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Beim Brunnen fließen die Emotionen

Kritik und Zustimmung auf der Bürgerversammlung für den neuen Brunnen am Sande

Hansestadt, 09.05.2012 - Sie sei nun doch etwas erleichterter, sagte die Dame aus dem Publikum, die anfangs noch skeptisch auf das Modell für den neuen Brunnen am Sande geschaut hatte. Doch vermutlich war sie nur eine von Wenigen, die nicht mit der gleichen Überzeugung wieder den Heimweg antraten, mit der sie gestern Abend in die Industrie- und Handelskammer gekommen waren. Dorthin hatten die Hansestadt und der Verein Lüneburger Kaufleute eingeladen, um über den aktuellen Stand der Planungen für die Errichtung eines neuen Brunnens am Sande zu informieren.

"Hätten wir bereits 2002 das Geld gehabt, würde der Brunnen längst stehen", sagte Oberbürgermeister Ulrich Mädge, und dabei klang ein wenig Verwunderung durch, warum der Brunnen nun plötzlich wieder in Frage gestellt wird. In der Tat scheiterte es damals nur an finanziellen Mitteln, um den "von vielen Menschen dieser Stadt gewollten Brunnen", so Mädge, bauen zu lassen. Ein bundesweit ausgeschriebener Ideen-Wettbewerb war bereits im Jahr 2000 durchgeführt, eine fachkundige Jury hatte sich einstimmig für den Entwurf ausgesprochen, der jetzt umgesetzt werden soll, und auch der Kulturausschuss der Stadt hatte 2002 grünes Licht gegeben. Doch damals hatte die Stadt dafür kein Geld, Spender oder Sponsoren standen nicht bereit.

|| Neuer Entwurf mit kleinen Änderungen ||

Heute, zehn Jahre danach, ist das Geld fast beisammen, das Wort der Jury gilt immer noch, und auch der Entwurf ist fast immer noch derselbe. "Ich habe kleine Änderungen vorgenommen, aber da muss man schon sehr genau hinschauen, um sie zu erkennen", erklärt Doris Waschk-Balz den Zuhörern, die sich aufmerksam um den Tisch mit den beiden Modellen, dem alten und dem neuen, versammeln und verstehen wollen, was die Künstlerin bewogen hat, ihren Brunnen so und nicht anders zu gestalten.

"Ich verstehe nicht, welchen Bezug Ihre viel zu groß geratenen Figuren und deren Haltung auf dem Brunnen zu den tatsächlichen Grapengießern von früher haben. Wurden Sie denn nicht auf diese Umstände hingewiesen?", wollte eine Frau aus dem Publikum wissen. Architekt Heinz Meyer, der für die Unterkonstruktion des Brunnens zuständig ist, sieht das anders: Die Grapen seien durchaus mächtige Geräte gewesen, 25 bis 30 Kilogramm schwer und 60 bis 70 Zentimeter breit. "Blödsinn", ruft ein Mann mehrfach dazwischen, doch das lässt der Oberbürgermeister nicht zu und mahnt, sachlich zu bleiben, als er persönlich attackiert wurde.

"Hier kommt jeder zu Wort, deshalb sind wir hier", und dieses Versprechen hielt Mädge auch konsequent durch. Keine Frage viel unter den Tisch, doch schon bald zeigte sich, dass die persönlichen Sichtweisen ausschlaggebend waren, ob man dem Entwurf letztlich zustimmen konnte oder nicht. "Ich persönlich finde den Brunnen schauderhaft, aber darum geht es nicht", bekannte eine andere Teilnehmerin des Abends. Sie sei vielmehr schockiert, dass man erst jetzt informiert werde, wo schon alles gelaufen sei.

Das ließ der Oberbürgermeister nicht auf sich sitzen. Er versuchte aufzuzeigen, dass jeder Interessierte die Chance gehabt habe, sich umfassend zu informieren. "Wir hatten zahlreiche öffentlichen Diskussionen gehabt, intensiver geht es gar nicht", so Mädge.

|| "Wasser wird die Menschen anziehen" ||

Unterstützung bekam Mädge von Angela Schoop, der neuen Vorsitzenden des Lüneburger Kunstvereins, die auch in der Jury saß, als über den Entwurf entschieden wurde. Sie hob hervor, dass Kunst, wie die jetzt vorgestellte, für eine Stadt wie Lüneburg wichtig sei. Ihr sprang auch Christian von Stern, Geschäftsführer der Landeszeitung, bei. Zwar könne er ein Kunstobjekt  nur nach "gefällt mir oder gefällt mir nicht" einordnen, doch an diesem Entwuf gefalle ihm, dass Wasser das Leitmotiv der Brunnens sei. "Das zieht Menschen an den Platz und es passiert dort etwas", so von Stern. Wieder ein anderer Teilnehmer fühlte sich an Stuttgart 21 erinnert: "Jetzt, wo es an die Realisierung geht, kommt plötzlich Kritik auf, das verstehe ich nicht."

Doch gerade der hervorgehobene Standort vor der IHK machte offenbar vielen der anwesenden Gäste zu schaffen. "Ist es nicht möglich, noch einmal über den Standort zu diskutieren?" wollte eine Dame wissen. Möglich sei alles, aber es dürfte nicht einfach sein, einen angemessenen Platz dafür zu finden, sagte Mädge. "Und der Kurpark kommt dafür nicht in Frage, denn hier geht es um Kunst im öffentlichen Straßenraum", stellte er klar.

Für Hiltrud Lotze, Mitglied in der SPD-Ratsfraktion und ebenfalls Gast im Publikum an diesem Abend, habe der Brunnen seine Aufgabe bereits jetzt erfüllt. "Kunst soll zur Diskussion anregen, und die Diskussion heute finde ich klasse", sagte Lotze, die bekannte, dass sie inzwischen ihren Frieden mit dem Brunnen gemacht habe.

Der Oberbürgermeister ließ aber auch durchblicken, dass hinsichtlich der Gestaltung vermutlich noch nicht alles in Stein gemeißelt sei: "Wir wollen an dem Entwurf noch Änderungen, die auch jetzt vorgenommen werden", sagte Mädge. Am 15. Mai soll der neue Entwurf von der Künstlerin dem Kulturausschuss noch einmal vorgestellt werden. Ob dann eine Entscheidung für oder gegen den Brunnen getroffen werde, blieb aber offen.

|| Brunnen soll noch 2012 fertig werden ||

Eines scheint aber bereits festzustehen: Der Brunnen soll bis Ende 2012 fertig gestellt sein. Das ist die Zielvorgabe des Vereins Lüneburger Kaufleute, die den Brunnen aus Spendenbeiträgen ihrer Mitglieder finanzieren. Bis jetzt seien dafür 143.000 Euro zusammen gekommen, berichtete Martin Aude, Präsident des Vereins. Der Verein hatte die Finanzierung zu Beginn dieses Jahres übernommen.

Anlass ist das 100-jährige Jubiläum des Vereins, und, wie Aude sagte, "ein außergewöhnlicher Zufall". Denn ebenfalls in diesem Jahr jähre sich auch das Bestehen der Lüneburger Kaufmannsvereinigung, aus der der Verein Verein Lüneburger Kaufleute  hervorgegangen ist, zum sechshundertsten Mal. "1412, das war auch das Jahr, an dem zuletzt der Hansetag in Lüneburg stattgefunden hatte", so Aude. Für seinen Verein sei dies alles Grund genug gewesen, der Stadt den Brunnen zu schenken.