header

Ein kritischer Geist geht

12.01.2024 - Der Schritt kam nicht überraschend. Wer wie Wolf von Nordheim zu viele kritische Fragen stellt, muss damit rechnen, auf dem Abstellgleis zu landen. Das gilt im normalen Leben genauso wie in der Politik. Die Grünen, die sich gern mit dem Nimbus unerschütterlicher Aufrichtigkeit und Unerschrockenheit allem Übel dieser Welt entgegenstellen, bilden da keine Ausnahme – erst recht dann nicht, wenn sie selbst betroffen sind. Nun sind sie Wolf von Nordheim endlich los. Doch der überzeugte Grüne, nicht nur von Parteikollegen gern als "seniler Querulant" in die Ecke gestellt, wird in der Lüneburger Stadtpolitik fehlen. Spuren hinterlässt er dennoch.

Zuletzt war es die Villa Heyn, die ihn angetrieben hat, Widersprüchlichem und Widersinnigem nachzugehen und dabei Fakten ans Tageslicht zu bringen, die von der Grün-geführten Lüneburger Stadtverwaltung lieber unter der Decke gehalten worden wären. Doch was als ehrliche Aufarbeitung von Problemen hätte angegangen werden können, sollte als Total-Blockade enden: als Verweigerung, eigene Fehler zu benennen und zu beheben. Dabei durfte sich das Rathaus sowohl der Unterstützung ihrer Grünen-Stadtratsfraktion wie auch der Rot-Grün geführten Landesregierung in Hannover sicher wissen. 

Auf Ulrich Blanck, Jule Grunau, Pascal Mennen und Laura Schäfer, den Kopf der Lüneburger Stadtratsfraktion, war Verlass. Sie sorgten dafür, dass von Nordheim, als dieser wagte, Fragen zu stellen, die Fraktion verlassen musste. Dass der von ihnen veranlasste Rauswurf vor Gericht Bestand hatte, lag nicht zuletzt daran, dass alle Vier an Eides statt versicherten, er habe die Fraktion von sich aus verlassen. Für das Gericht war dies maßgebend, doch war es auch zutreffend? Zweifel sind angebracht.

Aber auch im Rathaus durfte man mit Rückendeckung rechnen, sogar von übergeordneter Stelle. Denn in der Rot-Grün-geführten Landesregierung in Hannover hatte man null Interesse daran, eine Grünen-Oberbürgermeisterin in Lüneburg wegen offenkundig manipulierter Fehl-Entscheidungen ins Trudeln geraten zu lassen. Die Kommunalaufsicht bescheinigte ihr daher auch, alles richtig gemacht zu haben, und wischte unangenehme Fragen und Zweifel vom Tisch. 

Dass von Nordheim, auf diese Weise kaltgestellt, jetzt sein Mandat niederlegt, verwundert nicht. Denn als fraktionsloses Ratsmitglied kann er nicht mehr das machen, wozu jedes Ratsmitglied verpflichtet ist: die Verwaltung, die dem Rat als oberstem Gremium der Stadt unterstellt ist, zu kontrollieren. Das will zwar auch das Niedersächsische Kommunalverfassungsgesetz, fraktionslosen Mitgliedern aber räumt es dabei weniger Rechte als anderen ein. 

Ob Wolf von Nordheim im Rat der Stadt künftig fehlen wird, hängt vor allem davon ab, ob ein ähnlich kritischer Geselle wie er künftig seine Rolle übernehmen wird. Erkennbar ist das derzeit nicht. Die Grünen, derzeit noch auf Suche für die Nordheim-Nachfolge, werden sich ohnehin hüten, wieder einen wie ihn in die Fraktion aufzunehmen. Sie setzen ohnehin lieber auf junge Frauen, die sich mit grünem Empörungs-Enthusiasmus lieber für woke Lastenfahrradfahrende und andere Zukurzgekommene einsetzen – sofern es Studium und individuelles Zeitmanagement zulassen.

Wirklich beunruhigend aber ist das Verhalten der übrigen Fraktionen im Lüneburger Stadtrat. Denn wer gehofft hatte, dass CDU, FDP oder Linke – von der SPD ist nach der vorangegangenen Mädge-Ära nicht viel zu erwarten – die Vorgänge um die Villa Heyn zum Anlass genommen hätten, das Verhalten der Lüneburger Oberbürgermeisterin kritisch zu hinterfragen, sieht sich bis heute getäuscht. Nicht eine Anfrage dazu gab es bislang im Rat der Stadt. Aber auch das ist vielsagend.

Wolf von Nordheim jedenfalls wird sich nun auf sein Mandat im Kreistag von Lüneburg konzentrieren. Ihm darf man nur wünschen, dass ihn dort nicht ein ähnliches Schicksal wie im debattierfreudigen, aber letztlich unkritischen Lüneburger Stadtrat ereilen wird. 

Ein Kommentar von Ulf Stüwe
zum Beitrag "Wolf von Nordheim legt Mandat nieder"