Das Normale im Anderssein

28.07.2022 - Wer sich nicht sicher ist, ob er oder sie Mann oder Frau oder mal dies und mal das oder beides zugleich oder vielleicht doch etwas ganz anderes ist, muss am Vorabend nicht unbedingt zu tief ins Glas geschaut haben. Er oder sie könnte auch einfach nur "queer" sein. Was genau das ist, lässt sich allerdings kaum sagen. Denn eine Festlegung scheuen "Queere" fast noch mehr als gesellschaftliche Vorstellungen von Normalität. Aber fordern sie nicht genau das für sich ein?

Wer schon mal den Christopher Street Day besucht oder sogar aktiv daran teilgenommen hat, mag vor allem dies: schrilles Anderssein und das gemeinsame Ausleben eben dieser Andersheit inmitten einer stinknormalen Gesellschaft. Die Faszination des "CSD" als explosiver Ausdruck zwangsbefreiten Lebens aber braucht das "Normale", wie auch gesellschaftliches Leben ohne das Ventil des Andersseins nicht funktionieren würde. Die "Große Freiheit" auf St. Pauli heißt schließlich nicht zufällig so.

Die "queere" Gemeinschaft steht damit aber vor einem Problem: Denn sie will zugleich anders als auch normal sein. Anders ausgedrückt: Ihr Normalsein ist ihre Andersheit, die wiederum nur im Gegensatz zur Normalität zu haben ist. Es sei denn, irgendwann ist alles "queer". Dann aber ist alles wieder normal.

Dass die Lüneburger Museumsmacher sich nun dieses Themas annehmen, ist zu begrüßen. Nicht, weil die Gesellschaft unbedingt darüber aufgeklärt werden muss, wer sich wann wie und als was fühlt. Das ist und sollte eigentlich Privatsache bleiben. Es ist lediglich deshalb zu begrüßen, weil es vielleicht dazu beiträgt, dass dort die Besucherzahlen mal wieder etwas steigen. Schließlich verschlingt das Museum Jahr um Jahr horrende Steuermittel.

Ein Kommentar von Ulf Stüwe
zum Beitrag "Was Sie schon immer über 'queer' wissen wollten"