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Fracking kommt als Ursache für Erdbeben in Frage

Neue Studie bewertet Zusammenhang als "sehr wahrscheinlich" 

Hannover, 21.07.2013 - Der Niedersächsische Erdbebendienst (NED) hat kürzlich seine Untersuchung zu dem leichten Erdbeben vom 22. November 2012 bei Völkersen im Landkreis Verden abgeschlossen. Das Ergebnis: Ein Zusammenhang zwischen der Erdgasförderung in dem betroffenen Gebiet und dem seismischen Ereignis gelte als "sehr wahrscheinlich". Aufgrund dieser Erkenntnisse könnten vergleichbare Ereignisse in Völkersen und auch in den anderen Erdgasförderregionen nicht ausgeschlossen werden, teilte das Wirtschaftsministerium in Hannover mit.

Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) betonte, dass es sich zwar lediglich um ein leichtes Erdbeben gehandelt habe, eine Gefährdung der Bürger habe es aber nicht gegeben und sei auch für die Zukunft nicht zu erwarten. Der Minister nehme die Ergebnisse der Untersuchung dennoch "sehr ernst". Lies: "Wir werden umgehend das Gespräch mit den Förderunternehmen und auch mit der örtlichen Bürgerinitiative suchen. Auch wenn sicher noch weitere Untersuchungen erforderlich sind: Für uns gibt es derzeit keine begründeten Zweifel mehr an einem Zusammenhang zwischen Erdgasförderung und der Möglichkeit seismischer Ereignisse. Ziel muss es deshalb sein, dass sich die Erdgasproduzenten bereit erklären, mögliche Erdbebenschäden unbürokratisch und schnell zu ersetzen."

In Niedersachsen sind Erdbeben mit schwerwiegenden Folgen (etwa Personenschäden oder größeren Gebäudeschäden) nach Auskunft des Ministeriums bisher nicht bekannt geworden und nach Auskunft des niedersächsischen Erdbebendienstes auch künftig nicht zu befürchten. In den vergangenen 35 Jahren wurden 41 seismische Ereignisse in Niedersachsen registriert. Diese Erschütterungen wurden mit Stärken zwischen 1,4 und 4,5 auf der Richter-Skala registriert. Damit gilt Niedersachsen als ein Land mit geringem Erdbebenrisiko.

Jedoch falle die Häufung leichter Erdbeben in unmittelbarer Nähe von Erdgasfeldern auf. 33 der genannten 41 Beben seien im Umfeld der Erdgasfelder lokalisiert. Derzeit fördern in Niedersachsen vier Unternehmen aus 73 Feldern Erdgas. Betroffen sind 1.900 Quadratkilometer (gasführende Fläche) insbesondere in den Regionen Oldenburger Münsterland, einem Gebiet östlich von Bremen die Lüneburger Heide querend bis an die Grenze zu Sachsen-Anhalt, sowie das westliche Emsland und Ostfriesland. Die jährliche geförderte Erdgasmenge beträgt rund 10,3 Milliarden Kubikmeter Reingas. Dies entspricht rund 11 Prozent des bundesweiten Erdgasverbrauchs.

Die Untersuchungen des NED für den Bereich Völkersen bestätigten, dass auch vorhergehende leichte Beben aus den Jahren 2004, 2008, 2010 und 2011 im Zusammenhang mit der seit 1994 laufenden Erdgasförderung stehen dürften, so das Ministerium. Die geologische Erklärung könnte in dem abnehmenden Lagerstättendruck zu sehen sein.

Das Erdgas lagere in Gesteinsformationen in einer Tiefe von über 4.500 Metern. Bedingt durch die Tiefenlage habe das Erdgas ursprünglich unter einem Druck von mehreren Hundert bar gestanden. Mit zunehmender Ausbeutung der Lagerstätte sei der Lagerstättendruck gesunken, was zu einer veränderten Spannung in den Formationen geführt habe - dies könne an der Erdoberfläche Erschütterungen auslösen, die in der Vergangenheit zum Teil spürbar waren und in Einzelfällen auch zu leichten Gebäudeschäden geführt hätten. Das Gutachten stellt fest, dass ein Zusammenhang zu dem Beben von 2012 und dem Durchführen von aktuellen Frackarbeiten oder dem Verpressen von Lagerstättenwasser nicht gegeben sei.

Minister Lies betont zu dem Geschehen: "Erdgasförderung ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Niedersachsen und auch in Deutschland. Wir leisten mit der Förderung einen wichtigen Beitrag für die Sicherheit der Energieversorgung in Deutschland. Allerdings muss die Sicherheit auch weiterhin an erster Stelle stehen. Ohne eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung hat die Erdgasförderung keine Zukunft. Deshalb ist jetzt die Industrie gefordert, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Aus meiner Sicht muss der Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern dauerhaft gesucht und vertieft werden. Außerdem müssen mögliche Schäden unbürokratisch und schnell reguliert werden. Die niedersächsische Landesregierung hat hierzu auch einen Antrag im Bundesrat zur Änderung der Haftungsregelungen für die Erdgasförderung im Bergrecht eingebracht. Ziel des Antrages ist die Beweislastumkehr. Dies verbessert die Rechtsposition Geschädigter. Künftig sollen Unternehmen den Nachweis führen müssen, dass sie zum Beispiel einen Gebäudeschaden nicht verursacht haben."

Der Bundesrat hat im Februar bereits einen entsprechenden Beschluss gefasst. "Leider wird dieser Beschluss von der schwarz-gelben Mehrheit im Bund ignoriert. Nach dem aktuellen Gutachten kann ich die Bundesregierung nur dringend auffordern, neu nachzuzudenken."

Für Niedersachsen kündigte Minister Lies an, eine Ombudsstelle für Erdbebenschäden einzurichten, die helfen soll, eventuelle strittige Fälle vorgerichtlich zu klären.