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Mut oder Mittelmaß?

Rat stimmt heute über die Umbenennung der "Hindenburgstraße" ab – zwei Anträge konkurrieren

Noch steht Hindenburg auf dem Lüneburger Straßenschild, doch dessen Tage sind gezählt. Foto: LGheuteLüneburg, 04.07.2023 - Wer heute Abend vor "Markus Lanz" noch nicht weiß, sinnvoll die Zeit rumzukriegen, könnte durchaus mal die Ratssitzung in Lüneburg aufsuchen. Trotz Dauersitzung Von 19.15 bis 23 Uhr kann es an diesem Abend spannend werden, denn es geht unter anderem um den gefühlt 25. Versuch zur Umbenennung der "Hindenburgstraße". Dieses Mal könnte es klappen. Aber wie soll sie dann heißen?

Die vier im Rat vertretenen linken Parteien – also SPD, Grüne und Linke und "Partei" – wollen, dass der Name "Hindenburg" endgültig aus dem kollektiven Lüneburger Gedächtnis gelöscht wird und als Straßenname verschwindet. Er sei "Zerstörer" der Weimarer Republik und Wegbereiter des Nationalsozialismus, lautet ihre Kritik, mit der sie ihren Antrag begründen. 

Stattdessen soll, so der Wunsch der Vier – die Straße künftig "Sonja-Barthel-Straße" heißen, benannt nach einer Jüdin, deren Schwester und Großmutter ins KZ kamen. Und: Sonja Barthel lebte und wirkte in Lüneburg, war Mitglied der SPD und der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN), der Kernmarke gegen alles, was irgendwie rechts von links steht. 

◼︎ Ein Wehrmachts-Offizier als Namensgeber?

Neben dem – politisch erwartbaren – Antrag der vier Links-Parteien gibt es aber eine mutige und durchaus bedeutsame Alternative, und zwar von der FDP. Sie schlägt, sollte es zu einer Umbenennung kommen, als Namensgeber den Wehrmachts-Offizier Wilm Hosenfeld vor. Der hatte sich während des Krieges nicht nur für polnische Bürger eingesetzt, sondern persönlich dem polnischen Juden Wladislaw Szpilman dazu verholfen, dem Terror des Warschauer Ghettos zu entkommen und den Zweiten Weltkrieg zu überleben (LGheute berichtete).

Hosenfeld selbst wurde im Januar 1945 von den Sowjets gefangengenommen. Fünf Jahre später, am 7. Mai 1950, verurteilte ihn ein Militärtribunal zu 25 Jahren Gefängnis. Der Prozess wurde ohne Verteidigung geführt. Hosenfeld starb 1952 in einem sowjetischen Gefängnis. Allein schon aus diesem Grund ist es daher kaum vorstellbar, dass die auch aus Alt-Kommunisten bestehende VVN den vier Links-Parteien die Absolution für eine Zustimmung zu dem FDP-Antrag erteilt hat. 

Daran dürfte auch nicht ändern, dass in Lüneburg regelmäßig der Hosenfeld-Szpilman-Preis vergeben wird, und zwar gemeinsam von der Museumsstiftung Lüneburg, der Stadt Lüneburg und der Universitätsgesellschaft Lüneburg – drei Institutionen, denen eine rechte Gesinnung kaum angedichtet werden kann. 

◼︎ Und was sagen die Anwohner?

Die angestrebte Umbenennung könnte dennoch aufgehalten werden. Denn der Rat selbst hatte beschlossen, im Vorfeld einer Umbenennung die Anwohner zu fragen, was sie davon halten. Die FDP schlägt nun vor, bei der Anwohner-Befragung vier Antworten ankreuzen zu dürfen: Ja für a) Wilm-Hosenfeld-Straße, b) Hosenfeld-Szpilman-Straße, c) Sonja-Barthel-Straße oder d) Gartenstraße. Letzteren Namen trug die Straße zwischen 1884 und 1933. 

Was hier aber als fünfte Antwort fehlt, wäre Antwort e): Hindenburgstraße.