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"Infrastruktur nicht aufs Spiel setzen"

Wirtschaft nennt Kernthemen beim IHK-Jahresempfang - Ministerpräsident Weil für Bau der A39, Grüne dagegen

Lüneburg, 05.06.2013 - IHK-Präsident Olaf Kahle hatte eine klare Botschaft für seinen Ehrengast, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil: "Fehlendes Geld darf kein Grund sein, den Standortfaktor Infrastruktur aufs Spiel zu setzen." 500 Teilnehmer des IHK-Jahresempfangs lauschten gestern Abend seinen Worten im Theater Lüneburg. Kahle nutzte die Gelegenheit, um die Positionen der Wirtschaft zu den Themen Steuererhöhungen, Energiewende, Infrastruktur und Fachkräftemangel den Gästen aus Unternehmen, Politik und Verwaltung vorzutragen.

Die Wirtschaft sei bereit, ihren Beitrag zu leisten, sagte Kahle. Aber: "Wer glaubt, Steuererhöhungen blieben ohne Wirkung auf Investitionen und Arbeitsplätze, der irrt." Um wettbewerbsfähig zu bleiben, brauche die Wirtschaft gute Rahmenbedingungen - das gelte für Steuern ebenso wie für die Energiepolitik, sagte der IHK-Präsident. "Wir brauchen eine Einigung von Bund und Ländern bei der Strompreisbremse und eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Entscheidend ist: Wir brauchen diese Entscheidungen jetzt. Und nicht erst nach der Bundestagswahl."

Schnelles Handeln sei auch gefragt, um dem Fachkräftemangel entgegen zu steuern. Kahle sprach sich dafür aus, vielfältige Schulformen zu erhalten. Außerdem sollten Schulen und Wirtschaft stärker zusammenarbeiten. Der Staat sei gefordert, flächendeckende und verlässliche Kinderbetreuungsangebote zu schaffen. Aber auch die IHK begleitet Unternehmen auf dem Weg, familienfreundliche Arbeitsmodelle zu entwickeln. Insgesamt gehe es bei allen Themen um kreative und intelligente Lösungen. "Wir sollten sie gemeinsam suchen", so Kahle.

Ministerpräsident Stephan Weil sagte seine Unterstützung in Bezug auf den Bau der Autobahn 39 zu: "Die Trasse bedeutet eine Entlastung der A7 und sie macht wirtschaftliche Entwicklung möglich." Außerdem will Weil den Breitbandkabelausbau vorantreiben, um ländlich gelegene Wirtschaftsstandorte zukunftsfähig zu machen. Der Ministerpräsident unterstrich die Forderung nach einer Reform des EEG. Diese sei ebenso notwendig wie ein klares, länderübergreifendes Rahmenkonzept. Dann habe Niedersachsen das Zeug zum "Energieland Nummer eins".

Nur beim Thema Steuern ließ sich der SPD-Politiker mit Verweis auf die beschlossene Schuldenbremse auf keinen Kompromiss ein. Allerdings müsse ein zukunftsfähiges Steuerpaket berücksichtigen, dass "der Mittelstand und insbesondere inhabergeführte Unternehmen das Rückgrat unserer Ökonomie sind. Der Staat braucht dieses Rückgrat, um weiter wachsen zu können".

Um sich weiterzuentwickeln, brauchen Unternehmen innovative Partner, auch im Bereich Bildung und Forschung, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Michael Zeinert. Partner wie die Leuphana Universität Lüneburg. "Wir brauchen die Leuphana als starken Hochschulstandort. Im Interesse der Region, der Wirtschaft und der Menschen, die hier leben." Der IHK-Hauptgeschäftsführer warb um mehr Sachlichkeit in der Debatte um die Finanzierung des geplanten Zentralgebäudes. "Es wäre tragisch, wenn die Entwicklung der Uni der politischen Polemik zum Opfer fallen würde."

Grüne gegen Bau der A39

Die grünen Landtagsabgeordneten Miriam Staudte und Heiner Scholing bekräftigen ihre Kritik an einem etwaigen Bau der A39. "Es gibt keine Belege für positive wirtschaftliche Effekte durch den Bau der A39. Ganz im Gegenteil: Alle Untersuchungen beweisen, dass insbesondere statt der A39 kostengünstigere und naturverträglichere Alternativen zur Verfügung stehen", so Staudte. Die Grünen-Politikerin erinnert an die Berechnungen aus dem Bundeswirtschaftsministerium, wonach die A39 lediglich ein Nutzen-Kosten-Verhältnis von 1,9 habe. "Mit diesem Wert ist die A39 wirtschaftlich gesehen Schlusslicht bei allen Autobahn-Planungen bundesweit."

Die Grünen erinnern ebenso an Untersuchungen der Leuphana Universität Lüneburg, wonach Autobahnen lediglich zu Verlagerungen und nicht zu Neugründungen von Wirtschaftsunternehmungen führen. "Gerade im Bereich der Existenzgründungen ist unsere Region im Bundesvergleich gut aufgestellt", so Staudte.

Aus Sicht der beiden Abgeordneten müsse moderne Wirtschaftspolitik ihr Augenmerk auf weiche Standortfaktoren lenken. "Die Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Familie ist das wirtschaftspolitische TOP-Thema der Gegenwart. Das Vorhalten von sozialer Infrastruktur wie Kinderbetreuung und Altenpflege ist die Aufgabe heutiger Wirtschaftpolitik," so Scholing.