Aufgelesen: Am Ziel

Foto: LGheute12.06.2019 - "Die EU ist enorm wichtig und darf nicht den Falschen überlassen werden". So und so ähnlich war es überall vor der Wahl zum EU-Parlament im vergangenen Monat zu hören, allen voran von den Grünen. Jetzt, knapp drei Wochen danach, ist deutlich geworden, was die im Wahlkampf angetretenen Politiker damit gemeint haben: sich selbst. Bei monatlichen Bezügen von mindestens 16.000 Euro für den Job als EU-Kommissar – zuzüglich üppiger Vergünstigungen – sinkt die Beißhemmung gegen Mitbewerber rapide. Doch Franziska Keller, die sich mit einem bescheidenen "Ska" im Vornamen begnügt, reicht das noch nicht.

Die erfolgreiche Spitzenkandidatin der Grünen mit der kennzeichnenden Kurzhaarfrisur erhebt Anspruch auf einen der Top-Posten im EU-Parlament, wie der "Spiegel" in seiner aktuellen Online-Ausgabe unter der Überschrift "Grüne greifen nach EU-Topjobs" berichtet. Kein Wunder, denn die Ämter in der Kommission sind äußerst üppig notiert. "Ein Spitzenbeamter bringt es auf gut 16.000 Euro im Monat. Dazu gibt es Auslands-, Haushalts-, Kinder-, Erziehungs- und Vorschulzulagen. Die Kinder gehen auf EU-Privatschulen, dafür geben Europas Steuerzahler, grob geschätzt, etwa 100 Millionen Euro im Jahr aus", schreibt der Spiegel in seinem Beitrag "Traumjob mit Cashgarantie", der allerdings schon neun Jahre zurückliegt. Inzwischen dürften die Bezüge um einiges gestiegen sein.

Doch auch damals war das noch nicht das Ende der Fahnenstange. Der Spiegel: "Für die politische Spitze muss auf die Saläre der Bediensteten natürlich noch ein Schippchen drauf: 19.910 Euro beträgt das monatliche Grundgehalt für einen Kommissar. Wer dazu noch einen der Vizepräsidenten-Titel ergattert, kommt auf 22.122 Euro. Das macht dann knapp 240.000 Euro im Jahr." Das allerdings nur für die einfachen Kommissare, die nach oben offene Cash-Skala für EU-Kommissare weist laut Spiegel – wohlgemerkt aus dem Jahr 2010 – aus: "Und bei den meisten Top-Europäern kommt noch ein "Ortszuschlag" darauf. So bezieht die neue Außenbeauftragte, die Engländerin Lady Catherine Ashton, rund 323.000 Euro im Jahr. Und darauf kommen weitere Zuschüsse für den Privathaushalt und für repräsentative Aufgaben." 

Und genau das peilt die zielstrebige Ska an, wie der aktuelle Online-"Spiegel" verdeutlicht: "Die Hohe Beauftrage für die Außenpolitik oder der Job des Parlamentspräsidenten seien aber sehr wohl in Reichweite. Auch wenn beide nicht über Namen reden wollten, gilt es als offenes Geheimnis, dass Keller als Parlamentspräsidentin für zweieinhalb Jahre gehandelt wird."

Klar, die Jobs sind befristet und keiner weiß, ob er oder sie, also Ska, jemals wiedergewählt wird. Macht aber nichts, denn es gibt auch Regelungen und Ansprüche für die Zeit danach. Im Beitrag des "Spiegel" aus dem Jahr 2010 heißt es weiter: "Nach 16 Jahren Arbeit für Europa ist der Höchstsatz der EU-Rente erreicht, 70 Prozent des letzten Gehalts. Für die meisten Lebenszeit-Beamten der Oberklasse bedeutet das eine Altersrente von weit über 10.000 Euro im Monat." Und weiter: "Beiträge mussten sie dafür nie zahlen. So viel bringen Kommissare kaum zusammen. Aber selbst wenn sie nur eine fünfjährige Amtsperiode überstehen, liegt ihr Pensionsanspruch allein dafür schon bei fast 5000 Euro pro Monat."

Dass davon in dem aktuellen "Spiegel"-Artikel nichts zu lesen ist, verwundert nicht. Denn damals waren die Grünen noch weit davon entfernt, einen Anspruch auf ein Kommissars-Amt geltend machen zu können. Die Zeiten ändern sich eben, auch beim "Spiegel".