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Jamaika – ein Lehrstück in mehreren Akten

Hintergründe und Mutmaßungen zur Auflösung der Lüneburger Stadtrats-Gruppe von CDU, FDP und Grünen 

Mit dem Wechsel von Mandatsträgern zu anderen Fraktionen ändern sich im Rat der Stadt immer auch die Kräfteverhältnisse. Hier eine Ratssitzung im Kulturforum Wienebüttel. Foto: LGheuteLüneburg, 26.11.2020 - Wer in diesen Tagen seinen Blick aufs Lüneburger Rathaus richtet, erfährt Lokalpolitik der besonderen Art. Dort findet ein Schauspiel statt, das am Montag mit der Aufkündigung der Jamaika-Gruppe durch die Grünen zwar einen donnernden Paukenschlag erschallen ließ, das seinen Anfang aber Wochen vorher nahm. Der erste Akt begann mit dem Übertritt einer ambitionierten, aber eher glücklos wirkenden CDU-Politikern zu den Grünen. Die wiederum sahen darin die Chance, endlich an den begehrten Vorsitz im Bauausschuss zu kommen.

Als Sonja Jamme Mitte Oktober von der CDU zu den Grünen wechselte, verschoben sich auch die Kräfteverhältnisse zwischen den beiden Fraktionen. Hatten beide bislang jeweils neun Mitglieder, können die Grünen sich seitdem über zehn Mitglieder freuen, der CDU verblieben nur noch acht. Für die Grünen war damit klar, dass nun auch die Vorsitze in den Ausschüssen neu verhandelt werden mussten. Grünen-Fraktionschef Ulrich Blanck: "Es ist ja logisch, dass wir als jetzt größere Fraktion uns nicht weiter mit nur zwei Vorsitzen abspeisen lassen, während die CDU weiterhin vier Vorsitze innehat."

Der zweite Akt fand am vergangenen Montag statt. In der Jamaika-Gruppen-Sitzung formulierte Blanck seine Forderung, künftig den Vorsitz im Bauausschuss übernehmen zu wollen, prallte damit aber bei der CDU ab, die den Vorsitz innehat. "Wir haben uns mit dem Start von Jamaika nach der Kommunalwahl 2016 darauf verständigt und haben keine Absicht, das zu ändern", erklärt Rainer Mencke.

Weil Mencke aber nicht umhin kam, die neu entstandenen Kräfteverhältnisse zu berücksichtigen, habe er Blanck Kompromissvorschläge unterbreitet, die dieser aber nicht annehmen wollte. Was genau er vorschlug, will Mencke nicht verraten, auch Blanck hält sich bedeckt. Da beide sich nicht einigen konnten, erklärte Blanck das Ende von Jamaika (LGheute berichtete).

Noch am selben Abend begann der dritte Akt. Blanck mailte das Ende von Jamaika ins Rathaus und forderte zugleich, in der heutigen Ratssitzung die Ausschüsse und deren Vorsitze gemäß Kommunalverfassungsgesetz neu zu verteilen. Dies sieht vor, dass die stärkste Fraktion das Erstzugriffsrecht auf einen Ausschussvorsitz hat. Und dies ist unangefochten der Vorsitz im Bauausschuss. Und weil die SPD die stärkste Fraktion im Rat der Stadt ist, würde der Vorsitz an sie fallen.

Blancks offenkundiges Kalkül dabei: Der oder die neue SPD-Vorsitzende sollte den für kommenden Montag angesetzten Bauausschuss verschieben, womit Zeit gewonnen wäre, auch das ungeliebte Neubaugebiet "Wienebütteler Weg" zu vertagen, das von dem Noch-Vorsitzenden Eberhard Mencke (CDU) kurzfristig auf die Tagesordnung gesetzt worden war. Die Grünen empfanden dies nicht zuletzt wegen der umfangreichen Dokumente, in die sich die ehrenamtlichen Ratsmitglieder vorab einarbeiten mussten, als Affront und als "durchsichtige Aktion, das Neubaugebiet durchzudrücken", wie Blanck erklärt.

Inzwischen ist der vierte Akt angelaufen, bei dem sich auch Oberbürgermeister Ulrich Mädge auf der Bühne eingefunden hat. Er ließ Blanck wissen, dass die Grünen allein die Jamaika-Gruppe nicht aufkündigen können, dies müssten alle drei Mitglieder machen. Allerdings hätten CDU und FDP sich dazu noch nicht erklärt geschweige denn, es schriftlich mitgeteilt. 

Der fünfte Akt ist nun für den 4. Dezember vorgesehen. Dann soll eine Ratssondersitzung stattfinden, in der vor allem die zahlreichen offenen Tagesordnungspunkte abgearbeitet werden sollen. Blanck hofft, dass dann auch die Neubesetzung der Ausschüsse und der Ausschussvorsitzenden vorgenommen werde. Damit dies auch möglich ist, sollen CDU und FDP die Jamaika-Auflösung im heutigen Verwaltungsausschuss unterschreiben. "Das Papier habe ich zum Unterzeichnen in der Tasche", sagt Blanck.