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Zwei Ja und ein Nein

So haben Lüneburgs Bundestagsabgeordnete heute bei der Griechenlandhilfe abgestimmt

Lüneburg/Berlin, 19.08.2015 - Deutschland hat den Weg frei gemacht für das dritte Hilfspaket für Griechenland. Der Bundestag beschloss das Programm in einer Sondersitzung an diesem Mittwoch. Die Fraktionen von CDU, CSU, SPD und Grünen stimmten überwiegend dafür, die Linkspartei dagegen. Insgesamt stimmten 454 der anwesenden 585 Abgeordneten mit Ja, 113 mit Nein, 18 enthielten sich. Von den 113 Nein-Stimmen kam eine aus Lüneburg. Die beiden anderen Lüneburger Bundestagsabgeordneten stimmten mit Ja. Zwei haben seit der letzten Abstimmung am 17. Juli über die Aufnahme von Verhandlungen über Finanzhilfen für Griechenland ihre Meinung geändert. Hier die Erklärungen der drei Bundestagsabgeordneten.

 

Hiltrud Lotze (SPD): Ja

Hiltrud Lotze (SPD). Foto: nghHiltrud Lotze hatte bereits am 17. Juli mit Ja gestimmt. Hier ihre Erklärung zur heutigen Abstimmung:

Ich habe dem Programm zugestimmt und möchte Euch und Ihnen mein Abstimmungsverhalten gerne begründen: Die klare Linie der SPD war und ist: wir sind solidarisch mit den Menschen in Griechenland und unterstützen sie auf dem Weg aus der schweren Krise.
Klar ist, dass wir allein mit dem dritten Hilfspaket Griechenland nicht retten. Wir schaffen damit die Voraussetzungen dafür, dass Griechenland sich selber rettet. Denn das vereinbarte Programmvolumen von bis zu 86 Milliarden Euro sichert vor allem, dass Griechenland seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann und das Bankensystem gestützt wird. Dieses Geld bewahrt Griechenland vor einem finanziellen Kollaps, sorgt an sich aber nicht für Wachstum. Wichtig sind deshalb die strukturellen Reformen, die zusammen mit dem finanziellen Volumen vereinbart wurden. Im Zentrum stehen nicht nur pure Haushaltsvorgaben und Sparziele, sondern strukturelle Verbesserungen der griechischen Wirtschaft und Verwaltung. Damit unterscheidet sich dieses Programm auch von vorherigen Programmen. Griechenland muss im eigenen Interesse endlich in die Lage versetzt werden, Steuern einzutreiben, eine effiziente Verwaltung aufzubauen, den Bürgern ein leistungsfähiges und finanzierbares Sozialsystem zu bieten und teilweise oligarchische und verkrustete Wirtschaftssysteme aufzubrechen.
Eine wichtige Ergänzung in diesem Programm ist auch, und das begrüße ich sehr, dass sich bei der Bankenrekapitalisierung nun endlich die Anteilseigner der griechischen Banken an den Kosten beteiligen müssen. Die Rettung der Banken kann nicht primär Aufgabe der Steuerzahler sein! Das haben wir als SPD seit Beginn der Krise gefordert. Dass die Akteure des Finanzsektors nicht angemessen an den Kosten beteiligt wurden, während es gleichzeitig empfindliche Einschnitte bei den kleinen und mittleren Einkommen gab und sich eine skandalös hohe Jugendarbeitslosigkeit verbreitete, hat radikalen und populistischen Gruppierungen in Deutschland und ganz Europa Auftrieb gegeben. Europa stünde heute besser da, wenn sich die damalige schwarz-gelbe Koalition unserer Forderung nach einer Beteiligung des Finanzsektors und durch einen frühen Schuldenschnitt und die Einführung einer Finanztransaktionssteuer zu Eigen gemacht hätte.
Die finanzielle Hilfe gibt es aber nicht ohne Gegenleistung. Die Gegenleistung der griechischen Regierung muss die konsequente Umsetzung der detailgenau vereinbarten Reformen sein. Das werden wir durch regelmäßige und genauere Programmüberprüfungen sicherstellen. Vereinbarungen müssen eingehalten werden. Bei einer erfolgreichen Programmüberprüfung im Oktober oder November 2015 muss dann aber auch darüber verhandelt werden, wie durch Schuldenerleichterungen die Schuldentragfähigkeit Griechenlands gewährleistet werden kann. Dabei wird es vor allem um längere Laufzeiten und tilgungsfreie Zeiten gehen.
Ich habe mir die Entscheidung für das dritte Hilfsprogramm nicht leicht gemacht. Aber: in dem jetzt vereinbarten Programm steckt sehr viel Potenzial. Griechenland und seine Menschen haben jetzt wirklich eine Chance. Ausschlaggebend ist für mich auch nach wie vor, dass ich fest an Europa glaube und weiß, dass eine Entscheidung über Griechenland auch in Verantwortung gegenüber Europa getroffen werden muss.Die Begriffe "Solidarität" und "Verantwortung" wurden in dieser langanhaltenden Krise oft reflexhaft benutzt. Für mich sind dies unverzichtbare Werte, die unser Europa zusammenhalten.

 

Eckhard Pols (CDU): Nein

Eckhard Pols (CDU). Foto: nghEckhard Pols hatte sich am 17. Juli der Stimme enthalten. Sein Nein in der heutigen Abstimmung begründet er so:

Ich habe mich nach reiflicher Überlegung und intensiver Beratung mit meinen Vertrauten, Bürgern und Kollegen hier in Berlin dazu entschieden, in der heutigen Sitzung mit Nein zu stimmen. Ich habe mir diese Entscheidung wie beim letzten Mal nicht leicht gemacht, sehe darin aber die logische Konsequenz meiner bisherigen Positionierung. Denn ich habe bereits zur Abstimmung Ende Juli deutlich gemacht, dass ich weitere Milliarden für Griechenland unter den derzeitigen Voraussetzungen für nicht zulässig halte. Außerdem ist mein Vertrauen in die griechische Regierung erschöpft.
Mein Abstimmungsverhalten ist damit weder die Folge populistischer Beeinflussung noch ein Aufstand gegen die Bundeskanzlerin oder unseren Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder. Sicherlich waren Kauders Bemerkungen einer produktiven Debatte nicht förderlich, aber letztlich nicht ausschlaggebend für meine Meinung. Im Gegenteil, ich bleibe dabei, dass die Kanzlerin und der Bundesfinanzminister in Brüssel hart verhandelt und in vielen Teilen nachvollziehbare Ergebnisse erzielt haben. Mir jedoch fehlt der Glaube daran, dass die Gewährung weiterer 86 Milliarden Euro an dem grundsätzlichen Problem der griechischen Staatsverschuldung etwas ändern wird.
Dazu trägt insbesondere bei, dass die schlechten Prognosen zur Schuldentragfähigkeit keine Besserung der wirtschaftlichen und politischen Lage in Griechenland versprechen. Auch die bereits von Tsipras avisierten Neuwahlen tragen nicht gerade zur Vertrauensbildung bei. Mir ist schleierhaft, warum ein drittes Paket an dieser Ausgangslage etwas ändern soll, wo doch die bereits vorangegangen Hilfen von der griechischen Regierung nur unzureichend genutzt wurden.
Ferner halte ich die nicht gesicherte Beteiligung des Internationalen Währungsfonds (IWF) für bedenklich. Die Einschätzung des IWF zur Schuldentragfähigkeit Griechenlands lässt wenig Raum für Interpretationen. Sollte der IWF daher von einer weiteren Beteiligung absehen oder gar einen Schuldenschnitt zur Bedingung machen, wäre aus meiner Sicht die Verhandlungsgrundlage für jegliche Hilfen hinfällig.
Darüber hinaus habe ich erhebliche Zweifel daran, ob die durch das Programm eingeführte Schuldenverschiebung nach den heutigen Regularien des Europäischen Stabilitätsmechanismus überhaupt rechtlich möglich ist, ebenso wie die Gewährung von Krediten an ein Land, dessen Schuldentragfähigkeit nicht gegeben ist. Da ich zusätzlich erhebliche Bedenken am Erfolg des Privatisierungsprogramms habe, konnte ich dem Hilfspaket nicht guten Gewissens zustimmen. Meiner Meinung nach muss es für das griechische Volk eine andere Lösung seiner Misere geben, bei der Deutschland sich sicherlich nicht aus der Verantwortung ziehen würde.

 

Dr. Julia Verlinden (Grüne): Ja

Dr. Julia Verlinden. Foto: nghJulia Verlinden hatte sich am 17. Juli der Stimme enthalten. Ihr heutiges Ja erklärt sie wie folgt:

Ein drittes Hilfsprogramm für Griechenland ist notwendig, damit Griechenland im Euro bleibt und ein Grexit verhindert wird. Denn ein Ausscheiden Griechenlands aus der Währungsgemeinschaft ist weder im Interesse der Menschen in Griechenland noch im Interesse der griechischen Wirtschaft. Es würde außerdem Europa insgesamt und damit auch uns schaden. Daher habe ich dem Hilfspaket, auf das sich die Gruppe der Euro-Staaten geeinigt hat, im Bundestag zugestimmt.
Das Hilfsprogramm weist aus grüner Sicht allerdings erhebliche Mängel auf. Die notwendige Schuldenerleichterung für Griechenland wird weiter verschoben. Es fehlt außerdem ein wirksames Investitionsprogramm für eine nachhaltige und ökologische Entwicklung der Wirtschaft. Griechenland braucht dringend Investitionen, um wieder auf die Beine zu kommen. Gerade Investitionen in Erneuerbare Energien und Energieeffizienz können Griechenland dabei helfen, sich von teuren Brennstoffimporten unabhängiger zu machen und so die Energiekosten für Haushalte und Unternehmen spürbar zu senken.
Jenseits des neuen Kreditprogramms braucht Griechenland finanzielle Unterstützung für die Flüchtlingshilfe. Denn zusätzliche Herausforderungen können nur mit zusätzlichem Geld gemeistert werden. Die Bundesregierung muss sich deshalb auf EU-Ebene mit Nachdruck für eine effektive Unterstützung Griechenlands bei der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen einsetzen. In den laufenden Verhandlungen über den EU-Haushalt müssen die entsprechenden Mittel deutlich aufgestockt werden.