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Frommestraße 5 ist leer

Einsturzgefährdetes Haus friedlich geräumt - Gespräche über neues Wohnprojekt

Hansestadt, 19.06.2012 - Planmäßig wurde gestern Vormittag das Gebäude Frommestraße 5 von seinen letzten Bewohnern geräumt. Nach Aufforderung durch Mitarbeiter der Stadt verließen die zehn dort zuletzt noch wohnenden Personen friedlich das Haus. Zu einer befürchteten Eskalation der Situation wie noch bei der Räumung der Frommestraße 2 vor fast genau einem Jahr kam es zur Erleichterung aller Beteiligten nicht. Oberbürgermeister Ulrich Mädge kündigte an, die ehemaligen Bewohner der Frommestraße 5 weiterhin bei ihrer Suche nach passendem Wohnraum zu unterstützen.

Mädge, der den ganzen Montagmorgen selbst vor Ort war, zeigte sich erleichtert über den ruhigen Verlauf. Zwar gab es gestern Vormittag ein deutlich sichtbares Aufgebot an Polizisten, einzuschreiten brauchten sie aber nicht. Es sei überwiegend gelungen, deutlich zu machen, dass die Stadt das Haus "nicht zum Spaß" räumen ließ, sondern aus Sicherheitsgründen, so der Oberbürgermeister.

Zuletzt waren noch 22 Mieterinnen und Mieter im Haus Frommestraße 5 gemeldet. Darunter ein 85 Jahre alter Mann, der zuvor verschiedene Angebote für Ersatzwohnungen abgelehnt hatte. Mit Unterstützung von Pastor Eckhard Oldenburg von der St.-Nicolai-Kirche stimmte der 85-Jährige letztlich zu, eine städtische Wohnung zu beziehen.

Nach der Räumung wurde das Gebäude von Mitarbeitern der Stadt versiegelt, Fenster wurden mit Spanplatten verschlossen, Gas-, Wasser- und Stromleitungen wurden abgebaut. Zutritt zu dem einsturzgefährdeten Gebäude haben künftig nur noch Mitarbeiter der städtischen Baubehörde, um die im Haus gesetzten Gipsmarken zu überprüfen und festzustellen, ob es weitere Auswirkungen durch Senkungsbewegungen im Boden auf das Haus gibt.

|| Sanierung oder Abriss ||

Wie es mit dem Haus jetzt weitergeht, stehe noch nicht fest, unterstrich Mädge noch einmal. "Wir müssen von Woche zu Woche gucken. Mein Ziel ist es, das Haus so lange wie möglich zu halten. Es gibt genügend Beispiele in der Stadt, wo senkungsgeschädigte Häuser, die hin waren, doch wieder saniert werden konnten. Allerdings haben wir hier keinen Eigentümer greifbar, das macht die Sache natürlich schwierig."

Gegenwärtig lässt die Stadt prüfen, ob die Frommestraße und Teile der Umgebung als kleines Sanierungsgebiet ausgewiesen werden kann, um Hauseigentümern Zuschüsse zu den mitunter nicht unerheblichen Sanierungskosten gewähren zu können. Aber auch einen Abriss will die Stadt nicht ausschließen. "Dafür seien aber weitere Untersuchungen und gegebenenfalls detaillierte Konzepte nötig", teilte die Stadt mit.

Wegen der Räumung von Nr. 5 und der beantragten Abrissgenehmigung für Nr. 4 gab es erst kürzlich einen Disput mit der Stadt. Die Frommestraßen-Bewohner sehen wegen der zeitlichen Nähe einen Zusammenhang zwischen beiden Aktivitäten (LGheute berichtete).

|| Mehrgenerationen-Wohnprojekt ||

Die im April festgestellte akute Einsturzgefahr der Frommestraße 5 hatte die Stadt und die Bewohner vor unerwartete Probleme gestellt. Kurzfristig musste für die damals noch 26 gemeldeten Bewohner neuer Wohnraum in Lüneburg beschafft werden. Schnell wurde aber deutlich, dass eine Fortsetzung der Lebensgemeinschaft unter einem Dach an anderem Ort nicht von heute auf morgen realisierbar sein werde.

Zwar hatte die Stadt sich bemüht, gemeinsam mit der Lüwobau und Hilfsorganisationen den Bewohnern bei der Wohnungssuche zu helfen, Kautionen aufzubringen oder den Umzug zu organisieren. Doch die Angebote der Stadt hätten bei Weitem nicht für alle Bewohner ausgereicht, kritisierten die Frommestraßen-Bewohner, die sich notgedrungen nach anderen Lösungen umsehen mussten (LGheute berichtete).

Für die Frommestraßen-Bewohner sind dies aber ohnehin nur Zwischenetappen. Sie wollen ihr Wohnprojekt Frommestraße an einem anderen Ort in Lüneburg wieder aufleben lassen und suchen dafür nach geeignetem Wohnraum. Oberbürgermeister Ulrich Mädge hatte ihnen dabei die Unterstützung der Stadt zugesagt. Am vergangenen Freitag hatte es "erste konstruktive Gespräche mit Frommestraßen-Bewohnern über mögliche Standorte für ein Mehrgenerationen-Wohnprojekt" gegeben, teilte die Stadt heute mit, ließ aber offen, um welche Objekte es sich dabei handeln könnte. "Die Gespräche gehen weiter", äußerte sich die Stadt optimistisch.

|| Kritik an Transparenz und Wohnraumpolitik der Stadt ||

Trotz der gestern friedlich verlaufenen Räumungsaktion gab es auch Kritik seitens Lüneburger Politiker. Michèl Pauly, Fraktionschef der Linkspartei im Lüneburger Stadtrat: "Mit der kurzfristigen Räumung der Frommestraße 5 ist deutlich geworden, dass Lüneburg deutlich zu wenig finanzierbaren Wohnraum hat." Innenstadtnahes Wohnen sei für viele Menschen inzwischen nicht mehr bezahlbar, so Pauly.

Auch Torbjörn Bartels, Vorsitzender der Piraten-Fraktion, sieht in den langen Wartelisten für bezahlbaren Wohnraum ein Problem. "Wenn wir in Lüneburg eine Studentenstadt sein wollen, dann müssen wir auch geeigneten Wohnraum bereitstellen", fordert Bartels.

Für den Piraten-Politiker aber fehlte vor allem eines: "Von Anfang an mehr Transparenz", so Bartels. Er hätte sich gewünscht, dass zum Beispiel Gutachten für jedermann einsichtig ins Internet gestellt und Senkungsdaten frühzeitig bekannt gegeben worden wären. "Dadurch vermeidet man Gerüchte, wie sie bei solchen Aktionen immer sehr leicht entstehen können", sagt der Piraten-Politiker. Er kündigte an, dass seine Fraktion daher auch schon bald einen Antrag zum Thema "Open Data" stellen werde.