Transparenz oder verschlossene Türen?

Warum ein Heranziehungsantrag der FDP zum Prüfstein für die Ratsfraktionen wird 

Das Rathaus in Lüneburg. Foto: LGheuteLüneburg, 18.03.2023 - Neubaugebiet Wienebütteler Weg – war da nicht was? Ja, dort sollten eigentlich schon längst 340 Wohnungen bezugsfertig sein, doch eine Klage vor dem Oberverwaltungsgericht bremste 2021 das Vorhaben vorerst aus. Nun will die Stadt nicht länger warten und überlegt, auf eigenes Risiko mit der Erschließung des Baugebiets zu beginnen. Kosten des heiklen Unterfangens: 18 Millionen Euro. Weil dies hinter verschlossenen Türen im Verwaltungsausschuss beschlossen werden soll, hat sich jetzt die FDP zu Wort gemeldet.

Konkret geht es darum: Im Verwaltungsausschuss soll darüber abgestimmt werden, ob die Stadt der stadteigenen Abwasser, Grün und Lüneburger Service GmbH (AGL) eine Weisung erteilen soll, das Areal des geplanten Neubaugebiets zu erschließen, obwohl offen ist, ob der dafür beschlossene Bebauungsplan überhaupt rechtens ist. Eine entsprechende Klage ist seit 2021 beim Oberverwaltungsgericht in Lüneburg anhängig, Ergebnis offen. 

◼︎ AGL wird Risiko allein nicht tragen

Das Problem: Die formal selbstständige AGL wird sich hüten, dies auf eigenes Risiko durchzuführen, da sie auf den 18 Millionen Euro teuren Erschließungskosten sitzen bleiben würde, sollte das Gericht den Bebauungsplan kippen. Sollte sie dazu aber von der Stadt angewiesen werden, liegt das Risiko bei der Stadt.

Gegen einen solchen Weisungsbeschluss hätte zwar auch die FDP-Stadtratsfraktion nichts, wohl aber, dass dies im Verwaltungsausschuss, also hinter verschlossenen Türen geschehen soll. Denn wer dort wie abstimmt und welche Argumente für oder gegen eine Weisung vorbringt, bleibt im Unklaren. Außer dem Beschluss selbst darf nichts nach außen dringen.

Das passt der FDP nicht. "Lüneburgs Bürgerinnen und Bürger sollen sich in öffentlicher Sitzung über die zu treffende Entscheidung informieren können",  fordert der FDP-Fraktionsvorsitzende Frank Soldan. Seine Fraktion hat deshalb beantragt, dass der Rat darüber entscheidet und nicht der Verwaltungsausschuss. "Wir stehen für Transparenz und Informationen für alle Lüneburger aus erster Hand. Daher soll der Stadtrat öffentlich zu einer solchen Weisung entscheiden, und die Bürgerinnen und Bürger sollen die Argumente der Ratsmitglieder anhören können."

◼︎ Antrag mit Hindernissen

Ob die FDP mit ihrem Heranziehungsantrag Erfolg haben wird, ist jedoch offen. Denn dafür braucht sie nicht nur die Mehrheit der Ratsmitglieder, das Thema muss in der Sitzung auch behandelt werden. Und das ist nach bisheriger Erfahrung alles andere als ausgemacht. Denn neue Anträge werden stets hinten angestellt und auch nur dann behandelt, wenn die vorrangigen Verwaltungsthemen in der dafür im Rat vorgesehenen Zeitspanne abgearbeitet worden sind – was zuletzt auch nach dreieinhalb Stunden Sitzungsdauer nicht geschafft wurde.

In der kommenden Ratssitzung am 23. März dürfte es daher spannend werden. Denn die Stadtverwaltung unter Führung ihrer grünen Oberbürgermeisterin hat es in der Hand, die Agenda so aufzufüllen, dass der Antrag gar nicht erst zur Abstimmung kommt. So würde die Rathauschefin ihren Grünen gerecht, die dem Neubaugebiet bekanntlich ablehnend gegenüber stehen. Denn: Bis zur darauffolgenden Ratssitzung, in der der Heranziehungsantrag der FDP dann vielleicht zur Abstimmung stünde, könnte der Verwaltungsausschuss sich längst gegen die Weisung an die AGL ausgesprochen haben. Dort haben schließlich die Grünen mitsamt Oberbürgermeisterin die Mehrheit – und dann auch die Erschließung vom Tisch, zumindest bis zur Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts. 

◼︎ Fraktionen müssen Farbe bekennen

Die FDP hätte mit ihrem Heranziehungsantrag also nur dann eine reelle Chance, wenn das Thema auf einem der vorderen Punkte in der Tagesordnung für den 23. März landet. Eines aber ist klar: Die Abstimmung allein darüber wird zeigen, welche Fraktionen sich für die stets von allen Seiten propagierte Transparenz am Ende wirklich einsetzen.