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Aufgelesen: Darf ein Krankenhaus ein militärisches Ziel sein?

Aufschlussreiches Interview des Deutschlandfunks mit dem Völkerrechtler Wolff Heintschel von Heinegg

Foto: LGheute03.11.2023 - Darf man Zivilisten in Gefahr bringen oder gar Krankenhäuser bombardieren, um Terroristen zu töten? Diese Frage steht im Raum, seit Israel erklärt und begonnen hat, die palästinensische Terrororganisation Hamas nach deren Verbrechen vom 7. Oktober zu vernichten. Israel sieht sich seitdem zunehmend internationalem Druck ausgesetzt, mehr Rücksicht auf die Zivilbevölkerung zu nehmen. Für Prof. Dr. Wolff Heintschel von Heinegg ist die Antwort klar: Ja, man darf. Er muss es wissen.

Wolff Heintschel von Heinegg ist Professor für öffentliches Recht und Völkerrecht an der Viadrina-Universität in Frankfurt/Oder. In einem Interview im Deutschlandfunk wurde er gefragt, ob Israel in einem dicht besiedelten Gebiet, noch dazu mit einem palästinensischen Flüchtlingslager, dort bombardieren darf "unter Inkaufnahme, dass es mutmaßlich hohe Verluste geben kann für die Zivilbevölkerung", wie der Moderator ausführte.

Ja, man darf, sagt von Heinegg unter Verweis darauf, dass die Israelis bei ihrem Angriff dort von der Existenz militärischer Ziele ausgegangen sind. "Und da hält das Völkerrecht relativ klare Regeln vor: Bei Angriffen auf zulässige militärische Ziele, das können Kommandoposten, Waffenlager, Abschussrampen und ähnliches sein, ist es nicht verboten, diesen Angriff durchzuführen, wenn zu erwarten ist, dass Zivilpersonen in Mitleidenschaft gezogen werden. Es sei denn, dieser erwartete sogenannte Kollateralschaden stehe in einem exzessiven Missverhältnis zum erwarteten militärischen Vorteil", so von Heinegg. Das wiederum hänge von der Beurteilung des jeweiligen Einzelfalls ab.

Klar sei aber: Nur weil bei einem Angriff auch Zivilpersonen getötet oder verwundet werden können, bedeute dies nicht, dass der Angreifer, in diesem Fall also Israel, von seinem Vorhaben Abstand nehmen müsse, so der Völkerrechtler.  

Was aber, wenn Terroristen ihre Kommandozentrale unter einem Krankenhaus eingerichtet haben, wie Israel es der Hamas vorwirft? Kann ein Krankenhaus ein legitimes militärisches Ziel sein, will der Moderator wissen. Die Antwort von Heideggs ist eindeutig: "Ja, auf jeden Fall." Auch wenn ein Krankenhaus als besonders geschütztes Objekt gelte, "ist es in der Tat so, dass auch dieses durch einen Missbrauch für militärische Zwecke zu einem zulässigen militärischen Ziel werden kann".

Auch auf den Hinweis des Moderators, dass ein solcher Angriff zu einem "riesigen Blutbad" führen könne, bleibt der Völkerrechtler eindeutig: "Es wäre naiv zu glauben, dass man bewaffnete Auseinandersetzungen gerade in einem solchen Gebiet wie im Gazastreifen, der ja nicht besonders groß ist, stark besiedelt ist, dass man hier einen bewaffneten Konflikt führen könnte, bei dem die Zivilbevölkerung und einzelne Zivilpersonen mehr oder weniger völlig verschont bleiben."

Und von Heinegg weist auch auf einen weiteren Punkt hin: Die Tatsache, dass die Hamas Zivilpersonen als Schutzschilde nutzt, sei nicht nur ein Verstoß gegen das Völkerrecht, "es ist ein Kriegsverbrechen". 

Das Interview (Dauer: 6:32 Minuten) kann hier nachgehört werden.