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Aufgelesen: Prioritäten setzen

Nicht jeder Politiker hat stets nur das Land im Blick

Foto: LGheute11.03.2022 - In der Politik geht es bekanntlich darum, nicht nur Zeichen und Botschaften, sondern auch Prioritäten zu setzen. Je nach politischer Couleur fallen die schon mal unterschiedlich aus. Während die SPD gerade entdeckt, dass der Hindukusch irgendwo zwischen Harz und Heide liegt und die FDP milliardentrunken dem Charme der Schulden erliegt, irrlichtert die CDU noch durch selbstvermintes Oppositionsgelände. Weiterhin treu sind sich da die Grünen. Selbst wenn anderen das Wasser bereits bis zum Hals steht, achten sie zuvorderst auf korrektes Gendern. 

"Bitte noch gendern, ansonsten Freigabe", betitelt die Frankfurter Allgemeine Zeitung einen Artikel, in dem es um die Rolle der heutigen Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) bei der Flutkatastrophe im Ahrtal im letzten Sommer geht. Damals war sie Umweltministerin in Rheinland-Pfalz, als solche ihrer Verantwortung offenbar aber nicht gewachsen.

Noch am Nachmittag des 14. Juli, dem Tag, dem nachts darauf die verheerende Flut folgte und 134 Menschen den Tod brachte, hatte ihr Ministerium eine Pressemitteilung herausgegeben, in der es hieß, dass man die Lage ernst nehme, ein Extremhochwasser aber nicht drohe. Die Pressemitteilung war von Spiegel freigegeben worden, allerdings mit dem Hinweis an ihre Mitarbeiter, zuvor aus Campingplatzbetreibern CampingplatzbetreiberInnen zu machen: "Konnte nur kurz draufschauen, bitte noch gendern CampingplatzbetreiberInnen, ansonsten Freigabe", zitiert die FAZ Anne Spiegel unter Verweis auf Veröffentlichungen der "Rheinischen Post". 

Als sich die Lage am Abend zuspitzte, war Spiegel abgetaucht. Nicht in den Ahrfluten, sondern für ihren Staatssekretär. Dessen Versuche, die Ministerin zu erreichen, um sie über die katastrophale Situation zu informieren, waren laut FAZ bis zum Morgen des 15. Juli vergeblich.

Politischer Instinkt sorgte dann offenbar dafür, dass Anne Spiegel doch sehr schnell erkannte, dass Gefahr droht – nämlich ihr. Offenbar schwante ihr, dass die Flut-Katastrophe sich auch zu einer persönlichen Katastrophe für sie selbst entwickeln könnte. Um dem vorzubeugen, gab es erneut eine Ansage der Ministerin: Notwendig sei nun ein "Wording, dass wir ausreichend gewarnt haben", wird Spiegel in einem weiteren Beitrag der FAZ zitiert.

Zu all dem wird Spiegel im Untersuchungsausschuss des Landtags von Rheinland-Pfalz Auskunft geben müssen, der heute Abend tagt.

Ihren Auftritt im Umweltausschuss zur zeitgleichen Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen hat Ursula Heinen-Esser (CDU) bereits hinter sich. Als Umweltministerin des Landes war sie vor zwei Wochen angehört worden. Dabei habe sich herausgestellt, dass sie "nach der schlimmsten Naturkatastrophe in der Landesgeschichte nur kurz in Düsseldorf war und danach für vier Tage an ihren Urlaubsort auf Mallorca flog – obwohl ihr Staatssekretär ebenfalls abwesend war", wie die FAZ am 10. März schreibt. Begründet habe sie dies "mit der Betreuungspflicht, die sie für ihre 15 Jahre alte Tochter habe, die mit Freunden auf der Insel geblieben war".