Hermann Liedke, der Mann für den guten Klang

Hansestadt, 29.08.2011 - Hermann Liedke, bis 2009 langjähriger Hausmeister des Lüneburger Rathauses und lange Zeit die gute Seele der Stadtverwaltung, ist immer noch ein gefragter Mann. Insbesondere, wenn es um das Glockenspiel des Rathauses geht. Jetzt musste Liedke erneut durch den Dachstuhl auf den Glockenturm klettern, denn eine der 41 Porzellan-Glocken ist kaputt. Hermann Liedke sah sich den Schaden an, beriet sich mit den ehemaligen Kollegen und freute sich über einen Schnack an alter Wirkungsstätte.

„Hermann, was machst du denn hier, wie geht’s?“ – diese Frage musste Hermann Liedke bei seiner kurzen Stippvisite sicher ein Dutzend Mal beantworten. Schließlich hat er 47 Jahre lang gearbeitet, die meiste Zeit davon als gute Seele der Stadtverwaltung, kannte jedes Gesicht, jede Geschichte und jeden Winkel im weit verzweigten Rathaus. „Hermann“ reparierte Türen, wechselte Glühbirnen, schippte Schnee und kümmert sich mit Herz und viel Erfahrung um das Porzellan-Glockenspiel und die ganze Technik, die damit zusammenhängt. Bei all dem war er mit seinem Urgestein-Charme ein viel portraitierter Mann und stellte dabei manchmal sogar den Oberbürgermeister in den Schatten. Vor anderthalb Jahren aber musste Liedke krankheitsbedingt vorzeitig aus dem Berufsleben aussteigen und für längere Zeit das Krankenbett hüten.

Inzwischen geht es wieder, wenn auch alles ein bisschen langsamer: "Wenn ich dann nicht mehr laufen kann, bleib ich einfach mal stehen“. Mit dieser Einstellung sind auch die vielen Treppen hoch zum Rathausturm kein Problem. Hermann Liedke stemmt sich durch die enge Luke, genießt den altbekannten Blick über die Stadt und besieht sich den Schaden am Glockenspiel, das 1955 als größtes seiner Art in der Bundesrepublik in Lüneburg installiert wurde. Die Glocke „Cis 2“ ist defekt, das weiße Porzellan ist einmal rundherum abgebrochen. „Komisch“, meint Hermann Liedke, „eigentlich platzt immer nur’n  Stück raus, aber rundum?“

Früher sei öfter mal eine Glocke kaputt gegangen, erzählt er, meist die kleineren, „die sind stärker beansprucht“. Aber dann kam LIedke auf eine lebensverlängernde Idee: Ursprünglich waren die Klöppel nämlich mit feinem Elchleder bezogen. Das war teuer, hielt aber kaum eine Saison – wo der Bezug abgerieben war, schlug der nackte Klöppel gegen das Porzellan, das ging nie lange gut. Hermann Liedke kam günstig an eine Fuhre Polsterleder heran, und fortan bezogen er und seine Leute regelmäßig alle Klöppel, die es nötig hatten, mit dem haltbaren Bezugsstoff. Das Glockenspiel macht eben Arbeit, es muss gepflegt und gehätschelt und mit der Turmuhr abgestimmt werden, damit auch wirklich erst am Abend „Der Mond ist aufgegangen“ über den Marktplatz klingt – und nicht etwa um 6 Uhr morgens. Auch das ist eine Wissenschaft für sich. Natürlich hat „Hermann“ seine Nachfolger eingewiesen, „aber das kann man nicht so schnell“ ... keine Frage, dass die Kollegen ihn anrufen dürfen.

Zurzeit ist das Glockenspiel ganz verstummt. Nichts geht ohne „Cis 2“. Das gute Stück ist in Meißen nachbestellt. Voraussichtlich Mitte September wird die Glocke geliefert und aufgehängt. Dann klingen sie wieder vorm Rathausturm, die Weisen von Johann Peter Abraham Schulz. Und vielleicht kommt dann auch Hermann Liedke wieder auf einen Sprung vorbei – nur mal hören, ob alles gut klingt.