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"Lüneburg ist nicht der Standard"

Im Glockenhaus wurde gestern das Pro und Contra von ÖPP diskutiert 

Hansestadt, 26.09.2012 - "Lüneburg ist nicht der Standard", stellte Dr. Werner Rügemer, Journalist und Publizist aus Köln, im Laufe der ÖPP-Veranstaltung fest, die gestern Abend im Lüneburger Glockenhaus stattfand. Knapp 50 Zuhörer waren zu der Podiumsdiskussion mit dem Thema "ÖPP - Fluch oder Segen?" gekommen und verfolgten eine angeregte und streckenweise kontroverse Gesprächsrunde.

ÖPP - die Abkürzung steht für öffentlich-private Partnerschaft - ist ein Instrument, das in Deutschland seit etwa zehn Jahren von Bund, Ländern und Kommunen eingesetzt wird, um trotz leerer Haushaltskassen notwendige Investitionen in Infrastruktur und Bildungseinrichtungen tätigen zu können. Das Prinzip ist einfach: Ein privater Investor übernimmt Planung, Bau, Finanzierung und Betrieb des geplanten Projekts, die öffentliche Hand - zumeist Kommunen - mietet es anschließend für eine Laufzeit von 20 bis 30 Jahren an. Danach geht es, je nach Vereinbarung, in den Besitz der Kommune über.

|| Kommunen sehen finanzielle Vorteile ||

Vielen Kommunen aber geht es nicht nur darum, ohne eigene Mittel oder Kredite Schulen und Straßen bauen zu können. Sie versprechen sich von ÖPP handfeste finanzielle Vorteile, die aus der Partnerschaft mit der Privatwirtschaft erwachsen sollen.

In Lüneburg - hier wurden mittels ÖPP die Turnhallen für die Schulen in Häcklingen und am Kreideberg sowie das Bildungs- und Kulturzentrum Saline errichtet - habe das geklappt, allein für das Bildungs- und Kulturzentrum sei eine Kostenersparnis von rund 20 Prozent erzielt worden, informierte Heiko Dörbaum, Fraktionsvorsitzender der SPD im Lüneburger Stadtrat.

Dörbaum saß gestern als Vorsitzender des Bauausschusses mit auf dem Podium der Veranstaltung, zu dem die Stadtratsfraktionen der Piraten-Partei und Links-Partei eingeladen hatten. Neben ihm nahmen Michèl Pauly, Fraktionschef der Linken im Stadtrat, Bernward Kulle, Vorstandsmitglied der ÖPP Deutschland AG aus Berlin sowie Laura Valentukeviciute von der attac-Initiative "Gemeinwohl in Bürgerhand" aus Berlin teil.

|| "Die Fallen kommen erst später" ||

Doch so positiv wie Dörbaum wollte Werner Rügemer, der die Diskussionsrunde mit einem Impulsreferat eröffnete, die Einschätzung von ÖPP nicht durchgehen lassen. "Lüneburg ist untypisch", hielt er dagegen, da hier lediglich Planung, Bau und Finanzierung mittels ÖPP erfolge. "Die Fallen kommen erst in der Betriebsphase, aber die übernimmt Lüneburg ja selbst", so der Kölner Publizist.

Rügemers Kritik richtete sich ebenso wie die von Michèl Pauly und Laura Valentukeviciute gegen ÖPP grundsätzlich. Fehlende Transparenz durch Nichtoffenlegung der ÖPP-Verträge, hohe Nebenkosten für Berater und Anwälte, unzulässige Wirtschaftlichkeitsvergleiche, zu dünne Eigenkapitaldecke der Investoren, Ausschaltung des öffentlichen Wettbewerbs - es war eine ganze Latte von Punkten, die von den ÖPP-Kritikern ins Feld geführt wurden.

Die wiederum wollten weder Dörbaum noch ÖPP-Vertreter Kulle durchgehen lassen. "Die Verträge konnten von jedem Ratsmitglied eingesehen werden", sagte Dörbaum, der zugleich darauf verwies, dass eine vollkommene Offenlegung aus wettbewerbsrechtlichen Gründen nicht möglich sei. Auch dass Handwerksbetriebe und Unternehmen aus der Region zu kurz kämen, stimme nicht. "Der Anteil der Betriebe aus der Region, die an der Errichtung des Bildungs- und Kulturzentrums Saline mitwirken, liegt bei 40 Prozent und damit oberhalb des Durchschnitts hier in Lüneburg", so Dörbaum.

|| "ÖPP ist kein Allheilmittel" ||

Berward Kulle räumte immerhin ein, dass die Durchführung von Wirtschaftlichkeitsanalysen vielleicht doch besser von unabhängigen Dritten durchgeführt werden sollte, um möglichen Interessenkonflikten aus dem Weg zu gehen. "Das ist ein Punkt, über den wir nachdenken müssen." Er warnte zugleich davor, ÖPP als Allheilmittel für klamme Kommunen zu betrachten. "Man muss genau prüfen, wann ÖPP sinnvoll ist", sagte Kulle.

Kontrovers wurde es bei der Frage, warum es überhaupt möglich sei, dass ÖPP-unterstützte Projekte günstiger sein können als Projekte, die von der Kommune selbst durchgeführt werden. "Ich habe Betriebswirtschaftslehre studiert, aber das verstehe ich nicht", sagte eine junge Zuhörerin. Heiko Dörbaum versuchte, dies mit den Rahmenbedingungen zu erklären, die für Kommunen nun mal anders seien als für private Unternehmen. Doch so ganz schien er das Publikum damit nicht überzeugt zu haben.

Bei allen gegensätzlichen Auffassungen gab es am Ende des Abends dann doch noch einen Teil-Konsens. Dem Vorschlag von Werner Rügemer, die Einnahmesituation der Kommunen zu verbessern, um ÖPP gar nicht erst erforderlich werden zu lassen, mochte selbst Heiko Dörbaum nicht widersprechen.