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Schluss mit Doppelpunkt und Sternchen

Der "Tagesspiegel" verzichtet aufs Gendern – Grund sind sinkende Abo-Zahlen

Foto: LGheute04.12.2023 - Abstimmungen finden gemeinhin in Rathäusern oder Wahllokalen statt. Per Handzeichen oder Kreuz auf dem Wahlzettel wird verkündet, was der Souverän höchstpersönlich oder dessen Stellvertreter in Parlament oder Stadtrat für angemessen hält. Doch es gibt auch andere, weitaus direktere Formen der Meinungsäußerung: die Abstimmung mit den Füßen. Dies musste nun auch der Berliner "Tagesspiegel" in Sachen Gendern erfahren. Und reagierte. 

Man werde, von einigen Ausnahmen abgesehen, auf das Gendern in der gedruckten Ausgabe der Tageszeitung verzichten, ließ der Verlag in einer internen Mitteilung seine Mitarbeiter wissen. Damit setzte er einen Schlusstrich unter ein drei Jahre währendes Experiment, in dem durch *- oder :-Wortverhunzungen, die nicht nur jeden Rede- und Lesefluss stören, sondern auch einen Verstoß gegen die Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtschreibung darstellen, ein wie auch immer geartetes Gefühl von Geschlechterneutralität hergestellt werden sollte.

Das allerdings scheint gründlich in die Hose gegangen zu sein. Denn: Die vom Verlag verordnete Gendersprache sei einer der Hauptgründe für Beschwerden und Abo-Kündingungen gewesen sein, schreibt die "BILD"-Zeitung, die sich ihrerseits auf ein internes Rundschreiben des "Tagesspiegel"-Verlags beruft. Dort heißt es, unter der Gendersprache mit Sternchen und Doppelpunkt leide die Klarheit und die Abo-Zahl – wobei Letztere vermutlich ausschlaggebend gewesen sein dürfte angesichts der Tatsache, dass laut einer Umfrage des WDR 80 Prozent der Bevölkerung Gendern ablehnen. 

Die "FAZ", selbst wehrhaft gegen jeden Versuch, Sternchen- oder Doppelpunkt-Populärfeminismus in den eigenen Reihen zu etablieren, nimmt darauf Bezug. In einem lesenswerten Kommentar von Michael Hanfeld heißt es: "Und trotzdem wird sie (die Ablehnung der Gendersprache; Anm.d.Red.) einem von allen Seiten aufgezwungen, von der Politik, der Verwaltung, an der Universität und im öffentlich-rechtlichen Rundfunk". Und er scheut sich auch nicht, dies als "Umerziehungsversuch" anzuprangern.

Doch der "Tagesspiegel" wäre vermutlich nicht der "Tagesspiegel", wenn er nicht genügend Schlupflöcher für seine genderbeseelten Redakteure bereithalten würde. Sie dürfen auch weiterhin ihrer Neigung fröhnen, sei es durch "Paarformen" wie Künstlerinnen und Künstler oder eine subjektivierte Partizipialform wie Studierende statt Studenten. In der Online-Ausgabe ist Sternchen- oder Doppelpunkt-Gendern sogar weiter erlaubt – wobei sich sogleich die Frage stellt, warum hier der Lesefluss nicht gestört sein sollte.

Vermutlich wird es aber noch ein oder zwei Jahre brauchen, bis auch hier in der "Tagesspiegel"-Redaktion die Erkenntnis gereift ist, dass Gendern nicht gewollt ist. Ob dann noch Abonnenten da sind, ist eine andere Frage.