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Aufgelesen: Hohn und Häme

Die Deutsche Bahn versteigt sich in einem Tweet gegen die AfD-Politikerin von Storch

Foto: LGheute03.10.2023 - Mit Kritik kann nicht jeder gut umgehen. Aktuelles Beispiel ist ein Tweet der AfD-Politikerin Beatrix von Storch, in dem sie sich über die Regenbogen-Markierung an einem ICE der deutschen Bahn mokiert. Die Bahn könne "nur noch woke", schrieb von Storch auf Neu-Twitter "X" und kritisiert, das Unternehmen würde "wie ganz Deutschland nix mehr auf die Kette kriegen, aber im rosa Tütü mächtig viel Regenbogen-Haltung zeigen". Die Bahn ihrerseits schickte sie in ihrer Antwort daraufhin auf Nimmerwiedersehen in die Wüste – und hat damit nur Hohn und Häme nicht nur für die AfD-Politikerin übrig.

Man muss ganz sicher keine großen empirischen Untersuchungen anstellen, um herauszufinden, was Bahn-Kunden wollen. Dies sind – in beliebiger Reihenfolge – fahrende Züge, ankommende Züge, pünktliche Züge, eingehaltene Anschluss-Versprechen, funktionierende Sitzplatz-Garantien, schließende Türen, intakte Klimaanlagen, verlässliche Auskünfte, nicht streikende Lokführer, koordinierte Netzbauarbeiten, digitale Stellwerke, die auch bei Personalmangel ihren Dienst verrichten oder auch im Winter nicht einfrierende Weichen – um nur einige der Punkte zu nennen, die der Bahn seit Jahren und in zunehmender Frequenz vorgehalten werden. 

Doch statt auf die Kritik der AfD-Politikerin einzugehen – sie ist immerhin Bundestagsabgeordnete –, entscheidet sich die Bahn für Häme. In ihrer Antwort schreibt sie: "Wir freuen uns, dass Sie Ihr Ziel trotzdem erreicht haben. Die Rückfahrt fällt leider aus." Mit anderen Worten: Wer uns kritisiert, den setzen wir aus. Dass von Storchs Fahrt mit dem Regenbogen-ICE erst mit 25-minütiger Verspätung startete und dann auch noch eine weitere Verspätung von 15 Minuten hinzu kam, sei nur am Rande notiert. Aber auch das interessierte die Bahn offenkundig nicht. 

Nun muss die Bahn ja nicht mit jeder Kritik einverstanden sein, doch für ein Unternehmen dieser Größe sollte es eigentlich selbstverständlich sein, souverän damit umzugehen. Wozu vor allem gehört, auf die vorgebrachte Kritik einzugehen und mit Argumenten dagegen zu halten. Doch nichts dergleichen erfolgt. Stattdessen verhöhnt die Bahn die Politikerin, indem sie sie per Foto-Animation in die Wüste schickt.

Das muss man sich trauen, vor allem dann, wenn Hunderttausende kritische Bahnkunden dieses Verhalten als Verhöhnung ihrerselbst empfinden dürften. Warum die Bahn es trotzdem macht, lässt sich nur vermuten: Vielleicht, weil sie meint, auf die AfD unbeschadet draufhauen zu können? Das wäre fatal, schließlich geht es bei Kritik nicht darum, wer sie vorgebracht hat, sondern ob sie berechtigt ist. Daran aber hapert es derzeit nicht nur beim Thema Bahn.