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Stadt bekommt 70 Millionen und erhöht die Steuern

Rat stimmt Entschuldungsvertrag zu - Grund- und Gewerbesteuern steigen ab 2014 erneut

Hansestadt, 21.09.2012 -  Mit großer Mehrheit hat der Rat der Stadt gestern dem Abschluss eines Entschuldungshilfevertrags zwischen der Hansestadt und dem Land Niedersachsen zugestimmt. Mit dem Vertrag wird das Land 70 Millionen Euro der bei der Stadt aufgelaufenen Liquiditätskredite übernehmen. Im Gegenzug muss die Stadt für die kommenden zehn Jahre einen ausgeglichenen Ergebnishaushalt vorlegen, sich bei den freiwilligen Leistungen einschränken, Grundstücke und Liegenschaften verkaufen und erneut die Grund- und Gewerbesteuern erhöhen.

"Heute haben wir die Möglichkeit, dem Vertrag, so wie er ist, zuzustimmen, oder ihn in Gänze abzulehnen", machte Heiko Dörbaum, Fraktionschef der SPD, gleich zu Beginn klar und legte auch die Richtung fest: "Wir müssen zustimmen, weil der Vertrag die Zukunftsfähigkeit der Stadt erhöht." Der Vertrag sei eine einmalige Chance, die Finanzsituation der Stadt zu stabilisieren und pro Jahr 1 Million Euro an Zinsen einzusparen.

|| Entlastung nicht zum Nulltarif ||

Allerdings ist dies für die Stadt nicht zum Nulltarif zu haben. Denn der Vertrag sieht vor, dass der Ergebnishaushalt der Stadt für die nächsten zehn Jahre ausgeglichen sein muss und das Volumen der sogenannten freiwilligen Leistungen - also Förderungen beispielsweise von Vereinen, Sport, Theater und Museumslandschaft - auf 3,52 Prozent eingefroren wird. Zudem verpflichtet sich die Stadt, Grundstücke und Liegenschaften im Wert von 4,5 Millionen Euro zu verkaufen.

Besonders schwer zu schlucken hatten alle Ratsmitglieder an der Vorgabe, die Hebesätze bei den Grund- und Gewerbesteuern um jeweils 30 Prozentpunkte ab 2014 anzuheben. Die Hansestadt - sie hatte erst im vergangenen Jahr die Hebesätze erhöht - wird damit künftig zehn Prozent über den Durchschnittshebesätzen vergleichbarer Städte liegen, so will es der Vertrag.

|| "Erpressung" und "Verfassungsbruch" ||

Diese Vorgabe des Landes wertete die CDU als klaren Verfassungsbruch, da damit den Kommunen das Recht genommen werde, selber über die Erhebung von Steuern zu entscheiden. "Der Vorschlag der CDU", so Dr. Gerhard Scharf, "die freiwilligen Leistungen um einen Faktor X zu kürzen, damit alle Lüneburger ihren Teil zur Entschuldung der Stadt beitragen", sei vom Land aber abgelehnt worden. Scharf daher: "Wir werden Kröten schlucken, schlucken, schlucken - und zustimmen."

Gegen den Vertrag stimmten die Linken, die den Vertrag als "Erpressung des Landes" bezeichnete. Die Anhebung der Grundsteuer würde nicht Vermieter und Investoren treffen, sondern am Ende die Mieter, da die Grundsteuer Teil der Nebenkosten sei und somit durchgereicht würde. Michèl Pauly, Fraktionschef der Linken, gab auch zu Bedenken, dass sich bei Einbruch der Konjunktur die Situation für die Stadt drastisch verschärfen könnte. "Dann heißt es entweder, wir können die Vereinbarung zur Entschuldungshilfe nicht mehr einhalten und müssen das Geld im Zweifel zurück nach Hannover schicken, oder wir kürzen bei kommunalen Leistungen in bisher nicht vorstellbarem Umfang."

|| Weitere Steuererhöhungen nicht ausgeschlossen ||

Als Gefahr für Gewerbe- und Industrieansiedlungen bezeichnete Birte Schellmann von der FDP den Vertrag. Auch sie mahnte vor steigenden Mieten, die ohnehin wegen der anstehenden Sanierungen durch die Energieeinsparverordnung auf die Mieter zukämen. Schellmann zeigte auch auf, dass auch nach der vorgesehenen Anhebung der Hebesätze weitere Steuererhöhungen nicht auszuschließen seien, wenn die Steuern der Stadt stets zehn Prozent über den Durchschnittshebesätzen in Niedersachsen liegen müssten.

Andreas Meihsies, Chef der grünen Stadtratsfraktion, hielt seinen Vorrednern entgegen: "Nur, wer den Vertrag nicht gelesen hat, kann so reden." Den Linken warf er vor, mal die Steuern anheben zu wollen, dann aber wieder nicht. Und zur CDU: "Sie wollen mit der Kürzung der freiwilligen Leistungen die Vereine also noch weiter knebeln." Für ihn komme die CDU daher als Gesprächspartner, wenn es darum gehe, den sozialen Frieden in der Stadt sicherzustellen, nicht mehr in Betracht.

Der Vertrag wurde am Ende mit den Stimmen von SPD, CDU und Grünen angenommen, dagegen sprachen sich die FDP und die Linkspartei aus, Piraten und RRP enthielten sich der Stimme.