"Die Situation ist dramatisch"

Samtgemeinde Amelinghausen wächst Schuldenberg über den Kopf

Die Samtgemeinde Amelinghausen steckt in einer bedrohlichen Haushaltskrise. Amelinghausen, 24.01.2017 - Die Samtgemeinde Amelinghausen steckt in einer bedrohlichen Haushaltskrise. Wie die Samtgemeinde mitteilt, weist der Haushalt 19,9 Millionen Euro Kreditschulden auf – ein hoher Betrag für eine kleine Kommune im strukturschwachen Raum, entstanden durch Investitionen etwa in das Waldbad, die Lopautalhalle, den Breitbandausbau und das neue Hilfeleistungszentrum in Amelinghausen. Weitaus problematischer steht es um den Ergebnishaushalt der Samtgemeinde: bei gleichbleibenden Aufgaben und der Umsetzung aller geplanter Projekte weist der geplante Ergebnishaushalt für das Jahr 2017 ein Defizit von 830.000 Euro aus. Damit fehlen der Samtgemeinde 815.000 Euro liquide Mittel für das laufende Jahr. Politische Anträge und Vereinszuschüsse sind darin noch nicht berücksichtigt.

Das Niedersächsische Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG) verpflichtet jedoch die Samtgemeinden, einen ausgeglichenen Ergebnishaushalt vorzulegen. Das Problem: Die Tilgung ist aus der laufenden Verwaltung zu erwirtschaften und nicht über Kredite auszugleichen. Gelingt dies nicht, muss die Samtgemeinde sogenannte Liquiditätskredite aufnehmen, also Kredite, um andere Kredite tilgen zu können. Denn bereits jetzt ist klar, dass in den Jahren 2018 bis 2020 ein weiteres Defizit von rund 2,1 Mio. € im Ergebnishaushalt hinzukommen wird.

Als wäre dies nicht herausfordernd genug, schließt die Samtgemeinde das Jahr 2016 mit einem ungeplanten Defizit von 780.000 Euro im Ergebnishaushalt ab. Auch dieser Betrag ist nach NKomVG in den kommenden sechs Jahren zusätzlich aus der laufenden Verwaltung zu erwirtschaften. In Summe ergibt sich damit mittelfristig ein strukturelles Defizit im Ergebnishaushalt in Höhe von rund 3,7 Millionen Euro. Außerdem fehlen laut Angaben der Samtgemeinde mittelfristig 2,5 Millionen Euro liquide Mittel, wenn sie so wirtschaftet wie bisher geplant.

Eine verantwortungsbewusste Lösung lasse sich nicht mit dem Ausgleich eines einzelnen Haushaltsjahres durch Streichung und Verschiebung von Projekten lösen, ist Samtgemeindebürgermeisterin Claudia Kalisch überzeugt: "Dies wäre kurzfristig vielleicht noch irgendwie gemacht, aber viel zu kurz gedacht. Denn das Problem wird so nur verschoben und in den Folgejahren immer größer." Bei der Einbringung des Haushalts im letzten Dezember konnte sie ihren Rat von der Notwendigkeit einer strukturellen Veränderung überzeugen. Kurzerhand verabredeten sich alle Ratsmitglieder mit Funktionsträgern der Mitgliedsgemeinden zu einem gemeinsamen Workshop Anfang Januar, um gemeinsam Wege aus der Misere zu finden. "Samtgemeinde und Mitgliedsgemeinden sitzen in einem Boot, das Defizit wird sich auf alle Bereiche auswirken und daher lässt sich auch eine Lösung nur gemeinsam finden", sagt Kalisch.

So haben alle gemeinsam in dem Workshop begonnen, die wichtigsten Stellschrauben in einzelnen Haushaltsprodukten zu identifizieren. Über deren Veränderung soll in den kommenden Wochen beraten werden. Wichtig ist Kalisch bei diesen Gesprächen auch, dass es keine Tabu-Themen geben darf: "Wenn wir über Kürzungen von Leistungen oder Erhöhung von Gebühren reden, muss dies für alle Bereiche gelten!" Auch die Verwaltung wolle einen Beitrag dazu leisten und in den kommenden Beratungen Kürzungsvorschläge für das Rathaus mit einbringen.

Ob es reicht, um dieses Defizit einzusparen und strukturell zu lösen, wird sich am Ende der Beratungen zeigen. Eine Erhöhung der Samtgemeindeumlage sehen laut Kalisch alle Beteiligten nur als allerletztes Mittel der Wahl. Neben allen Kürzungen wollen sie auch ein Auge darauf werfen, wie die Samtgemeinde zusätzliche Erträge erwirtschaften, wichtige Angebote der Daseinsvorsorge erhalten und die örtlichen Infrastrukturen in ihrer Form sichern kann. Dabei will der Samtgemeinderat auch die Mitgliedsgemeinden im Blick behalten: "Die Samtgemeinde muss lebens- und handlungsfähig bleiben und wir müssen sie fit für die Zukunft machen, deshalb dürfen wir auch den Mitgliedsgemeinden nicht das letzte Wasser abgraben. Wir sitzen alle in einem Boot. Und das ist ein Glück – denn gemeinsam sind wir stärker", meint Kalisch.

Für die neue Samtgemeindebürgermeisterin keine schöne Aufgabe, gleich zu Beginn ihrer Amtszeit den Bürgern erklären zu müssen, dass es nun deutliche Einschnitte geben wird. Doch sie hofft: "Ich stehe für Transparenz und Klarheit. Es nützt nichts, dieses Problem in der Öffentlichkeit zu schmälern oder weiter zu verschieben. Ich baue darauf, dass unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger auch daran interessiert sind, zu erfahren, wie die Lage ist. Und vielleicht werden sie dann auch notwendige Veränderungen besser mittragen können.“

Im Auftrag aller Ratsmitglieder wendet sie sich nun gezielt an die Öffentlichkeit. "Schließlich kann man die Mitbürgerinnen und Mitbürger nur mitnehmen, wenn man ihnen die Situation erklärt – und die Situation ist dramatisch."