header

Brüssel setzt beim Hochwasserschutz Zeichen

EU-Kommission lässt künftig Gehölzrückschnitt auch in geschützten Elbe-Auwäldern zu

Artlenburg, 11.05.2014 - Was bislang stets als kaum durchführbar erschien, ist nun offenbar doch möglich: Im Herbst kann mit vorbereitenden Maßnahmen zum Gehölzrückschnitt zum Hochwasserschutz an der Elbe begonnen werden. Möglich geworden ist dies, nachdem sich Brüssel von den Vorteilen der gemeinsamen Planungen von Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern zum Hochwasserschutz überzeugen ließ. Ende April hatten Vertreter der beiden Länder und des Bundes ihre Ideen der EU-Kommission vorgestellt. Der Artlenburger Deichverband begrüßt die neue Regelung und spricht von einer Kehrtwende.

"Die Europäische Union setzt Leib und Leben vor Naturschutz und hat den vorgezogenen Gehölzrückschnitt im Deichvorland, zunächst bei Barförde und Walmsburg, erlaubt“, berichtet der Deichhauptmann des Artlenburger Deichverbands, Hartmut Burmester. 

In der Rückschnittsaison 2014/2015 sollen in den Landkreisen Lüneburg und Lüchow-Dannenberg sowie im Bereich der Stadt Boizenburg Büsche, Bäume und Hecken im Deichvorland zurückgeschnitten werden. Um die Eingriffe in den besonders geschützten Weichholz-Auenwald auszugleichen, soll andernorts im sogenannten Natura-2000-Gebiet neuer Auwald entstehen. Alle Maßnahmen sollen in einem Arbeitskreis aus Vertretern der Wasser- und Naturschutzverwaltungen sowie der Deich- und Naturschutzverbände und der Kommunen abgestimmt werden. Der vorgezogene Rückschnitt auf der relativ kleinen Fläche diene der Gefahrenabwehr und soll bei einem möglichen Hochwasser den Wasserabfluss an besonders kritischen Punkten verbessern, teilte der Landkreis mit.

Beginnen dürfen die Arbeiten im kommenden Herbst und anschließend jedes Jahr zwischen Anfang Oktober und Februar fortgesetzt werden.

"Als Unterlieger an der Elbe müssen die Länder Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern - und damit auch der Landkreis Lüneburg - bei Hochwasser in erster Linie dafür sorgen, dass das Wasser zügig Richtung Nordsee abfließen kann“, erläutert Stefan Bartscht, Fachdienstleiter Umwelt beim Landkreis Lüneburg, das Vorhaben. "Ermöglichen soll das ein Maßnahmenpaket, das die Länder mit den betroffenen Landkreisen, Verbänden und Institutionen in einem gemeinsamen Rahmenplan bis 2015 erarbeiten."

Neben dem Rückschnitt im Deichvorland sind unter anderem Altarm-Anbindungen, Flutmulden, Beseitigung von Anlandungen, Deichrückverlegungen, der Neubau von Deichen und die Anlage von Flutpoldern im Gespräch. Die Polder müssten allerdings weiter oben am Elbelauf angelegt werden, damit sie wirken.

„Wir haben Dampf auf dem Kessel und müssen so früh wie möglich anfangen, bevor uns das nächste Hochwasser einholt“, sagt Burmester zum geplanten Rückschnitt in Barförde und Walmsburg. "Auch auf Flächen in Radegast ist ebenfalls dringend ein Rückschnitt nötig“, ergänzt er. Für Barförde liegt die Genehmigung vor, auf einer vier Hektar großen Fläche rund 100 Büsche und Weiden zurück zu schneiden. "Sie bremsen den Wasserabfluss und verändern die Strömung der Elbe“, erklärt Burmester. Bei der Fläche Walmsburg/Darchau handelt es sich um 15,5 Hektar. Der dortige Gehölzaufwuchs verursachte einen Rückstau und einen Anstieg des Wasserspiegels während des Hochwassers 2013.

Norbert Thiemann, Geschäftsführer des Artlenburger Deichverbandes, sagt, der Rückschnitt sei eine wichtige Möglichkeit im Verbandsgebiet, den Flaschenhals bei Hochwasser zu öffnen. „Unsere einzige Chance, das Wasser abfließen zu lassen. Der Rückschnitt der Verbuschung an den engen Stellen ist ein kleiner Eingriff mit einem großen Effekt.“ Denn mehr Raum durch Deichrückverlegungen könne der Elbe in dieser Region nicht gegeben werden, weil die Bebauung hinter den Deichen zu dicht sei. "Daher dürfen wir die dringend nötige Deicherhöhung nicht aus den Augen verlieren“, fordert Thiemann.

Er erinnert daran, dass das Rekord-Hochwasser vor einem Jahr nur noch wenig Luft nach oben an den Deichen ließ. "Die Folgen für uns wären katastrophal geworden, wären im Oberlauf die Flutung der Havelpolder und der Talsperren in Tschechien und Thüringen nicht geglückt - und wäre der Deich bei Fischbeck nicht gebrochen“