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"Wir werden vielen auf die Füße treten müssen"

Gegenrede: Frank Soldan (FDP) zum Haushaltsplanentwurf 2023

Seit Jahren engagiert im Rat dabei: Frank Soldan bei einer früheren Haushaltsrede im Kulturforum Wienebüttel. Foto: LGheuteLüneburg, 3012.2022 - Ein 39-Millionen-Euro-Defizit, doch der Rat der Stadt Lüneburg will einfach nicht sparen. Wie aber geht man damit um, wenn das Geld nicht wie Manna vom Himmel fällt und ein zweiter Entschuldungsvertrag in weiter Ferne ist. Frank Soldan, Fraktionsvorsitzender der FDP im Lüneburger Stadtrat, hat in seiner Rede zum Haushaltsplanentwurf für 2023 mehr Mut zu Kürzungen und Streichungen gefordert. Hier seine Gegenrede.

Frank Soldan in der Ratssitzung am 22. Dezember 2022:

Frau Vorsitzende, Frau Oberbürgermeisterin, meine Damen und Herren Mitglieder dieses höchsten Verwaltungsgremiums der Hansestadt Lüneburg.

Seit neun Wochen liegt uns der Haushaltsplanentwurf 2023 vor. Genug Zeit, um sich in den Fachausschüssen zu informieren, Fragen an die Verwaltung zu richten, sich mit Verwaltungsleuten zusammenzusetzen, Ausgaben und Einnahmen zu analysieren, Änderungswünsche oder -anregungen vorzubringen und sich mit anderen Fraktionen auszutauschen.

Das vorgelegte Zahlenwerk zeigt die schlechte Liquiditätssituation unserer Stadt deutlich auf: Unterm Strich steht ein Defizit von 44,77 Millionen Euro. Das einfach hinzunehmen, ist weder nachhaltig noch generationengerecht. 

Und es ist noch schlimmer, als sich diese Zahl bereits anhört: Da auch in den nächsten Jahren ohne erhebliche Ausgabenreduktion kein positives Haushaltsergebnis zu erwarten ist, wird das Liquiditätsdefizit bis 2026 auf ca. 246 Millionen Euro ansteigen. Und das müssen wir über Kontoüberziehungskredite finanzieren, deren Zinssatz jetzt bei ca. 3,5 Prozent und weiter ansteigend liegt. Das macht dann in vier Jahren allein für die Zinsen für die Kassenkredite 8,6 Millionen Euro pro Jahr.

Hinzu kommen die Zinsen für langfristige Investitionskredite, die sich zur Zeit auf über 147 Millionen Euro belaufen, und die Tilgungen für all diese Kredite. Ein Privatunternehmen, das seine Kredite und Zinsen nur über die Aufnahme zusätzlicher Kredite bedienen kann, müsste Insolvenz anmelden.
Andererseits besitzt die Stadt genügend Vermögen, allerdings in Form von Schul- und Kitagebäuden, Straßen, Wegen und Plätzen und natürlich unseren Baudenkmälern - zum Beispiel das Rathaus. Das Versilbern dieses Vermögens ist jedoch kaum möglich, sodass eine Schuldentilgung so nicht funktioniert.

Bleiben also drei andere Möglichkeiten, um aus dieser Krise herauszukommen:

1. Ein neuer Entschuldungsvertrag mit dem Land – sofern es es anbieten wird: Den wird es nur gegen Einnahmesteigerungen durch Erhöhung der Grundsteuern, der Gewerbesteuern und anderen immer unsere Bürgerinnen und Bürger direkt treffenden Abgaben geben, so wie es das auch beim letzten Mal war.

Durch Einnahmesteigerungen in jährlich zweistelliger Millionenhöhe: Und die werden ebenfalls unsere Bürgerinnen und Bürger direkt bezahlen müssen (und es wird den Kreis freuen, da dadurch die Höhe der Kreisumlage deutlich steigt).

Durch Ausgabenreduktion: Und darauf möchte ich näher eingehen, da wir das als vordringliche Maßnahme ansehen. Geld, das man nicht hat, kann man nicht ausgeben. Das weiß nicht nur die schwäbische Hausfrau oder der hanseatische Kaufmann. Ich danke der Verwaltung, dass sie uns – zumindest in den Ausschüssen, in denen ich war – Einsparmöglichkeiten sowohl im konsumtiven als auch im investiven Haushaltsbereich vorgestellt hat. Sie bat uns teilweise ausdrücklich darum, diese Möglichkeiten zu hinterfragen, politisch zu bewerten und dann eine Entscheidung zu treffen. In den Ausschusssitzungen ist nicht über ein einziges dieser Einsparpotenziale diskutiert worden. Im Gegenteil. Sie sind zusammen mit zusätzlichen Ausgaben durchgewunken und dem Rat zur Umsetzung empfohlen worden. Deshalb finden sie Eingang in die Veränderungsliste 2 und erhöhen deutlich das Defizit.
Wir haben einige dieser Einsparmöglichkeiten in unseren Änderungsanträgen aufgegriffen. Genauso wie andere Maßnahmen, bei denen wir Einsparpotential sehen, deren Umsetzung uns selbst auch nicht behagt. So im Bereich Schulen und Kitas. Wir wollen damit eine politische Diskussion anstoßen, die so leider in den Fachausschüssen nicht geführt wurde.

Nach der Diskussion im Verwaltungsausschuss am letzten Dienstag ziehen wir deshalb einige unserer Änderungsanträge zurück. Es sind das die laufenden Nummern 1, 6, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 16, 19, 22, 24, 27, 37, 38, 39, 41, 43, 45 aus unserem “Änderungsantrag Investitionen 2023”. Auch wenn bei mehreren selbst die Verwaltung sagt, die könnten umgesetzt werden. Wenn das politisch nicht gewollt ist, brauchen wir hier im Rat nicht noch einmal darüber zu diskutieren.

Die von uns vorgeschlagenen Maßnahmen können entweder geschoben oder ganz gestrichen werden. Dabei nehmen wir auch nur am Rande Rücksicht auf schon zugesagte Fördermittel, da immer ein Eigenanteil für die Stadt bleibt, der unsere Verschuldung erhöht. Wir wollen uns nicht am goldenen Nasenring durch die Arena zerren lassen. Wenn der Fördermittelgeber – in der Regel Land oder Bund – bei der jetzigen Haushaltssituation vieler Kommunen nicht einsieht, dass auch geförderte Maßnahmen verschoben werden müssen – schließlich gehen die Maßnahmen, die auf uns infolge des Ukraine-Krieges, der sich daraus entwickelnden Energie-Krise und der Folgekosten des Klimawandels zukommen, vor – wenn die Bürokraten in Land und Bund das nicht einsehen, dann ist ihre Realitätsferne nicht mehr zu überbieten. Übrigens sind auch Fördermittel von Bürgerinnen und Bürgern bezahlte Steuern oder Kredite, die die nachfolgenden Generationen über Steuern tilgen müssen.

Gerade in der jetzigen Zeit heißt es, Prioritäten zu setzen.

Deshalb bleiben wir auch bei unseren Forderungen, den Bau der Radwegbrücke zur Arena und den Ausbau des Radweges an der Soltauer Straße zu verschieben. Auch wir sehen den schlechten Zustand des Radweges. Aber wir sind auch gewählt worden, um Prioritäten zu setzen, auch wenn wir dafür Kritik ernten werden. 

Investitionen in Schulen, Kitas und Spielplätze sind wichtiger.

Wir greifen mit diesen Investitionsreduzierungen eine Forderung der Kommunalaufsicht zur Haushaltsgenehmigung 2022 auf. Wir sollen nur so viele Investitionen planen, wie wir auch bewältigen können. Und es ist unmöglich, alles, was geplant ist, auch umzusetzen, das zeigen allein die Haushaltsreste aus den letzten Jahren deutlich. Aufgrund von Personalengpässen oder zu teuren oder gar keinen Angeboten zu Ausschreibungen ließen sich die geplanten Maßnahmen nicht umsetzen. Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit sind noch immer die Kernforderung jeder Haushaltsplanung.

Die zweite Forderung der Kommunalaufsicht zur Haushaltsgenehmigung 2022 greift die steigenden Personalkosten auf. Hier unterstützen wir den Kompromissvorschlag der Verwaltung, der die Budgetierungsforderung der CDU aufgreift.

Die dritte Forderung der Kommunalaufsicht, auch die Sach- und Dienstleistungen zu reduzieren, wird im Haushaltsplanentwurf nicht ausreichend berücksichtigt. Wir wissen, dass diese Reduzierung nur mit dem geht, was Frau Lukoschek immer wieder anmahnt: Wir brauchen eine Aufgabenkritik und eine Diskussion zu den in unserer Stadt geltenden Standards. Das müssen wir zur Haushaltskonsolidierung dringend angehen. Das ist unsere Aufgabe, da die zur Verfügung stehenden Mittel begrenzt sind.

Dabei wird es auch nicht ohne Rücknahme oder Aussetzung bestehender Ratsbeschlüsse gehen. Wir werden vielen auf die Füße treten müssen, wenn wir uns für die Zukunft einen finanziellen Handlungsspielraum erhalten wollen. Wir sind dazu bereit. Sind Sie es auch?

Meine Damen und Herren, die Haushaltsentwicklung der Hansestadt Lüneburg – so, wie sie sich jetzt für die Zukunft abzeichnet – ist weder nachhaltig noch generationengerecht. Sie bietet keinerlei Spielraum für politisch-taktische Spielchen oder Klientelpolitik.

Wer jetzt nur Land und Bund die Schuld an der Misere gibt und weiter wie bisher agiert, hat anscheinend resigniert und gibt seine Gestaltungsmöglichkeiten auf.

Diese finanzielle Krise unserer Stadt – und wir stehen wahrlich nicht allein, was die Handlungsmöglichkeiten von Land und Bund, uns zu helfen, einschränkt – bietet uns eine Chance zu Veränderungen. Und diese müssen wir nutzen. Das strukturelle Defizit ohne die Folgen des Ukraine-Krieges, der Energie-Krise und Corona beträgt nach der Veränderungsliste 2 rund 19 Millionen Euro.

Wir sehen im Haushaltsplanentwurf viele notwendige, gute Projekte mit Finanzmitteln hinterlegt – zum Beispiel Schul- und Kita-Investitionen und Förderungen, Kultur-, Theater-, Museen- und Bildungsunterstützungen, Wirtschaftsförderung, Feuerwehr, Klimawandelfolgenanpassung und Unterstützung sozialer Einrichtungen. Deshalb wollen und können wir den Haushalt nicht ablehnen.

Aber es gibt viele Maßnahmen, die wir nicht – beziehungsweise in der jetzigen Haushaltssituation nicht – unterstützen können. Und wir vermissen die Bereitschaft der Politik – bisher – im Ergebnishaushalt zu kürzen. Die Zurücknahme oder Aussetzung von Beschlüssen ist oft dazu notwendig und kann nicht in der Haushaltsberatung allein vorgenommen werden. Dazu sind Diskussionen in den Fachausschüssen notwendig.

Wir wollen den Haushalt konsolidieren. Daher haben wir nur einen einzigen Antrag zur Ausgabensteigerung zum Haushalt 2023 gestellt: Das SchuBZ als wertvolle Bildungseinrichtung mit hohem Freizeitwert muss stärker unterstützt werden.

Ich danke allen, die unseren zusammen mit der SPD gestellten Antrag unterstützen. Ich danke allen, die unsere Änderungsanträge unterstützen. Wir waren und sind gegen pauschale Kürzungen nach dem Rasenmäherprinzip. Ich danke vor allem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Verwaltung für die Aufstellung des Plans, die Geduld, die sie mit uns bei unseren Fragen haben, die Unterstützung, die sie uns zukommen lassen. Ich danke ihnen für die schnelle und sachorientierte Stellungnahmen zu unseren Änderungsanträgen.

Vielen Dank denjenigen, die mir zugehört haben.