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Messfehler ja oder nein?

Oberlandesgericht fordert sichere Feststellung bei Geschwindigkeitsüberschreitung

Celle, 05.07.2021 - War es wirklich genau der eine Stundenkilometer zuviel, der den Führerscheinentzug zur Folge hatte, oder war es vielleicht doch die nicht korrekt justierte Messanlage im Straßengraben, die den folgenschweren Blitz auslöste? Geschwindigkeitsmessungen von Kraftfahrzeugen sind ein Dauer-(Streit-)Thema und werden vor Gericht immer wieder als fehlerträchtig angegriffen. Nun musste selbst das Oberlandesgericht in Celle kürzlich hierzu entscheiden.

Messgeräte sind im Zulassungsverfahren einer strengen technischen Prüfung unterworfen. Besteht ein Gerät diese Prüfung, bietet es bei Einhaltung der vorgegebenen Bedienvorschriften in der Regel die hinreichende Gewähr für die Richtigkeit der erzielten Messergebnisse. Messungen können dann als sogenannte standardisierte Messverfahren in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren ohne weitere Überprüfungen zugrunde gelegt werden.

Gibt es trotz Einhaltung der Bedienvorschriften jedoch Anhaltspunkte für Fehlerquellen und unzulässige Messwertabweichungen, setzt die Verurteilung eines vermeintlichen "Temposünders" voraus, dass das Gericht im Einzelfall feststellen kann, dass solche Messfehler zu Lasten des Betroffenen ausgeschlossen sind.

Einen derartigen Fall hatte jüngst der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle zu entscheiden. Ein Kraftfahrzeugfahrer wurde mit dem Geschwindigkeitsmessgerät LEIVTEC XV3 kontrolliert. Hiernach sollte er die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 37 km/h überschritten haben. Das Amtsgericht Walsrode hatte ihn deshalb zu einer Geldbuße von 140 Euro verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hin hob der Senat dieses Urteil auf und verwies das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurück. Grund hierfür war, dass die für die Bauartprüfung dieses Messgeräts zuständige Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) zwischenzeitlich bei bestimmten Versuchsanordnungen seltene Messfehler reproduzieren konnte, die zulässige Toleranzen überschritten. Da der Abschlussbericht der PTB laut Gericht nicht eindeutig erkennen ließ, unter welchen Messbedingungen sich Messwertabweichungen zu Ungunsten beziehungsweise ausschließlich zu Gunsten Betroffener auswirken können, sah der Senat bei diesem Messgerät derzeit keine hinreichende Gewähr mehr für die Annahme eines standardisierten Messverfahrens und für die Zuverlässigkeit der erzielten Messergebnisse.

Das Gericht entschied deshalb, dass das Amtsgericht mithilfe eines Sachverständigengutachtens genauer aufklären muss, ob in diesem konkreten Einzelfall die ausgewiesene Geschwindigkeitsüberschreitung sicher festzustellen ist.