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Ist Lüneburg noch zu retten?

Neue Strategien und "Kümmerer" sollen die Verödung der Innenstadt verhindern

Immer mehr Geschäfte in der Lüneburger Innenstadt schließen für immer. Jetzt soll mit einem Innenstadtkonzept dagegen vorgegangen werden.  Foto: LGheuteLüneburg, 12.03.2021 - Geschlossene Läden, leere Plätze, kaum Passanten – seit Monaten gleicht Lüneburgs Zentrum einer Geisterstadt. Nach dem zaghaften Lockern der Corona-Verordnung zeigen sich jetzt die Folgen der gnadenlosen Corona-Politik: Viele Geschäfte werden dauerhaft geschlossen bleiben. Kann diese schleichende Verödung der Lüneburger Innenstadt aber überhaupt noch aufgehalten werden? Das war Thema der gestrigen Auftaktveranstaltung "Innenstadtdialog", zu der die Stadt Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur ins Audimax der Universität und auch online eingeladen hatte.

"Abgestürzte Geschäftsstraßen kriegen Sie nicht mehr nach oben." Sätze wie diese waren es, mit denen Prof. Thomas Krüger deutlich machte, was auch in Lüneburg auf dem Spiel steht: die Verödung der Innenstadt. Denn eines, so der Universitätsprofessor für Projektentwicklung und Projektmanagement im Fachbereich Stadtplanung der HafenCity Universität Hamburg in seinem Impulsvortrag, sei klar: "Es wird zu Leerständen kommen." Diese Entwicklung beschleunige sich, wenn nichts dagegen unternommen werde. Innenstädte seien immer schon ein soziales und kulturelles Zentrum gewesen, "hier wurden Geschäfte gemacht, Töchter verheiratet und gemeinsam Bier getrunken". Diese jahrtausendalte Bedeutung müsse wieder gestärkt werden, "das gibt es im Supermarkt nicht".

◼︎ Mietreduktion werde kommen

An einem ließ der Stadtplaner ebenfalls keinen Zweifel: "Wertkorrekturen werden kommen", sagte Krüger mit Blick auf die Eigentümer und Vermieter, von denen einige immer noch glaubten, mit einem blauen Auge durch die Krise zu kommen. Die Zeiten, in denen alle zehn Jahre ein neuer Mietvertrag mit teils guter Renditesteigerung abgeschlossen wurde, seien aber "endgültig vorbei". Je nach Stadt und Lage müssten sie sich auf bis zu 30 Prozent Mietreduktion einstellen, prognostiziert Krüger.

Lüneburg brauche deshalb ein "Bündnis für Innenstadt", ein Rahmenkonzept, "damit man ins Handeln kommt". Krüger begrüßte daher den Anstoß, den die Stadt mit ihrem Auftakt zum "Innenstadtdialog" gemacht habe. Hier müssten alle Akteure zusammenwirken, "der Markt allein wird das nicht regeln". Dazu müsse unter Umständen sogar "intervenierend" eingegriffen und Immobilien übernommen werden.

Hierfür empfahl Krüger die Einrichtung einer Entwicklungsgesellschaft, die als "orientierende, ordnende und unterstützende Hand" den notwendigen Veränderungsprozess in der Stadt begleitet.

◼︎ Stimmen aus der Wirtschaft

Lünebuch-Geschäftsführer Jan Orthey erinnerte daran, dass der Mix aus Einzelhandel, Gastronomie, gesellschaftlichem und kulturellem Leben stimmen müsse. Schon jetzt fehle in der Innenstadt die "Frequenz-Garantie" bei gleichbleibend hohen Kosten. Allerdings warnte er auch davor, "nicht aus Emotionen heraus zu schnell Dinge über Bord zu werfen". Auf das jährliche Stadtfest hingegen könne er durchaus verzichten.

Der Lüneburger Gastronom Marc Blancke hingegen zeigte sich insgesamt "zuversichtlicher als noch im März 2020". Lüneburg habe gegenüber anderen Städten einen deutlichen Wettbewerbsvorteil, der aber weiter genutzt werden müsse. Kritik aber äußerte auch er an den "exorbitanten Mieten" und an den Bussen, die immer noch den traumhaften Platz am Sande verunstalteten.

Mehr Vielfalt wünschte sich Gastronom Christoph Meyer. "Wir brauchen hier nicht acht Friseure oder Nagelstudios nebeneinander." Stattdessen sollte jungen Menschen eine Chance gegeben werden. Auch sprach er sich für ein Vorkaufsrecht der Stadt bei Immobilienverkäufen aus und regte einen Wettbewerb für Pop-Up-Geschäfte in leerstehenden Läden an.

Für Axel Bornbusch, Geschäftsführer der heiter & wolkig GmbH, ist Lüneburg ein "fruchtbares Feld". Aus der aktuellen Krise könne die Stadt auch gestärkt hervorgehen, "der Damm ist gebrochen, doch statt eines Kanals gibt es jetzt viele Seen und Inseln".

Ein deutlich düstereres Bild zeichnete Roy Robson-Geschäftsführer Heiko Westermann von der aktuellen Situation. 45 Prozent Minus habe sein Unternehmen im vergangenen Jahr gemacht, "eine dritte Welle werden wir nicht überstehen". Auch er forderte ein Umdenken bei den Mieten ebenso wie bei den Auflagen für den Denkmalschutz. 

◼︎ Auch Vermieter ziehen mit

"Die Vermieter sind bereit", erklärte Oberbürgermeister Ulrich Mädge gestern Abend. Dies hätten ihm die wichtigsten 15 Vertreter in der Stadt in einem persönlichen Gepräch zugesagt. "Die Mieten in der Bäckerstraße gehen schon zurück."

Auch habe er sich an Hannover gewandt, um für Lüneburg Mittel aus dem 100-Millionen-Förderprogramm zu erhalten. Außerdem wolle die Stadt selbst 300.000 Euro für das Sofortprogramm beisteuern, mit dem das Aktionsprogramm zur Rettung und dauerhaften Belebung der Lüneburger Innenstadt gestartet werden soll.

Zur Belebung der Innenstadt sei auch an die Schaffung von Wohnraum gedacht. Weil hier aber der Brandschutz häufig im Wege stehe, kündigte Mädge an, dazu mit dem Landkreis zu sprechen.

◼︎ Christoph Steiner soll sich kümmern

Bekannt und geschätzt in Lüneburg: Der frühere Chefredakteur der "Landeszeitung" soll Ansprechpartner für Handel, Gastronomie und Vermieter werden. Foto: LGheuteIn einem ersten Schritt soll zudem der frühere Chefredakteur der "Landeszeitung" Christoph Steiner für zunächst ein halbes Jahr als "Kümmerer und Ansprechpartner" für die Betroffenen eingesetzt werden. Steiner, der als Moderator durch den Abend führte, verfüge über die für diese Aufgabe guten und wichtigen Kontakte in alle Bereiche der Stadt, sagte Mädge. 

Zugleich kündigte Mädge Frank Rehme von der gmvteam GmbH an, der als Entwickler der Stadt künftig zur Seite stehen soll. Rehme kündigte als erste Maßnahme an, wieder Frequenz in die Stadt zu bringen. Das sei wichtiger als manch anderes Thema, das derzeit in der Stadt diskutiert werde, sagte Rehme. "Nicht jeder kann im Lastenrad vorn sitzen." 

Mit von der Partie beim "Innenstadtdialog" ist auch die Lüneburg Marketing GmbH. Deren Geschäftsführer Lars Werkmeister verglich die Innenstadt mit einem großen Orchester. "Das aber klingt nur gut, wenn alle mitspielen." Zwar stehe Lüneburg bei Touristen weiter hoch im Kurs, doch sei jetzt die Zeit für "ein neues Stück". 

Das Konzept soll zunächst am 22. März im Wirtschaftsausschuss der Stadt vorgestellt werden, danach geht es in den Rat. 

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