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Aufgelesen: Harakiri-Politik

Warum der Ukraine-Krieg ein schlechtes Omen für Deutschland ist

Foto: LGheute08.04.2023 - "Wir sind in einer anderen Welt aufgewacht", sagte die Grünen-Politikerin Annalena Baerbock am 25. Februar 2022, einen Tag nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine. Mit anderen Worten: Was sich niemand in der Politik bis dahin hat vorstellen können, ist dennoch eingetreten. Doch die nächste politische Fehleinschätzung könnte schon bald bittere Realität werden. In wenigen Tagen sollen in Deutschland die letzten Atomkraftwerke abgeschaltet werden, die noch verbliebenen Braunkohlekraftwerke sollen alsbald folgen. Wie der immense Energiebedarf in Deutschland allein mit Wind und Sonne gestillt werden kann, hat bislang kein Politiker erklärt.

Bis 2030 soll der Anteil der erneuerbaren Energie aus Wind und Sonne 80 Prozent betragen, so will es die Bundesregierung. Wie das gehen soll, ist fraglich. Denn der Anteil der Erneuerbaren liegt heute bei lediglich 46,2 Prozent des Bruttostromverbrauchs. Um das ehrgeizige Ziel dennoch erreichen zu können, müssen laut "Tagesschau" bis dahin im Schnitt vier bis fünf Windräder pro Tag installiert werden, das "Handelsblatt" geht sogar von sechs Windrädern pro Tag aus.

◼︎ Das "schmutzige Kupfer"

Das setzt einiges voraus. So müssen nicht nur ausreichend Flächen für die Windkraft- und Photovoltaikanlagen gefunden werden – der Protest dagegen nimmt weiter zu –, auch geeignete Anlagen müssen bereitstehen. Letzteres ist allein schon angesichts der dafür erforderlichen Kupfer-Mengen für Bauteile in den Windkraftanlagen nicht zu unterschätzen – von der aus Sicht der Nachhaltigkeit höchstproblematischen Gewinnung der Kupfererze und deren energieintensiver Aufbereitung ganz zu schweigen. Spannend dürfte dabei auch sein, wie ernst es die Bundesregierung mit ihrem jüngst beschlossenen Lieferkettengesetz hält, mit dem menschenunwürdige Arbeitsbedingungen bei der Herstellung von Gütern nicht mehr akzeptiert werden. Wie problemlos dies umgangen werden kann, zeigt der ARD-Film "Schmutziges Kupfer – Die dunkle Seite der Energiewende". 

◼︎ Mehr als 200.000 Fachkräfte fehlen

Ein weiteres Hindernis: der Fachkräftemangel. So fehlen laut einer Studie des Kompetenzzentrums Fachkräfte (KOFA) beim Institut der deutschen Wirtschaft allein im Bereich der Solar- und Windenergie derzeit 216.000 Fachkräfte. Wie die Lücke geschlossen werden soll, ist unklar. Aus anderen Branchen dürften sie selbst mit Umschulung nicht zu gewinnen sein, denn Fachkräfte fehlen überall. Deshalb setzt die Bundesregierung nun auf ein Einwanderungsgesetz, das aber Jahrzehnte zu spät kommt.

Für die wirklich qualifizierten Fachkräfte aus dem Ausland gilt Deutschland ohnehin schon längst nicht mehr als Top-Favorit. So ist die Bundesrepublik laut einer Auswertung der Bertelsmann Stiftung unter den 38 Ländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) seit 2019 von Platz 12 auf Platz 15 zurückgefallen.

◼︎ Weltweit gibt es 439 Kernreaktoren

Begründet werden all diese offenkundig wenig durchdachten Beschlüsse mit dem drohenden Klimawandel und seinem Hauptverursacher CO2. Warum sich Deutschland dann aber von der Kernenergie verabschiedet, ist wenig nachvollziehbar. So könnte diese Form der Energieerzeugung CO2-freien Strom in Größenordnungen liefern, die die vielfach geforderte Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels problemlos erreichbar macht. Weil dies aber politisch nicht gewollt ist – zumindest nicht in Deutschland, der Weltklimarat, auf den man sich sonst so gern stützt, spricht sich explizit für die Nutzung der Kernenergie aus –, werden drei Argumente ins Feld geführt: 1. die Anlagen sind nicht sicher, 2. die ungelöste Endlager-Frage und 3. die Abhängigkeit Deutschlands von anderen Ländern für das benötigte Uran.

Um es gleich vorweg zu sagen: Keines der drei Argumente überzeugt. Die deutschen Kernkraftwerke gelten als die sichersten der Welt. Das Gegenteil wird auch nicht durch die Unglücke von Tschernobyl und Fukushima bewiesen, die im Übrigen so auch nicht in Deutschland hätten passieren können, wie die frühere Kernkraft-Gegnerin Anna Veronika Wendland in ihrem Buch "Atomkraft? Ja bitte! Klimawandel und Energiekrise: Wie Kernkraft uns jetzt retten kann" schreibt. Nebenbei: Derzeit gibt es weltweit 439 Kernreaktoren in 33 Ländern, Tendenz steigend. Wie ist denn eigentlich deren Beitrag zur angeblich höchstproblematischen Klimabilanz zu werten?

◼︎ Sind 3.800 Castoren gefährlicher als 1.900?

Mehrere hundert Zwischenlagerbehälter, sogenannte Castoren, gibt es laut Bundesgesellschaft für Endlagerung aktuell in Deutschland, genauere Zahlen gibt es von ihr nicht. Wenn am 15. April die letzten drei Kernkraftwerke abgeschaltet werden, soll die Anzahl der Castoren auf etwa 1.900 ansteigen – angefallen seit der Inbetriebnahme des ersten kommerziellen Kernkraftwerks 1961. Ein Endlager ist bislang nicht gefunden. So der aktuelle Stand.

Was aber spricht gegen den Weiterbetrieb von Kernkraftwerken und dem damit verbundenen Anstieg der Anzahl der Castoren, wenn damit das Klima gerettet kann? Das, so ist doch immer wieder zu hören, angeblich größte Problem, von dem die Menschheit derzeit bedroht ist. Was wäre also schlimmer: 3.800 statt der 1.900 Castoren, die über eine lange Zeit sicher verbracht werden müssen, oder die Rettung der Menschheit vor dem Klimawandel durch den Weiterbetrieb der Kernkraftwerke?

◼︎ Wie abhängig ist Deutschland von der Welt?

Auch die Abhängigkeit Deutschlands vom Uran aus anderen Ländern als Argument gegen die Kernenergie ist wenig stichhaltig. So ist Deutschland in mehrfacher Hinsicht von der Bereitstellung von Wertstoffen für sein Erneuerbares Zeitalter von anderen Ländern abhängig: etwa für Windkraftanlagen, wie oben beschrieben, oder bei Batterien für hier produzierte E-Autos. Zudem war Deutschland bislang Export-Weltmeister. Auch das bedingt eine Abhängigkeit, nämlich die von den Ländern, die ihre Produkte weiter aus Deutschland beziehen wollen. Wer dies nicht weiter möchte, sollte es sagen und die Konsequenzen nicht verheimlichen.

Unterm Strich bleibt eine ernüchternde Bilanz: Die Bundesregierung, allen voran die Grünen, ist in ihrer Energie-Argumentation nicht ehrlich. Statt praktikabler Lösungen und tragfähiger Konzepte für die Zukunft werden Maßnahmen angekündigt, die einer belastbaren Überprüfung schon im Ansatz nicht standhalten. Und: Sie nutzt die Kassandra-Rufe der Klima-Hysteriker, um daraus politisches Kapital zu schlagen. Dabei verkennt die Politik oft eins: das feine Gespür in der Bevölkerung für das Machbare. Der aktuelle Absturz der Grünen in der Gunst der Bevölkerung spricht da Bände.

Wenn also vielleicht schon bald erneut ein Politiker vor die Mikrofone tritt und erklärt, dass er oder sie "in einer neuen Welt aufgewacht" ist, dann dürfte es zumindest für Deutschland nochmals Folgen haben, allerdings erheblich nachteiligere als beim jetzigen Krieg in der Ukraine. Die, die das Desaster angerichtet haben, sind dann aber vermutlich schon nicht mehr im Amt. Und selbst dann hätte es für sie persönlich keine wirklichen Konsequenzen.