Kommen die Luftfilter nun doch noch?

Kreiselternrat kritisiert Politik – Hannover reagiert – Landkreis diskutiert

Schulfenster, die sich nicht öffnen lassen: In Pandemiezeiten keine gute Lösung. Abhilfe sollen deshalb mobile Luftfilteranlagen schaffen. Foto: LGheuteLüneburg, 08.07.2021 - Im Sitzungssaal des Landtags in Hannover stehen schon seit längerem, nun sollen sie auch den Schulen zugute kommen. Die Rede ist von Luftfilteranlagen zur Eindämmung von Coronavirus-Infektionen. Wiederholt hat auch der Kreiselternrat die Bereitstellung dieser Geräte für die Schulen des Landkreises Lüneburg gefordert. Weil die Politik aber untätig blieb, will er nun mit einer Kampagne starten. Das zeigt offenbar Wirkung.

"Es scheint, als würde auch die nächste Sommerpause ungenutzt verstreichen – nach anderthalb Jahren Pandemie ist der Gesundheitsschutz an unseren Schulen weiterhin unzureichend", bemängelt Kreiselternratsvorsitzender Marco Sievers und ruft die politischen Parteien im Lüneburger Kreistag zum sofortigen Handeln auf. Es müsse jede Maßnahme ergriffen werden, um das Infektionsrisiko im kommenden Herbst zu senken und drohende Schulschließungen zu verhindern. Um noch rechtzeitig einen entsprechenden Beschluss herbeizuführen, fordert der Kreiselternrat, dass das Thema erneut am 15. Juli und damit noch vor der Sommerpause im Kreistag behandelt wird. "Aufgrund der Dringlichkeit könnte die Beschaffung der Geräte in einem sogenannten offenen Verfahren mit verkürzten Angebotsfristen erfolgen", sagt Sievers. Am 24. Juni hatte der Kreistag lediglich die Durchführung eines Pilotprojekts an drei Schulen beschlossen.

◼︎ SPD und CDU stimmten gegen die Ausstattung

Im Februar hatte sich der Kreiselternrat in einem offenen Brief an die Parteien und den Schulträger gewandt – Unterstützung für ihre Forderung, in den kreiseigenen Schulen mobile Luftfilter zur Ergänzung der Schutzmaßnahmen einzusetzen, gab es zunächst nur von den Grünen. Im April hatte Sievers nochmals alle Fraktionen angeschrieben und sowohl im Schulausschuss als auch im Bauausschuss des Landkreises für die Anschaffung der Geräte geworben. Herausgekommen war ein Kompromiss, nach dem mobile Luftfiltergeräte für drei Schulen angeschafft und erprobt werden sollten (LGheute berichtete). Für Sievers aber ist das "nicht ausreichend". Zuletzt war ein Antrag der Grünen zur Ausstattung aller Schulen in der Kreistagssitzung an den Mehrheiten von SPD und CDU gescheitert, lediglich die Linkspartei stimmte zu.

Gegen die beiden großen Parteien will der Kreiselternrat aus diesem Grund nun eine Internetkampagne starten. Unter dem Motto "Jetzt handeln – drei mobile Luftfilter sind zu wenig!" werden SPD und CDU aufgefordert, "ihre Blockadehaltung gegen den bestmöglichen Infektionsschutz unserer Kinder endlich aufzugeben".

◼︎ Hannover will 20 Millionen Euro bereitstellen

Die Elternvertreter halten der Kreispolitik entgegen, dass inzwischen sogar Niedersachsens Kultusminister von seiner strikten Haltung gegen mobile Luftreiniger abgerückt sei. Das wurde heute indirekt auch vom Kultusministerium bestätigt. In seiner Antwort auf eine dringliche Anfrage der FDP-Fraktion erklärt Minister Grant Hendrik Tonne, die technische Lüftungsunterstützung in den Schulen "ausbauen und neu justieren" zu wollen. Hierfür werde das Land kurzfristig weitere 20 Millionen Euro bereitstellen. Schwerpunkt dabei sollen auch kurzfristig umsetzbare unterstützende Maßnahmen zur Lüftung von Schulen etwa durch mobile Luftfilteranlagen sein. Allerdings nur dort, wo eine ausreichende Lüftung nicht möglich sei. 

Neu hinzukommen soll, dass für die Unterrichtsräume der Jahrgänge eins bis sechs – für diese Altersgruppe besteht kein Impfangebot – zusätzlich auch die Beschaffung und der Einbau von "sonstigen geeigneten technischen Anlagen" gefördert wird, die das regelmäßige Lüften mit einem ausreichenden Luftaustausch unterstützen und dabei die Raumtemperatur konstant halten sollen. Dabei kann es sich zum Beispiel um Fensterventilatoren handeln, teilte das Ministerium mit.

Die Erkenntnis, dass Luftfilter nicht nur in Sitzungssälen der Landtage, sondern auch in Unterrichtsräumen Sinn machen, "komme reichlich spät", kritisiert Kreiselternratssprecher Sievers. Seit der ersten Schulschließung hätten sich Minister Tonne (SPD) wie auch Landrat Jens Böther (CDU) immer wieder auf das Landesgesundheitsamt berufen, für dessen widersprüchliche Behauptungen keinerlei experimentelle Nachweise erbracht worden seien. 

◼︎ Filteranlagen reduzieren angeblich bis zu 90 Prozent der Aerosole 

"Bereits im Februar hatten wir die Verantwortlichen im Landkreis über die – nach verschiedenen wissenschaftlichen Erkenntnissen – sinnvolle Nutzung von Luftfiltern informiert. Die Nichtbeachtung seitens der Fraktionen von SPD und CDU fanden wir hier schon bemerkenswert", äußert sich Miriam Kaschel, stellvertretende Vorsitzende des Kreiselternrats. Sie weit dabei auf Erkenntnisse von Wissenschaftlern der Goethe-Universität in Frankfurt/M. hin, wonach mobile Filteranlagen innerhalb einer halben Stunde rund 90 Prozent der Aerosole aus einem typischen Klassenzimmer entfernen. 

"Angesichts der Verbreitung der hoch ansteckenden Delta-Variante des Coronavirus wollen wir jetzt Taten sehen und uns nicht in erneute Schulschließungen hineinmanövrieren lassen", erklärt Miriam Kaschel weiter. Wenn nun neue Förderrichtlinien des Landes gelten, "dann sollte die Kreispolitik jetzt schnell handeln".

◼︎ Kreisausschuss will Thema erneut beraten

Den Signalen aus Hannover und dem Druck aus dem Kreiselternrat kann sich nun auch Landrat Böther nicht mehr entziehen. Klar sei für ihn: Noch im Frühjahr hätten die Expertenaussage eher gegen die Luftfilter gesprochen, zumal sich die Klassenräume in den kreiseigenen Schulen gut über die Fenster lüften ließen. "Daran haben wir uns als Verwaltung damals orientiert, und das finde ich auch richtig", sagt Böther. Nun habe sich die Lage aber verändert. "Deshalb habe ich mit den Fraktionsvorsitzenden und heute im Verwaltungsvorstand besprochen, das Thema am Montag im Kreisausschuss erneut zu beraten. In Gesprächen mit den Fraktionsvorsitzenden wurde einhellig deutlich, dass der Landkreis sich an dem Förderprogramm des Landes beteiligen sollte."