Jedes zweite Unternehmen rechnet mit Einbußen

Verhaltene Stimmung in der Wirtschaft  – Einzelhandel weiter Schlusslicht, holt aber auf

Der Konjunkturklima-Index der Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg. Grafik: IHKLWLüneburg, 24.01.2023 - Ist die Wirtschaft nach Corona und trotz Ukraine-Krieg wieder über den Berg? Ganz so positiv sieht es die Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg (IHKLW) zwar noch nicht, doch die jüngsten Wirtschaftsdaten machen Mut. So hat sich die Stimmung in der regionalen Wirtschaft laut IHKLW-Konjunkturumfrage zum Jahreswechsel stabilisiert. Dennoch beeinträchtigen auch weiterhin erhebliche Risiken die geschäftlichen Perspektiven für 2023.

Um 79 Punkte ist der Konjunkturklimaindikator im vierten Qaurtal 2022 gestiegen, ein beachtliches Plus von 15 Punkten im Vergleich zum Vorquartal. An die Spitze des Konjunkturzugs setzte sich im vierten Quartal 2022 die Dienstleistungswirtschaft mit einem Konjunkturklimaindikator von 102 – satte 27 Punkte mehr als im Vorquartal. Es folgen die Industrie mit einem Indikatorstand von 82 (+ 14 Punkte) sowie der Großhandel mit einem Indikatorwert von 73 (+ 6 Punkte).

Der Einzelhandel, der im Herbst in besonderem Maße unter Inflationsängsten und der Kaufzurückhaltung seiner Kunden zu leiden hatte, konnte zwar stolze 40 Punkte gutmachen, bleibt aber mit einem Indikatorstand von 61 weiterhin das Schlusslicht. 

Ihre aktuelle Geschäftslage bezeichnen 23 Prozent aller befragten Betriebe als gut. Mehr als die Hälfte sieht sie zumindest als befriedigend an. 19 Prozent der Unternehmen beurteilen ihre Situation hingegen als schlecht. Der Saldo aus guten und schlechten Lagebewertungen beträgt +4 und legt damit nach steilem Abfall infolge des Ukraine-Krieges erstmals wieder zu. 

◼︎ Skepsis überwiegt

Die Aussichten der Unternehmen auf die Geschäftsentwicklung für das Jahr 2023 sind allerdings weiter von Skepsis geprägt. Aktuell rechnen noch 48 Prozent der befragten Unternehmen mit geschäftlichen Einbußen. Der Anteil der Betriebe, die meinen, ihr Geschäftsniveau halten zu können, ist mittlerweile jedoch auf 44 Prozent angewachsen. Und an eine bessere Geschäftsentwicklung glauben acht Prozent der Unternehmen. Die negativen Vorhersagen überwiegen damit zwar immer noch deutlich, der Blick nach vorn fällt aber nicht mehr so umfassend pessimistisch aus wie noch vor drei Monaten. 

„Die Stimmungsaufhellung ist erfreulich, darf aber nicht dazu verleiten, falsche Schlüsse zu ziehen“, kommentiert IHKLW-Hauptgeschäftsführer Michael Zeinert. Erstens sei der Konjunkturklimaindikator zuvor viermal in Folge abgesackt, sodass er sich auch nach dem aktuellen Anstieg immer noch deutlich unterhalb des fünfjährigen Durchschnitts von 94 Punkten bewegt. Zweitens sei durch den bisher milden Winter und die gut gefüllten Gasspeicher die befürchtete Gasmangellage ausgeblieben. Energie ist – wenn auch zu hohen Preisen – verfügbar. 

◼︎ Energie wieder verfügbar, aber zu hohen Preisen

„Die exorbitanten Preissteigerungen für Energie sind zwar vorläufig gestoppt, das erreichte Preisniveau ist für große Teile der Wirtschaft aber kaum erträglich“, so Zeinert. Eine angemessene Weitergabe der Energiekosten an die Kunden sei vielen Unternehmen nicht möglich, denn diese würden dann auf andere, vor allem ausländische Anbieter ausweichen. Nicht wenige Unternehmen – insbesondere aus der Industrie – mussten ihre Produktion und ihr Angebot wegen der hohen Energiepreise hierzulande bereits reduzieren. Einige erwägen sogar, ihre Produktion selbst ins Ausland zu verlagern. 

"Solchen Entwicklungen müssen wir unbedingt entgegenwirken, zumal die heimische Wirtschaft auch noch den allgegenwärtigen Fach- und Arbeitskräftemangel sowie immense Herausforderungen bei der Transformation in Richtung Klimaneutralität bewältigen muss", so der IHKLW-Chef. "Um all dies zu meistern und schnellstmöglich auf einen nachhaltigen Wachstumspfad umzuschwenken, gehört ein beschleunigter Ausbau der Infrastruktur mit zukunftsfähigen Netzen für Verkehr, Energie und Datentransfer auf die politische Agenda. Der zügige Bau des LNG-Terminals in Wilhelmshaven stimmt uns zuversichtlich und zeigt, dass Deutschland und Niedersachsen schneller werden können."

◼︎ 204 Unternehmen aus der Region befragt

Für die Konjunkturumfrage Nordostniedersachsen haben im Dezember und Januar 204 Betriebe aus den Landkreisen Harburg, Heidekreis, Lüneburg, Lüchow-Dannenberg, Uelzen und Celle ihre aktuelle und künftige Wirtschaftslage eingeschätzt. Zusätzlich bieten die IHKLW und die IHK Braunschweig einen Konjunkturbericht für den Wirtschaftsraum Wolfsburg-Braunschweig an. Beide Berichte mit weiteren Daten, Grafiken und Erläuterungen sind zu finden unter www.ihk.de/ihklw//konjunktur.