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Wenn Realität die Politik einholt

Lüneburgs Oberbürgermeister fordert wie CSU-Chef Seehofer schnellere Abschiebungen und Transitzonen – und erntet Kritik von der Linkspartei

Immer mehr Flüchtlingsunterkünfte wie diese am Ochtmisser Kirchsteig werden in Lüneburg benötigt. Doch es fehlt an Conatinern ebenso wie an geeigneten Aufstellplätzen. Foto: LGheuteLüneburg, 18.10.2015 - "Ich stelle fest, dass im Bund die Realität noch nicht angekommen ist." Die Worte, die Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge beim Thema Flüchtlinge diese Woche in Richtung Berlin sandte, waren mehr als deutlich. Nicht nur Lüneburg, die Kommunen insgesamt in Deutschland seien mit der großen Zahl der Flüchtlinge überfordert, sagt Mädge, SPD-Mitglied und Vizepräsident des deutschen Städtetags. Das allein war schon deutlich. Bundesweit aber verschaffte Mädge sich mit dem Hinweis Aufmerksamkeit, dass er die Forderungen von CSU-Chef Seehofer unterstützt: schnellere Abschiebungen und Transitzonen. Die Links-Partei kritisiert Mädges Vorstoß und wirft ihm vor, "Öl ins Feuer der Fremdenfeinde zu gießen". 

"Da muss man sich doch die Augen reiben, dass sich ein sozialdemokratischer Oberbürgermeister zu solch plumpen Äußerungen hinreißen lässt“, kritisiert der Pressesprecher der Lüneburger Links-Partei, David Amri, die Äußerungen des Lüneburger SPD-Politikers. "Herr Mädge sollte sich mehr Gedanken machen, welche Klientel er mit solchen Äußerungen bedient."

Mädge hatte zu Beginn dieser Woche die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung als realitätsfern kritisiert – und sich offen hinter CSU-Chef Horst Seehofer gestellt. "Ich stelle fest, dass im Bund die Realität noch nicht angekommen ist. Da gibt es einen, der sie offen anspricht, der auch mit seinen Bürgermeistern und Landräten spricht, und das ist Horst Seehofer", sagte Mädge dem Radiosender NDR-Info.

Die Realität in den Kommunen sehe so aus, dass Flüchtlinge "in unbegrenzter Zahl" dort ankommen und "irgendwie" auf Notunterkünfte verteilt werden müssten. Diese Lager seien aber häufig überfüllt und die Bewohner vor Ort könnten nur notdürftig informiert werden, "weil niemand Antworten hat auf die Fragen der Bürger".

"Dass die Kommunen finanziell ausgeblutet sind, ist nicht die Schuld der Flüchtlinge, sondern der jahrelangen Umverteilungspolitik von unten nach oben. Herr Mädge sollte sich innerhalb der SPD für eine stärkere Besteuerung von Vermögen einsetzen. Damit wäre den Kommunen mehr geholfen als mit Parolen vom rechten Rand“, fordert Amri.

Wie aber Lüneburg, dessen Verwaltung und zahlreiche Ehrenamtliche seit Monaten verzweifelt versuchen, dem Andrang immer neuer Flüchtlinge gerecht zu werden, darauf reagieren soll, dazu sagt Amri gegenüber LGheute: "Es ist kein Geheimnis, dass die Stadt in Sachen sozialer Wohnungsbau die letzten Jahre verschlafen hat. Das rächt sich jetzt. Auch wurde die Ressource 'Arbeitskraft' durch die Politik massiv verknappt. Es fehlen städtische Ingenieure, Bearbeiter und so weiter... Da könnte die Stadt jetzt nachsteuern."

Und auf die Frage, wie die Stadt das Hauptproblem, schnellstmöglich neue Unterkünfte und Grundstücke für die Flüchtlinge zu finden, konkret lösen soll, antwortet Amri: "Es ist klar, dass bei der derzeitigen Lage viel improvisiert werden muss. Aber auch wenn die Situation schwierig ist, ist das keine Legitimation, unsere Grundrechte über Bord zu werfen."