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Sind Türken weniger belastbar?

Leuphana-Studie untersucht Ursachen für höheren Krankenstand bei türkischstämmigen Arbeitnehmern

Lüneburg, 12.11.2013 - Türkische Arbeitnehmer weisen einen höheren Krankenstand auf als ihre deutschen Kollegen. Das hat eine entsprechende Auswertung vom Bundesverband der Betriebskrankenkassen aus dem Jahr 2007 ergeben. Die Krankschreibungen der türkischstämmigen Arbeitnehmer seien überwiegend psychisch bedingt, seelische Erkrankungen wie etwa Depressionen zählten zu den häufigsten Ursachen, berichtet die Leuphana Universität Lüneburg. Wissenschaftler der Universität wollen mit ihrem Projekt "UBalance" jetzt untersuchen, welche Faktoren dafür verantwortlich sind und welche Präventionsmöglichkeiten es gibt.

17 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland haben ausländische Wurzeln, den größten Anteil unter ihnen machten Menschen türkischer Herkunft aus, so die Universität. Vergleicht man den Krankenstand türkischer mit dem deutscher Arbeitnehmer, ergebe sich folgendes Bild: Die Zahl der Krankmeldungen türkischer Mitarbeiter liegt um 25 Prozent höher als die ihrer deutschen Kollegen. Mit durchschnittlich 15 Tagen je Krankmeldung fehlten sie im Krankheitsfall auch drei Tage länger. Die Ursachen sind bisher wissenschaftlich nicht untersucht. Sprachliche Barrieren könnten ein wesentlicher Grund dafür sein, vermuten die Lüneburger Forscher, denn bisherige Studien basieren auf Befragungen in deutscher Sprache.

Das Forschungsprojekt "UBalance - Mental fit im Job" im Rahmen des Innovations-Inkubators Lüneburg der Leuphana will jetzt einen neuen Weg gehen. Dazu sollen Beschäftigte türkischer Herkunft befragt werden. Sie machen 2,8 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland aus. Eine eigens entwickelte Internet-Seite bietet Fragen zu beruflichem Stress in deutscher und türkischer Sprache. Die Befragten sollen - anonym - eine Einschätzung ihrer Situation am Arbeitsplatz, ihrer Motivation und ihres Wohlbefindens abgeben. Das geschieht per Mouseklick auf einer vorgegebenen Antwort-Skala. Die textliche und grafische Auswertung liefert ein persönliches Feedback für den Einzelnen sowie eine zusammengefasste Darstellung der Ergebnisse für ein Unternehmen.

Auf der Basis ihrer Untersuchung wollen die Wissenschaftler dann ein Frühwarnsystem entwickeln. Es soll helfen, Arbeitsbedingungen zu optimieren, bevor Mitarbeiter in kritische Situationen geraten oder sogar erkranken. "Von den Ergebnissen kann die gesamte Wirtschaft profitieren. Angesichts des Fachkräftemangels können wir es uns nicht leisten, auf das Potential türkischer Migranten zu verzichten“, sagt Nazan Ulusoy. Die Gesundheitswissenschaftlerin, selbst türkischer Herkunft, ist verantwortlich für die Studie.

Für das Projekt werden drei Gruppen miteinander verglichen: deutsche Beschäftigte in Deutschland, türkische Beschäftigte in Deutschland sowie türkische Beschäftigte in der Türkei. Für die Befragungen in der Türkei kooperieren die Wissenschaftler mit der Celal Bayar Universität in Manisa. Erste Ergebnisse sollen im Sommer 2014 vorliegen.

"UBalance" lädt Unternehmen - vor allem auch kleine und mittelständische - mit türkischen Mitarbeitern ein, an der Studie teilzunehmen. Kontakt: Nazan Ulusoy, Telefon 04131-677-7675, sowie unter www.ubalance.de.