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Aufgelesen: Leugner oder Hysteriker?

Foto: LGheute05.09.2021 - Wie schwer es inzwischen ist, eine Meinung abseits des veröffentlichten Mainstreams zu haben, beweist nun ausgerechnet auch noch die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) in ihrer Online-Ausgabe. Dort macht Joachim Müller-Jung in seinem Kommentar über die "Klima-Muffel" klar, wo die Freiheit endet: offenbar dort, wo seine eigene Vorstellungskraft an ihre Grenzen stößt. Und er zeigt, wie Medien ticken.

Dass Müller-Jung von "Klima-Muffeln" spricht, die es so nicht geben kann, weil man zwar mit dem Wetter nicht einverstanden sein kann, wenn es mal zu lange regnet, nicht aber mit dem Klima, das für sich selbst erstmal wertfrei ist, das ist wohl weniger ihm als viemehr seiner Redaktion anzulasten. Denn für Überschriften, und nur darin ist von "Klima-Muffeln" in dem Kommentar "Die fabelhafte Welt der Klimamuffel" die Rede (leider mit Bezahlschranke), sind in Redaktionen nun mal andere zuständig. Müller-Jung selbst ist da schon korrekter: Er spricht von "Klimawandel-Leugnern". 

Das aber ändert wenig an dem Grundtenor des Kommentars. Denn der prangert diejenigen an, die nun mal keinen Bock darauf haben, sich der vorgegebenen Medien-Meinung anzupassen. Vor gut 50 Jahren gab es das übrigens schon einmal, wenn auch mit anderen Vorzeichen: Damals waren es die vielzitierten 68er, die sich gegen gängige Meinungen stellten – und die FAZ eher gegen sich hatten.

Inzwischen haben 68er und FAZ ihre Positionen verändert, das Schema aber ist dasselbe geblieben: Wer nicht mitschwimmt, wird nicht nur nicht ernst genommen, er wird auch als "Leugner", "Muffel" oder am besten gleich als rechtsextremistisch aufs gesellschaftliche Abstellgleis befördert. Wie schon damals gilt es, Lesern und Bürgern eine wie auch immer geartete "staatsbürgerliche Haltung" anzutrainieren, von der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier so gern spricht. 

Spannend ist in diesem Zusammenhang also: Warum geschieht das so? Warum ist eine Zeitung wie die FAZ (oder einige ihrer Redakteure) nicht in der Lage, Dinge einfach mal so darzustellen, wie sie sind? Warum muss jemand, der nicht kritiklos dem Klimawandel huldigt, gleich als "Leugner" oder "Muffel" diskreditiert werden? Warum werden wiederum alle anderen, die dem Mainstream folgen, nicht im selben Zug etwa als "Klima-Huldiger" oder "Klima-Hysteriker" bezeichnet? Darauf gibt der Kommentar erwartungsgemäß keine Antwort.

Wie sehr Müller-Sonntag selbstgerechtem Haltungsjournalismus frönt, zeigt sich an einer Einlassung in seinem Kommentar, in der er auf eine repräsentative Studie des Naturschutzbunds Deutschlands zu sprechen kommt. Darin wurde festgestellt, dass Menschen über 60 bei ihrer Wahlentscheidung das Thema "Klimawandel" eher nachrangig bewerten – erwartungsgemäß, wie Müller-Jung für die FAZ darlegt. Dass er aber zugleich schreibt, dass es "erstaunlich" sei, dass auch die Altersgruppe der 35- bis 50-Jährigen dem Klimawandel der Studie zufolge eher eine untergeordnete Rolle zukommen lassen, zeigt, wie sehr öffentliche Meinung einerseits und – von den Medien – veröffentlichte Meinung andererseits auseinanderklaffen.