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Fahrtenschreiber werden erneut zur Last

Handwerkskammer kritisiert EU-Neuregelung - Unternehmen drohen hohe Zusatzkosten

Hansestadt, 09.07.2012 - Für großen Unmut im Handwerk sorgt die Neuregelung der Tachographenpflicht innerhalb der Europäischen Union. Eigentlich sollte sie Handwerksbetrieben Entlastungen bringen, nun drohen vielen Unternehmen Zusatzkosten von mehreren Tausend Euro. Norbert Bünten, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade ist empört: "Es ist unfassbar, was da jetzt im Europäischen Parlament beschlossen wurde. Die Chance auf einen wirklich vorzeigbaren Bürokratieabbau ist gleich wieder zunichte gemacht worden."

Noch Anfang Juni schien es, dass Handwerksbetriebe durch die Neuregelung im Umkreis von 150 Kilometer gänzlich auf die wenig beliebten Fahrtenschreiber verzichten könnten. Dies hatte der Transportausschuss des Europäischen Parlaments so entschieden und dem EU-Parlament für die Neuregelung der Tachographenpflicht empfohlen (LGheute berichtete). Doch dem wollte das EU-Parlament jetzt nicht folgen.

Grund des Anstoßes: Das EU-Parlament hat einerseits zwar beschlossen, die Ausnahmeregelung von der Tachographenpflicht für Handwerksbetriebe, die eigene Materialien, Ausrüstungen und Maschinen befördern, auf einen Umkreis von 100 – statt bisher 50 – Kilometern um den Unternehmenssitz zu erweitern. Zugleich soll aber der grundsätzliche Anwendungsbereich der europäischen Verordnungen zu Lenk- und Ruhezeiten und digitalen Tachografen erheblich ausgeweitet werden.

Während heute nur für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen ein digitaler Fahrtenschreiber vorgeschrieben ist, müssten diese künftig bereits in allen Fahrzeugen ab 2,8 Tonnen zum Einsatz kommen. "Knapp ein Viertel des Fahrzeugbestandes der Handwerksbetriebe liegt in der Gewichtsklasse 2,8 bis 3,5 Tonnen. Die Transporter oder Sprinter müssten alle nachgerüstet werden, wenn sie auch nur ein einziges Mal weiter als 100 Kilometer vom Betrieb zum Einsatz kommen", erklärt Bünten. Hinzu kämen aufwändige Dateiverwaltungen. "Das alles wird die Betriebe viel Geld kosten." Die Handwerksorganisation setze sich intensiv dafür ein, dass die Absenkung der Gewichtsgrenze in den noch ausstehenden Verhandlungen mit der EU-Kommission und dem Europäischen Rat wieder zurückgenommen werde.

Kein Verständnis hat der Hauptgeschäftsführer auch dafür, dass das EU-Parlament entgegen dem Votum des fachlich zuständigen Transportausschusses entschieden hat und es keine ausführliche Debatte im Plenum gab. "Der Ausschuss hatte sich für einen Ausnahmeradius von 150 Kilometern ausgesprochen. Das wird der Praxis eher gerecht." Es sei absurd, dass ein Betrieb aus Cuxhaven keine Baustelle im südlichen Stadtgebiet von Bremen anfahren könne, ein Helmstedter Betrieb nicht den gesamten Großraum Hannover erreiche oder ein Betrieb aus Dannenberg an den Hamburger Elbbrücken umkehren müsse, wenn die Fahrt nicht über einen digitalen Fahrtenschreiber aufgezeichnet würde. "Die Mehrheit der Europaabgeordneten ist offenbar von den strukturellen Besonderheiten im ländlichen Raum genauso weit entfernt wie von den Problemen der kleinen und mittleren Betriebe", kritisiert Bünten.