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Aufgelesen: Steinmeier und Ensslin

Foto: LGheute18.03.2022 - Diese Bilder mögen die Medien: Ein Bundespräsident, der sich persönlich zu ukrainischen Flüchtlingen in ein Zelt setzt, in dem sie nach ihrer Ankunft in Berlin gerade untergebracht sind. Geschehen gestern, etwa 2000 Meter von Schloss Bellevue, dem Dienstsitz des Bundespräsidenten, entfernt. Und sie mögen Frank-Walter Steinmeier, den alten Mann mit weißen Haaren, der so gar nicht ins Klischee des alten weißen Mannes zu passen scheint. Was sie aber offenbar gar nicht mögen, sind unangenehme Geschichten über diesen Mann. Anders lassen sich manche Unterlassungen nicht erklären.

Vor einem Monat, am 18. Februar, hatte Steinmeier Margarethe von Trotta anlässlich ihres 80. Geburtstags per Pressemitteilung Glückwünsche aus dem Bundespräsidialamt überbracht und die Arbeit der bekannten Schauspielerin und Regisseurin wohlwollend gewürdigt. Darin findet sich auch eine Passage, in der Steinmeier unter anderen die frühere RAF-Terroristin Gudrun Ensslin als eine der "Frauen der Weltgeschichte" bezeichnete. Wörtlich heißt es in der Mitteilung:

"Mit der Ihnen eigenen Handschrift ermöglichen Sie neue Sichtweisen, insbesondere auf große Frauen der Weltgeschichte, die sich den Brüchen und Zumutungen ihrer jeweiligen Zeit mit großer Intelligenz, persönlicher Stärke und einem ausgeprägten Willen zur Veränderung der gesellschaftlichen als auch politischen Verhältnisse stellen. Sei es das Leben von Gudrun Ensslin, Rosa Luxemburg, Hildegard von Bingen oder Hannah Arendt – allen diesen Frauen und vielen anderen haben Sie unvergessliche filmische Porträts gewidmet. Filme wie ‚Die bleierne Zeit‘ oder ‚Die verlorene Ehre der Katharina Blum‘ sind zu Meilensteinen deutscher Kinogeschichte geworden. Sie bleiben auf ewig in unserem cineastischen Gedächtnis. Sie haben mit Ihrem Wirken zum kulturellen Ansehen unseres Landes beigetragen. Dafür sage ich Ihnen heute meinen Dank."

Gudrun Ensslin als "große Frau der Weltgeschichte" zu würdigen, noch dazu von einem Bundespräsidenten, ist stark. Ensslin gilt als Mitbegründerin der "Rote Armee Fraktion" (RAF) und war eingebunden in eine Anschlagserie der RAF, die 1972 vier Todesopfer und 74 Verletzte forderte. Sie wurde wegen mehrfachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt, 1977 nahm sich die Linksextremistin im Gefängnis in Stammheim das Leben. Trotta hatte ihr mit ihrem Film "Bleierne Zeit" einen Film gewidmet.

Offenbar scheint auch dem Präsidialamt kurz darauf deutlich geworden zu sein, was da offiziell verlautbart wurde. Denn schon kurz darauf wurde diese Variante klammheimlich vom Bundespräsidialamt auf dessen Webseite gelöscht und durch eine neue ersetzt, in der Gudrun Ensslin nicht mehr vorkommt. Die alte Version ist weiterhin hier nachlesbar.

Doch das ist nicht alles, was man von Steinmeier für gewöhnlich nicht erfährt. Nur nebenbei wurde kürzlich in einer "Markus Lanz"-Sendung erwähnt, dass Steinmeier noch nach 2014, also bereits nach der Krim-Okkupation durch Russland, gesagt habe, die Ukraine soll mit dem "Säbelrasseln aufhören" – Worte, die später dann kurz vor dem Überfall auf die Ukraine auch von Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder zu hören waren und für allgemeine Empörung gesorgt hatten. 

Doch während Schröder inzwischen medial in Ungnade gefallen ist, genießt Steinmeier bei den Haupt-Medien dieses Landes weiterhin größten Respekt. So schnell lassen sie nun mal keinen fallen, mit dem viele in den Hauptstadtredaktionen politisch offenbar schon seit frühen Tagen im selben Boot sitzen.  

So erklärt sich auch, warum vor allem die "Gudrun Ensslin"-Entgleisung so gut wie gar kein mediales Echo gefunden hat. Sie ist allem Anschein nach der politischen Heimat Steinmeiers geschuldet, in der sich auch viele "Medienschaffende" zu Hause fühlen. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" hatte vor Jahren bereits in einem sehr aufschlussreichen Artikel die politische Herkunft und Vergangenheit Steinmeiers beleuchtet, die sehr nah am sehr linken Spektrum verankert war. So soll er damals als Redakteur der linken Zeitschrift "Demokratie und Recht" unter Beobachtung des Verfassungsschutzes gestanden haben, weil er eine "Diskussion über eine linke Verfassungsinterpretation" gefordert hatte. Die Zeitschrift stand zudem unter Verdacht, von der DDR finanziert worden zu sein.

Mit F. W. Steinmeier als Bundespräsident muss das Land weitere fünf Jahre leben, dafür hat im Januar ein breites Bündnis aus SPD, FDP, Grünen und CDU/CSU gesorgt. In der Zeit wird er seine Spurrillen sicher noch vertiefen.