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Diskussionen und Fakten zum Fracking

Grüne klären über Einsatz und Folgen der Technologie auf - NDR berichtet aus Lüneburg

Hansestadt, 10.11.2012 - Die Diskussion um den möglichen Einsatz der umstrittenen Fracking-Technologie im Landkreis Lüneburg hält an. In der vergangenen Woche führten die Lüneburger Grünen zu diesem Thema eine Veranstaltung durch, in der ausführlich über Wirkungen und Nebenwirkungen des Verfahrens informiert wurde. Am kommenden Montag, 12. November, greift NDR 1 in seiner Sendereihe "Jetzt reicht's!" das Thema auf und veranstaltet hierzu eine öffentliche Diskussionsveranstaltung in der Lüneburger Ritterakademie.

Teilnehmer der NDR-Diskussionsrunde am Montag sind Landrat Manfred Nahrstedt, Godehard Hennies vom Niedersächsischen Wasserverbandstag, Dr. Hartmut Pick vom Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung sowie Hartmut Horn von der Bürgerinitiative "FRACKloses Gasbohren im Landkreis Rotenburg".

|| Nahrstedt: Planungen zurückstellen ||

Landrat Nahrstedt hatte bereits kurz nach Bekanntwerden der Pläne eines US-Unternehmens aus seiner ablehnenden Haltung zum Einsatz der Fracking-Technologie keinen Hehl gemacht. Er befürchtet Beeinträchtigungen des Grund- und qualitativ hochwertigen Trinkwassers, das weit über den Landkreis Lüneburg hinaus von Bedeutung ist. "Die aktuellen Planungen sollten deshalb zurückgestellt werden, bis die Ergebnisse, die die Firma Exxon Mobil aktuell zu Grundwasser-Auswirkungen rund um Fracs erarbeitet, vorliegen", so Nahrstedt.

Der Landkreis hatte sich erst kürzlich in einer Resolution einstimmig gegen Fracking ausgesprochen und das Land Niedersachsen aufgefordert, die Fracking-Technologie generell zu stoppen. Zudem soll das Land die Transparenz bei bergrechtlichen Angelegenheiten und die Einbindung der Kommunen verbessern sowie die Zuständigkeit für das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) dem Umweltressort übertragen (LGheute berichtete).

Die öffentliche NDR-Veranstaltung findet am Montag um 18 Uhr in der Ritterakademie statt. Ausgestrahlt wird die aufgezeichnete Sendung am 15. November um 20 Uhr auf NDR 1 Niedersachsen (UKW 91,2 MHz). Die Sendung kann auch unter www.ndr.de/ndr1niedersachsen in der NDR Mediathek nachgehört werden.

|| Interesse an Schiefergas als Folge hoher Energiepreise ||

Bereits in der vergangenen Woche gab es einen Informationsabend zum Thema "Was ist Fracking?", zu dem die Landtagsabgeordnete der Grünen Miriam Staudte und Kreistagsmitglied und Landtagskandidat Detlev Schulz-Hendel aus Amelinghausen eingeladen hatten. Prominenter Gast des Abends war die Fraktionsvorsitzende der Grünen im EU-Parlament Rebecca Harms. Sie beleuchtete die derzeit in Europa vermehrt wahrnehmbaren Aktivitäten rund um die Förderung von unkonventionellem Gas oder Schiefergas, bei dessen Förderung Fracking eingesetzt werde.

Als Grund für das gestiegene Interesse der Energiekonzerne an Schiefergasvorkommen nannte Harms die begrenzten Ressourcen bei den konventionellen Erdgasvorkommen. Durch gestiegene Energiepreise sei die bislang noch unwirtschaftliche Förderung des Schiefergases in den letzten Jahren deutlich attraktiver geworden. Lag der Gaspreis pro Terajoule im Jahr 2000 noch bei 3.000 Euro, betrug er 2011 bereits 7.100 Euro.

Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen zählten zu den interessantesten Fördergebieten für unkonventionelles Erdgas, berichtete Miriam Staudte. Nach Angaben der Bundesanstalt für Rohstoffe betrage das Vorkommen in beiden Bundesländern rund 13 Billionen Kubikmeter, wovon rund 1,3 Billionen Kubikmeter als förderbar eingestuft seien. Bei einem jährlichen Verbrauch von rund 100 Milliarden Kubikmetern könnte - abzüglich eines Eigenanteils von rund 15 Prozent - rund 40 Jahre gefördert werden, so Staudte.

|| Harms: Gegenläufige Entwicklung in USA ||

Rebecca Harms machte deutlich, dass Europa möglicherweise einer Entwicklung hinterher laufe, die in den USA nach einem anfänglichen Boom inzwischen wieder zu Ernüchterung geführt habe. Dort sei man inzwischen nicht mehr von einer wirtschaftlichen Förderung des unkonventionellen Gases überzeugt. US-Unternehmen würden erworbene Gasfelder wieder verkaufen, auch der Rückzug des Energieunternehmens Exxon aus Polen sei ein Indiz für das nachlassende Interesse der Energiewirtschaft an Schiefergas, so Harms.

Die EU-Abgeordnete beklagte eine fehlende Regulierung in diesem Bereich. Es fehlten entsprechende Wasser-Rahmenrichtlinien sowie Umweltverträglichkeits-Prüfungen, wie sie längst auch für andere Bereiche vorgeschrieben seien. Unter Bezug auf aktuelle Studien wies die aus dem Wendland stammende EU-Politikerin darauf hin, dass die Gefahren durch die Förderung von Schiefergas noch nicht ausreichend bekannt seien. Insbesondere die Gefährdung der Grund- und Oberflächenwasser dürfe nicht unterschätzt werden, ebenso die Belastung durch das bei der Förderung freigesetzte Methangas.

|| Nur 8 Prozent kommt als "Flowback" zurück ||

Dr. Ekkehard Petzold, der als Sachverständiger für Gewässergefährdungen den Abend fachlich begleitete, richtete das Augenmerk der Teilnehmer auf die Entsorgung der Rückstände, die beim Fracking anfielen. Von dem für das Fracking eingesetzten Gemischs, das zu 98 Prozent aus Wasser bestehe, der Rest seien Sand und sogenannte Additive, würden einer aktuellen Studie zufolge nur rund 8 Prozent als "Flowback" wieder aus dem Boden zurückgewonnen werden, 92 Prozent verblieben im Boden und könnten Generationen später dann ins Grundwasser gelangen, berichtete der Gutachter.

Wie sich diese Additive zusammen setzen, sei oft nicht ausgewiesen, informierte Miraim Staudte. Das Umweltbundesamt habe ermittelt, dass von 88 "Zubereitungen", also den beim Fracking eingesetzten Gemisch-Cocktails, nur 27 ungiftig seien. 6 Zubereitungen seien als giftig eingestuft, 6 als umweltgefährlich, 25 als gesundheitsschädlich, 14 als reizend und 12 als ätzend, so Staudte.

Doch selbst der größte Teil der zurückgewonnenen Gemische würde nach gängiger Praxis mittels Verpressung über sogenannte Disposalbohrungen wieder zurück in den Boden verbracht werden, berichtete die Landtagsabgeordnete weiter. Andere Entsorgungswege seien die Aufbereitung zur Einleitung in das Oberflächenwasser oder zur Einleitung in die Kanalisation, zum Teil würde das "Flowback" auch für weitere Fracks eingesetzt.

|| "Was haben wir eigentlch davon?" ||

Die Grünen sprachen sich an dem Abend erwartungsgemäß deutlich gegen den Einsatz der Fracking-Technologie aus. "Wir sollten nicht mehr fördern, sondern weniger verbrauchen!", forderte Miriam Staudte, die ebenso wie die anderen Mitstreiter stattdessen mehr Anstrengungen im Bereich der Speichertechnologien für die erneuerbaren Energien erwartet.

Dass die Förderung von Schiefergasvorkommen in der Region auch jenseits umweltpolitischer Aspekte kaum Aussicht auf Zustimmung in der Bevölkerung haben dürfte, wurde deutlich, als eine Teilnehmerin am Schluss fragte: "Was haben wir eigentlich davon?"