besteht, werden die Ermittlungen gesondert fortgeführt. Dies gilt insbesondere für die Referendare, die die Lösungshilfen von dem Angeschuldigten angenommen haben sollen.