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Abrechnung im Rat

Rat verabschiedet Haushalt 2013 mit leichtem Überschuss - FDP/RRP und Linke lehnen Entwurf ab

Hansestadt, 23.12.2012 - Erstmals seit 2008 hat die Stadt wieder einen ausgeglichenen Haushalt. Mit einem Überschuss von 750.000 Euro wurde der Haushaltsentwurf 2013 am vergangenen Donnerstag mit den Stimmen von SPD, Grünen und Piraten vom Rat der Hansestadt verabschiedet. Deutliche Kritik und Ablehnung hingegen gab es von FDP/RRP und Links-Partei, und auch die CDU sparte mit starken Worten nicht, doch wollte sie es am Ende bei einer Enthaltung belassen.

Wie sehr aber das geringe Haushalts-Plus noch auf wackeligen Beinen steht, machte selbst Stadtkämmerin Gabriele Lukoschek bei der Vorstellung ihrer Zahlen deutlich: "Es ist und bleibt die Gewerbesteuer, die unseren Haushaltsplan bestimmt." Unerwartet niedrige Gewerbesteuern hatten bereits das Ergebnis 2012 deutlich verschlechtert.

Die Zahlen für 2013 sehen im Ergebnishaushalt Aufwendungen von 206,70 Millionen Euro vor, denen 207,44 Millionen Euro bei den Erträgen gegenüberstehen und zu einem Überschuss von rund 750.000 Euro führen. Das Investitionsvolumen beträgt 20,24 Millionen Euro, die Nettoneuverschuldung beträgt 2,24 Millionen Euro.

Noch zu Beginn der Haushaltsberatungen vor zwei Monaten sah es düster aus: Ein Defizit von rund 5 Millionen Euro galt es zu stemmen, geholfen hat dabei am Ende im Wesentlichen der mit dem Land Niedersachsen abgeschlossene Entschuldungshilfevertrag. Durch Übernahme von rund 70 Millionen Euro Altlasten bei den Kassenkrediten wird die Hansestadt nicht nur diesen Schuldenposten auf einen Schlag los, auch die Zinsleistungen sinken dadurch deutlich. Doch immer noch lastet auf der Stadt allein bei den Kassenkrediten ein Schuldenberg von rund 105 Millionen Euro.

Mit dem Entschuldungsvertrag aber waren auch Vorgaben verbunden, die jetzt erstmals in der Haushaltsplanung berücksichtigt werden mussten: Das Vorlegen ausgeglichener Haushalte für die kommenden zehn Jahre. Dem Team um Stadtkämmerin Lukoschek ist dies - zumindest auf dem Papier - gelungen: nach dem nur leichten Überschuss in 2013 sollen sich, so der Entwurf, die Überschüsse von 1,9 Millionen Euro in 2014 bis auf 2,4 Millionen Euro in 2016 steigern.

Dass hierfür nach 2011 jetzt erneut die Hebesätze bei den Grund- und Gewerbesteuern angehoben werden müssen, ist die Kehrseite des Vertrags und für die Stadt nicht ohne Risiko, wie Lukoschek ausführte: "Wie schnell ein Plan ins Wanken gerät, haben wir in diesem Jahr erfahren." Während woanders die Steuerquellen sprudelten, sei in der Stadtkasse nur wenig angekommen. Und: In den letzten fünf Jahren, so Lukoschek, habe das Jahresergebnis bei der Gewerbesteuer zwischen 20 und 40 Millionen Euro geschwankt. Doch tröstete sie sich damit, dass Lüneburg damit nicht allein sei: "Jede dritte Kommune in Lüneburg muss sich als notleidend bezeichnen."

Zwar sei der Entschuldungsvertrag wichtig und richtig, "aber er kann nicht unser Problem lösen, denn die Ursache ist, dass wir keine verlässlichen Erträge, keine Einnahmen haben", so sie Stadtkämmerin. Hilfe erwartete sie daher nun mit Blick auf Bund und Land durch die Umsetzung des beschlossenen Fiskalpakts, "damit die versprochenen Gelder auch endlich ankommen."

Unterdeckungen im Haushalt machte Lukoschek aber auch bei Aufgaben aus, die vom Landkreis auf die Stadt übertragen worden seien wie die Unterbringung von Asylsuchenden oder Leistungen in der Grundsicherung und beim ÖPNV. Auch die Absenkung des Hebesatzes für die Kreisumlage um 1 Prozentpunkt führe nicht zu der gewünschten Entlastung, da die Beträge absolut betrachtet von jetzt 37 Millionen Euro sogar bis auf 43 Millionen Euro in 2016 ansteigen würden.

Um notwendige Investitionen wie in den Bereichen Schule, frühkindlicher Bildung, Kultur und Sport sowie Straßenbau dennoch vornehmen zu können, tragen neben dem Einwerben von Drittmitteln Erträge durch den Verkauf von Grundstücken bei. In 2013 sollen dadurch 3,1 Millionen Euro in den Haushalt fließen.

Trotz der angespannten Finanzlage will die Stadt dennoch weiter investieren. So ist nach der Nettoneuverschuldung in 2013 mit rund 2,2 Millionen Euro in 2014 sogar ein Volumen von 4,3 Millionen Euro für den geplanten Ausbau von Ganztagsschulen vorgesehen.

Lob und Kritik - Der Schlagabtausch der Fraktionen

|| "Ambitioniertes Sparprogramm" ||

Für Heiko Dörbaum, Fraktionsvorsitzender der SPD, sind die wesentlichen Ziele, Ideen und Vorstellungen aus dem rot-grünen Gruppenvertrag in den Haushaltsentwurf eingeflossen, auch wenn infolge des "ambitionierten Sparprogramms" Wünsche offen geblieben seien. Als Schwerpunkte kennzeichnete Dörbaum den Ausbau des Bildungs- und Kulturangebotes der Stadt, den Einsatz erneuerbarer Energien und die Stärkung der Energieeffizienz sowie die Schaffung bezahlbaren Wohnraums. Letzteres, so Dörbaum, ginge jedoch nur, wenn Bund und Land günstige Flächen sowie Subventionen dafür bereitstellten. Zudem sollen Investoren künftig verpflichtet werden, in neuen Stadtquartieren auch bezahlbare Wohnungen anzubieten. Im Bildungsbereich stünden der Ausbau der Ganztagsschulen und die Nachmittagsbetreuung sowie der Ausbau der Kita- und Krippenplätze weit oben auf der Liste. Im Kultursektor führte Dörbaum die aktuellen Neubauprojekte auf und wies darauf hin, dass Lüneburg im vergangenen Jahr stattliche 78 Euro pro Einwohner für Kultur ausgegeben habe.
Den Antrag der CDU, auf das geplante 50.000 Euro-Fahrradprojekt zur kostenlosen Bereitstellung von 50 Fahrrädern zu verzichten und die Kita-Entgelte nicht wie geplant um 2 Prozent zu erhöhen, fand ebenso keine Zustimmung bei der SPD wie der CDU-Antrag, auf die Neugestaltung der Gedenkstätte für die ehemalige Synagoge zu verzichten.

|| Grüne: "Regieren ohne Geldausgeben möglich" ||

Andreas Meihsies, Fraktionschef der Grünen, hob hervor, dass der Haushalt durch Sparsamkeit und Bescheidenheit gekennzeichnet sei. Rot-Grün definiere sich nicht über das Geldverteilen, sondern über Projekte. "Wir haben gezeigt, dass Regieren in Lüneburg auch ohne Geldausgeben möglich ist", sagte Meihsies, der allerdings einräumte, dass die aktuelle Finanzsituation auch keine großen Spielräume zulasse. Die Erhöhung der Steuern sei daher notwendig, so der Grünen-Chef, der sich ausdrücklich zur Bettensteuer bekannte. Meihsies dankte der SPD für das erste gemeinsame Regierungsjahr, und der Opposition dafür, "dass Sie nicht besonders auffällig gewesen sind".

|| CDU: "Faktisch pleite" ||

Ebenfalls deutliche Worte fand Eckhard Pols, Fraktionsvorsitzender der CDU. Für ihn sei die Stadt nach 20 Jahren mit Oberbürgermeister Ulrich Mädge an der Spitze "faktisch pleite". Der Entschuldungsvertrag sei nicht irgendein Vertrag, so Pols, dabei gehe es vielmehr "um die Handlungsfähigkeit unserer Heimatstadt." Doch mit den 70 Millionen vom Entschuldungsvertrag glaube Rot-Grün wieder Luft für neue Ausgaben auf seinen "Spielwiesen" zu haben. So kritisierte Pols das geplante Fahrrad-Projekt, das nicht zu den Kernaufgaben der Stadt gehöre, zumal mögliche Einnahmen komplett an die Bahn AG abgeführt werden sollen. Da dieses Projekt obendrein noch durch Erhöhung der Kita-Gebühren gegenfinanziert werden solle, befand Pols: "Grün-Rot nimmt den Eltern Geld weg und kauft Fahrräder." 
Zur Neugestaltung der Gedenkstätte für die ehemalige Synagoge erinnerte Pols daran, dass es bereits eine zentrale Gedenkstätte in der Lindenstraße gebe. Und mit Blick auf den mit 10.000 Euro deutlich zu gering angesetzten Posten für den Bürgerhaushalt kritisierte Pols, dass die Mehrheitsgruppe den Bürgern lediglich Sand in die Augen streue.
Als äußerst problematisch bezeichnete Pols zudem die Zuwendungen diverser Gesellschaften der Gesundheitsholding zur Deckung freiwilliger Leistungen. "Gerade vor dem Hintergrund der äußerst angespannten Lage der Krankenhausfirmen ist es geradezu fahrlässig, hier Geld den Teilbetrieben zu entziehen", sagte Pols.

|| FDP: "Rechnung ohne den Wirt" ||

Birte Schellmann, Fraktionsvorsitzende von FDP/RRP, machte zunächst ihrem Unmut darüber Luft, dass die Verwaltung den Ratsmitgliedern mit dem ersten Entwurf einen Haushalt vorgelegt habe, der mit einem Defizit von 5 Millionen Euro gar nicht genehmigungsfähig gewesen wäre. Erst in einem dritten Anlauf habe die Verwaltung dann die Kurve bekommen, und das auch erst 9 Tage vor der Ratssitzung. "Der Bürger hat einen Anspruch darauf, dass wir Ratsmitglieder in den Ausschüssen gut durchdachte Fragen stellen und nicht im Schweinsgalopp Vorlagen schlucken und gleich verabschieden", so Schellmann.
Inhaltlich kristisierte Schellmann, dass die Planung wie schon 2012 von unrealistisch hohen Einnahmen ausgehe. Sie erinnerte daran, dass die Stadt in 2012 Gewerbesteuereinnahmen von rund 41 Millionen Euro geplant, aber nur 33 Millionen Euro eingenommen habe. In diesem Jahr plane die Stadt sogar 43 Millionen Euro ein, obwohl Wirtschaftsexperten im günstigsten Fall von einer Stagnation der Wirtschaft ausgingen, so Schellmann. "Wir haben die schlimme Befürchtung, dass Sie auch bei anderen geplanten Mehreinnahmen die Rechnung ohne den Wirt machen", sagte Schellmann mit Blick auf die Ausweitung der Hunde- und der Bettensteuer.
Ein düsteres Bild zeichnete Schellmann auch bei der Entwicklung der Kassenkredite. Diese würden sich aktuell bereits auf mindestens 162 Millionen Euro belaufen, Tendenz deutlich steigend. "Gegenüber dem Stand 2011 abzüglich Entschuldung werden sich die Kassenkredite per Ende 2013 schon wieder um rund 30 Prozent erhöht haben", prophezeite Schellmann. Ständig weiter steigende Kassenkredite aber bedeuteten nichts anderes, als dass unterm Strich eben doch kein ausgeglichener Haushalt vorliege.

|| Linke: "Aktive Kontrollverweigerung" ||

Michèl Pauly, Fraktionschef der Links-Partei, nutzte die Haushaltsberatungen für eine grundlegende Kritik an der Arbeit der Stadtverwaltung und der rot-grünen Mehrheitsgruppe. "Wir Ratsmitglieder haben eine Kontrollfunktion gegenüber der Verwaltung", so Pauly, doch Rot-Grün zeichne sich durch "aktive Kontrollverweigerung" aus und greife auch noch diejenigen an, die diese notwendige Kontrolle einforderten. Nicht vergessen hatte Pauly auch die "kackdreiste Bereicherung" bei den Aufwandsentschädigungen des Rates gleich zu Beginn der laufenden Wahlperiode und handelte sich mit dieser Bemerkung eine Rüge des Ratsvorsitzenden ein. Aber auch beim aktuellen Haushaltsentwurf sparte Pauly nicht mit Kritik. Mit 540 Seiten Umfang sei der Entwurf deutlich zu groß und demonstriere "Steuerungsunfähigkeit". Er unterstellte Absicht dahinter und plädierte für ein rigoroses Einstampfen der im Haushalt aufgeführten Produkte. Statt unnötiger Prestige-Objekte, die immer noch den Haushalt 2013 dominierten, regten die Linken eine stärkere Ausrichtung auf soziale Belange wie die Einführung einer Sozialcard an, "damit diejenigen, die ins Museum und Schwimmbad gehen möchten, dort auch hinkommen können."

|| Piraten: "Unter Schmerzen gelungen" ||

Torbjörn Bartels, Fraktionschef der Piraten-Partei, erkannte die Leistungen an, die von allen Beteiligten erbracht worden seien, um den vom Entschuldungsvertrag geforderten ausgeglichenen Haushalt zu erzielen. "Uns ist dies gelungen, wenn auch - zumindest für mich - unter deutlichen Schmerzen", sagte Bartels. Die erneute Anhebung der Grund- und Gewerbesteuer würden aber nicht nur ihm, sondern allen Lüneburgern weh tun. Deshalb hätten die Piraten auf Änderungen und zusätzliche Wünsche verzichtet. Bartels lobte zudem die Transparenz bei der Aufstellung des Haushalts, wünschte sich aber auch in diesem Bereich noch weitere Verbesserungen.

|| "Schuld ist immer der OB" ||

Für Oberbürgermeister Ulrich Mädge ist der Entwurf ein Haushalt, der den Ansprüchen der Stadt gerecht werde. Zur vorgetragenen Kritik erinnerte er daran, dass alles gemeinsam in den Ausschüssen beschlossen worden sei, "aber am Ende ist immer der OB schuld". Mädge erwarte zudem von denjenigen, die stärkere Kürzungen im Haushalt wollen, konkrete Angaben, wo dies geschehen solle. Den Verkauf des "Tafelsilbers" zum Schuldenabbau jedenfalls lehne er ab. Im Übrigen erwarte er, dass die Mittel für den Kita-Ausbau auch vom Land weitergereicht werden und bei der Stadt ankämen.